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TEXT: KLAUS ZAUGG; FOTOS: MARCEL BIERI<br />
Dominique Aegerter ist <strong>2019</strong> nach<br />
wilden Jahren vom Star in einem<br />
«Edel-Bastel-Team» wieder zum<br />
Aussenseiter wie zu Beginn seiner Karriere<br />
geworden. Tom Lüthi (32) ist nach<br />
dem letztjährigen Absturz in der «Königsklasse»<br />
wieder ein Titelanwärter.<br />
Dominique Aegerter (29) versucht<br />
nicht mehr, der neue Tom Lüthi zu werden,<br />
und Tom Lüthi hat seinen Traum,<br />
einer zu sein wie Valentino Rossi, begraben.<br />
Diese Einsichten haben beiden die<br />
Karriere gerettet.<br />
Ein Blick zurück hilft uns, die Gegenwart<br />
und die Dramatik der Saison <strong>2019</strong><br />
besser zu verstehen. Der Altersunterschied<br />
zwischen den beiden schnellsten<br />
Bernern ist gering. Tom Lüthi hat Jahrgang<br />
1986, Dominique Aegerter 1990.<br />
Und doch war der eine das Vorbild des<br />
anderen.<br />
Während Tom Lüthi 20<strong>05</strong> Weltmeister<br />
(125 ccm) und vor Roger Federer (!)<br />
Sportler des Jahres wird, ist Dominique<br />
Aegerter noch ein Schulbub und zwei<br />
Jahre von seinem GP-Debut (2007 in Portugal)<br />
entfernt.<br />
VOM DRUCK BEFREIT<br />
Dieser WM-Titel hat Dominique Aegerter<br />
inspiriert. Er will der nächste Tom Lüthi<br />
werden! GP-Sieger! Weltmeister! Bis und<br />
mit 2014 verlaufen die Karrieren des<br />
Oberemmentalers aus Linden und des<br />
Langetentalers aus Rohrbach parallel.<br />
Beide steigen 2010 gleichzeitig in die<br />
Moto2-WM ein. Beide haben ihre eigenen<br />
Teams, Betreuer, Techniker, Manager und<br />
Sponsoren.<br />
Aber 2013 ändert sich alles von Grund<br />
auf. Dominique Aegerter beendet die<br />
Moto2-WM zum ersten und bisher einzigen<br />
Mal vor Tom Lüthi. 2014 gewinnt er<br />
den GP von Deutschland. Er hat nun so<br />
viel Medienpräsenz wie Tom Lüthi und<br />
verdient mehr als der Weltmeister von<br />
20<strong>05</strong>. Er ist zum Star, zum Herausforderer<br />
für den «Töff-Platzhirsch» geworden,<br />
der jahrelang in der Schweiz sportlich<br />
und auf dem Töff-Werbemarkt konkurrenzlos<br />
war. Nun wechseln sogar Fans<br />
und Sponsoren das Lager. Dominique Aegerter<br />
hat den «Lüthi-Clan» herausgefordert<br />
– und der «Lüthi-Clan» reagiert.<br />
Im Herbst 2014 fädelt Lüthis Manager<br />
Daniel M. Epp mit Aegerters<br />
Teammanager Fred Corminboeuf<br />
hinter dem Rücken der Fahrer einen<br />
Deal ein, der sich verhängnisvoll<br />
auswirkt. Sie fusionieren ihre Teams.<br />
Für Dominique Aegerter ist es der Karriere-Knick,<br />
von dem er sich bis heute noch<br />
nicht ganz erholt hat. Er kann sich gegen<br />
Tom Lüthi, der so unverhofft vom Erzrivalen<br />
zum Teamkollegen mutiert, nie durchsetzen<br />
und verliert seine Identität.<br />
Im ersten gemeinsamen Jahr (2015)<br />
folgt der Absturz vom 5. auf den 17. WM-<br />
Rang und auch in der zweiten Saison<br />
(2016) kommt er nicht aus dem Schatten<br />
Saison <strong>2019</strong><br />
Aegerter<br />
Lüthi<br />
KATAR<br />
24. Training 18. Rennen<br />
7. Training 2. Rennen<br />
ARGENTINIEN<br />
20. Training 20. Rennen<br />
5. Training Sturz<br />
TEXAS<br />
29. Training 14. Rennen<br />
4. Training 1. Rennen<br />
JEREZ<br />
23. Training 13. Rennen<br />
8. Training 3. Rennen<br />
LE MANS<br />
29. Training Benzinverlust<br />
2. Training 6. Rennen<br />
Lüthi fährt seinem<br />
Konkurrenten Aegerter davon.<br />
seines Idols heraus. Wir sehen weder<br />
2015 noch 2016 den wahren Dominique<br />
Aegerter. Im Herbst 2016 kommt es folgerichtig<br />
zum Eklat: Der Rohrbacher «flüchtet»<br />
und wechselt nach Deutschland ins<br />
Team von Stefan und Jochen Kiefer. Dort<br />
steht er nicht mehr im Schatten eines berühmten<br />
Teamkollegen. Doch das Glück<br />
währt nur kurz. Bereits im Herbst 2017<br />
erschüttert eine Tragödie die Töffwelt.<br />
Stefan Kiefer stirbt während des GP von<br />
Malaysia an Herzversagen. Monatelang<br />
ist ungewiss, ob es überhaupt weitergeht.<br />
Es sind schliesslich Dominique Aegerters<br />
Sponsoren, die das Team vor dem finanziellen<br />
Untergang retten und die Saison<br />
2018 ermöglichen. Aber diese zentrale<br />
Rolle wird zu viel für ihn. So wie er zuvor<br />
mit der Nähe zu Tom Lüthi nicht klargekommen<br />
ist, so wirkt nun die alleinige<br />
sportliche und finanzielle Verantwortung<br />
für sein Team lähmend. Nur einmal sehen<br />
wir in den Jahren 2017 und 2018 den<br />
wahren Dominique Aegerter. Im September<br />
2017 gewinnt er vor Tom Lüthi das<br />
Regenrennen von Misano. Der Sieg wird<br />
ihm wegen angeblich nicht regelkonformen<br />
Zusätzen im Motorenöl aberkannt.<br />
WECHSEL ZU MV AGUSTA<br />
Im Herbst 2018 droht schliesslich wochenlang<br />
gar das viel zu frühe Ende der<br />
Karriere. Jochen Kiefer hat nun deutsche<br />
Sponsoren gefunden und die wollen einen<br />
teutonischen Piloten. Dominique Aegerter<br />
muss gehen und hat leichtsinnigerweise<br />
bereits ein Angebot des holländi-<br />
s’<strong>Positive</strong> 5 / <strong>2019</strong> 31