Berliner Zeitung 24.05.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 119 · F reitag, 24. Mai 2019 – S eite 20 **<br />
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Sport<br />
Köpenicker Lufthoheit: Marvin Friedrich erzielt nach Eckball von Christopher Trimmel per Kopf das 2:2.<br />
IMAGO IMAGES/KOCH<br />
Matchball Köpenick<br />
Der 1. FC Union eröffnet sich mit einem 2:2 in Stuttgart beste Chancen für das Rückspiel in der Relegation zur Bundesliga<br />
VonTobias Schächter,Stuttgart<br />
Es sollten sie sich an diesem<br />
Abend in der ausverkauften<br />
Stuttgarter Arena die Worte<br />
von Union-Geschäftsführer<br />
Oliver Ruhnert bewahrheiten,<br />
der 46-Jährige hatte ja im Vorfeld der<br />
Partie Folgendes zum Besten gegeben:<br />
„Die Mannschaft hat ja schon<br />
mehrmals bewiesen, dass sie in großen<br />
Spielen in großen Stadien gute<br />
Leistungen abliefern kann.“ Und<br />
siehe da: Die Eisernen steigerten<br />
sich im ersten Relegationsspiel um<br />
einen Platz in der Bundesliga beim<br />
VfB nach anfänglicher Nervosität gewaltig,<br />
haben nach dem 2:2 (1:1)<br />
vomDonnerstagabend im Rückspiel<br />
am Montag vor eigenem Publikum<br />
tatsächlich gute Aussichten, zum<br />
ersten Mal indie Bundesliga aufzusteigen.<br />
Die Elf von Trainer Urs Fischer<br />
glich zweimal einen Rückstand<br />
durch die Tore von Suleiman Abdullahi<br />
(42.) und Marvin Friedrich (69.)<br />
aus und beeindruckte mit starker<br />
Moral. Fast wäreAngreifer Sebastian<br />
Andersson sogar noch der Siegtreffer<br />
gelungen, aber VfB-TorwartRon-Robert<br />
Zieler klärte zweimal nach Aktionen<br />
des Schweden (78., 90.). Kapitän<br />
Christopher Trimmel, der nach<br />
seiner zehnten Gelben Karte beim<br />
Showdown im Stadion an der Alten<br />
Försterei fehlen wird, bestätigte im<br />
Nachgang seinen Geschäftsführer:<br />
„Wir haben ja schon in den vergangenen<br />
Wochen gezeigt, was wir bei<br />
wichtigen Spielen leisten können.<br />
Jetzt freuen wir uns auf das Rückspiel,<br />
das Stadion wirdbeben.“<br />
Trainer Urs Fischer hatte seine<br />
Startformation im Vergleich zum 2:2<br />
beim VfL Bochum vor vier Tagen<br />
noch auf zwei Positionen verändert.<br />
Für Felix Kroos und Sebastian Polter<br />
spielten Abdullahi und Marcel Hartel.<br />
Überraschend war besonders die<br />
Nominierung vonHartel, der zuletzt<br />
nicht im Kader gestanden hatte.<br />
Doch Fischer hatte alles richtig gemacht.<br />
Am Ende feierten nur die<br />
Union-Fans im Stadion.<br />
Union hatte nervös begonnen,<br />
aber derVfB konnte zwei leichte Ballverluste<br />
von Manuel Schmiedebach<br />
nicht zur Führung nutzen –Anastasios<br />
Donis scheiterte mit einem<br />
Schuss an Berlins Torwart Rafal Gikiewicz<br />
(7.). Nach 20 Minuten aber<br />
gewannen die Eisernen immer mehr<br />
Selbstvertrauen. Schon in der 21. Minute<br />
hätte Abdullahi ein Missverständnis<br />
in der VfB-Abwehr zur Führung<br />
nutzen müssen –aber sein Heber<br />
misslang. Undkurzdarauf vereitelte<br />
Torhüter Ron-Robert Zieler mit<br />
einem tollen Reflex die Unioner Führung:<br />
Nach einer Flanke von Abdullahi<br />
gingen im Fünfmeterraum Andersson<br />
und Gegenspieler Ozan Kabak<br />
zum Ball, den Zieler dann mit<br />
seinem ganzen Können über das Tor<br />
lenkte.<br />
Abdullahis Kunststück<br />
In der Halbzeit waren nur die 5000<br />
Fans der <strong>Berliner</strong> im 58 619 Zuschauern<br />
ausverkauften Stadion zu<br />
hören, nachdem die Schlussphase<br />
der ersten 45 Minuten eine emotionale<br />
Achterbahnfahrt für beide Fanlager<br />
war. Zunächst ging der VfB mit<br />
1:0 in Führung (41.), nachdem der<br />
schnelle Donis den beiden Union-<br />
VerteidigernFriedrich und Parensen<br />
davongezogen war und Christian<br />
Gentner den Ball nach der Hereingabe<br />
des Griechen mit seinem linken<br />
Fuß aus acht Metern über die Linie<br />
grätschte. Doch der ohrenbetäubende<br />
Jubel der VfB-Fans war kaum<br />
verhallt, da gelang Union schon der<br />
Ausgleich (42.). Im direkten Gegenzug<br />
verlängerte Andersson die Kugel<br />
–und Abdullahi gelang ein technisches<br />
Kunststück, indem er den Ball<br />
mit der ersten Berührung um VfB-<br />
Abwehrspieler Emil Insua bugsierte<br />
und dann aus zehn Meternzum 1:1-<br />
Ausgleich einschoss.<br />
Nach der Pause setzteVfB-Trainer<br />
Nico Willig ein Zeichen für mehr Offensive:<br />
Für den schwachen Daniel<br />
Didavi brachte er mit Mario Gomez<br />
einen zweiten Stürmer und stellte<br />
die Grundordnung voneinem 4-2-3-<br />
1auf ein 4-4-2 um. Kaum fünf Minuten<br />
auf dem Platz zog Gomez dann<br />
gleich vonder Mittelinie los,verfolgt<br />
von Friedrich, der ihn erst am Strafraum<br />
einholen konnte –und dann<br />
den Ball nach dem verunglückten<br />
Schuss des ehemaligen Nationalspielers<br />
im Liegen mit dem Kopf abfälschte,<br />
von wo er zum 2:1 für die<br />
Gastgeber ins Tortrudelte. Bei beiden<br />
Gegentoren sah die Innenverteidigung<br />
der Köpenicker nicht gut aus.<br />
Für Florian Hübner, der nach zehn<br />
Gelben Karten gesperrt war, spielte<br />
dort neben Friedrich Routinier Michael<br />
Parensen. Die Schnelligkeitsdefizite,die<br />
im Vorfeld den <strong>Berliner</strong>n<br />
in diesem Mannschaftsteil als<br />
Schwäche ausgelegt wurden, zeigten<br />
sich bei den beiden Torendes VfB.<br />
Doch die Eisernen verkrafteten<br />
auch den abermaligen Rückstand.<br />
Und eswar dann Friedrich, der sein<br />
Missgeschick nach einem Eckball<br />
von Trimmel mit einem wuchtigen<br />
Kopfball zum 2:2-Ausgleich beantwortete<br />
(68.). Gegenspieler Kabak<br />
ließ ihn ungehindert aus zwölf Meternhochsteigen<br />
und köpfen.<br />
Viel erreicht und trotzdem traurig<br />
Weil das DEB-Team dem tschechischen Druck im Schlussdrittel nicht gewachsen ist, scheidet es bei der Eishockey-WM im Viertelfinale aus<br />
Trotz einer lange starken Leistung<br />
hat Deutschlands Eishockey-<br />
Team den Viertelfinal-Coup bei der<br />
WM gegen Tschechien verpasst.<br />
Nach dem erst am Ende deutlichen<br />
1:5 (0:0, 1:1, 0:4) in Bratislava belegt<br />
das Team von Bundestrainer Toni<br />
Söderholm Platz sechs. Dies ist die<br />
beste WM-Platzierung seit dem vierten<br />
Platz 2010. Die zudem erreichte<br />
direkte Qualifikation für Olympia<br />
2022 hatte zuvor bereits festgestanden.<br />
Ein Tor von Frank Mauer (38.<br />
Minute) genügte gegen den zwölfmaligen<br />
Weltmeister nicht. „Das ist<br />
eine bitterePille jetzt“, sagte Kapitän<br />
Moritz Müller, „solche Erfahrungen<br />
muss eine junge Mannschaft vielleicht<br />
machen.“<br />
Stattdessen spielt Tschechien am<br />
Sonnabend im Halbfinale gegen Kanada.<br />
Für den Favoriten trafen zunächst<br />
JanKovar (34./60.) und Jakub<br />
Voracek (45.). Als Deutschland sich<br />
am Schluss gegen das WM-Aus<br />
stemmte, schlugen Tschechien<br />
durch Dominik Kubalik (52.) und<br />
Ondrej Palat (54.) eiskalt zu. Beizwei<br />
Gegentreffern sah ausgerechnet<br />
Stanley-Cup-Sieger Philipp Grubauer<br />
im deutschen Tor nicht gut<br />
aus.<br />
Damit bleibt es auch bei der elften<br />
WM-Viertelfinal-Teilnahme<br />
Deutschlands bei nur einem Sieg seit<br />
der Einführung 1992. 2010 war<br />
Deutschland unter dem damaligen<br />
Bundestrainer Uwe Krupp ins Halbfinale<br />
eingezogen. „Wir haben schon<br />
unheimlich viel erreicht“, hatte<br />
Krupp vor dem Spiel bei Sport1 gesagt<br />
und sich beeindruckt von Söderholms<br />
Arbeit gezeigt: „Top. Er<br />
macht einen Riesenjob.“<br />
Beste Vorrunde aller Zeiten<br />
Die erste Enttäuschung: Matthias Plachta<br />
AFP/SIMICEK<br />
dem über kleine Videoclips aus der<br />
Heimat Unterstützung über die Social-Media-Kanäle<br />
erhalten.<br />
Wie erwartet machten die Tschechen<br />
mit ihren elf NHL-Spielern in<br />
der Aufstellung und von rund 5000<br />
Fans in der Ondrej-Nepela-Arena<br />
nach vorne gepeitscht zu Beginn<br />
mächtig Druck. Bereits in der zweiten<br />
Minute schob Kovar den Puck<br />
am schon geschlagenen DEB-Goalie<br />
Philipp Grubauer und am leeren Tor<br />
vorbei. Rund zehn Minuten hatte die<br />
deutsche Auswahl zu überstehen,<br />
dann konnte sie auch gegen die<br />
Tschechen den von Söderholm geforderten<br />
neuen offensiveren Stil<br />
durchziehen. In der zwölften Minute<br />
war Leon Draisaitl erstmals durch,<br />
fuhr alleine auf das tschechische Tor<br />
zu, scheiterte aber an Torhüter Patrik<br />
Bartosak.<br />
In der Verteidigung half das<br />
Comeback von Moritz Seider. Der<br />
18-Jährige war beim 3:2-Vorrundensieg<br />
gegen WM-Gastgeber Slowakei<br />
am 15. Mai von Ladislav Nagy übel<br />
von hinten gegen die Bande ge-<br />
DerFinne hatte Deutschland bei seiner<br />
ersten WM als Bundestrainer zur<br />
besten Vorrunde überhaupt mit fünf<br />
Siegen aus sieben Spielen geführt.<br />
Nach dem 4:2 am Dienstag gegen Söderholms<br />
Heimatland Finnland war<br />
sein Team mit Selbstbewusstsein in<br />
das Match gegen den zwölfmaligen<br />
Weltmeister gegangen. Vonden Familien<br />
der Spieler hatte das Team zuscheckt<br />
worden. „Er bringt uns viel<br />
Qualität“, meinte Söderholm. In der<br />
Tat überzeugte der Mannheimer<br />
wieder mit seiner für sein Alter beeindruckenden<br />
Ruhe.<br />
Schwache Überzahl<br />
Problematisch war erneut das ungenügende<br />
Überzahlspiel Deutschlands.<br />
Die wenigen Strafzeiten der<br />
Tschechen nutzte die DEB-Auswahl<br />
nicht ansatzweise zu gefährlichen Situationen.<br />
Die Tschechen hingegen<br />
gingen nach gut einer halben Stunde<br />
glücklich in Führung. Ausgerechnet<br />
Anführer Draisaitl verlor im Angriff<br />
den Puck und der ansonsten erneut<br />
souveräne Goalie Grubauer ließ darauf<br />
den nicht wirklich gefährlichen<br />
Schuss Kovars passieren. Mauer<br />
glich kurz vor dem Ende des Mittelabschnitts<br />
aus, doch im Schlussdrittel<br />
machten die Tschechen noch einmal<br />
entscheidend Druck. „Wenn du<br />
fünf Gegentore bekommst, ist das<br />
natürlich zu viel“, sagte Draisaitl,<br />
„aber wir haben einen Schritt in die<br />
richtige Richtung gemacht.“ (dpa)