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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 145 · M ittwoch, 26. Juni 2019 11 *<br />
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Berlin<br />
Mehr Rechte für Tierschützer<br />
Der Senat einigt sich auf ein neues Gesetz. Die Industrie- und Handelskammer befürchtet dadurch Wettbewerbsnachteile und Blockaden im Forschungsbereich<br />
VonMelanie Reinsch<br />
Berlins Tiere sollen besser<br />
geschützt werden – zumindest<br />
die, die ohnehin<br />
schon ein tristes Dasein<br />
fristen. Auf Vorlage von Dirk Behrendt<br />
(Grüne), Senator für Justiz,<br />
Verbraucherschutz und Antidiskriminierung,<br />
hat sich der Senat am<br />
Dienstag auf einen Gesetzesentwurf<br />
geeinigt, der anerkannten Tierschutzorganisationen<br />
das Recht einräumen<br />
soll, Tierschutzrechte gerichtlich<br />
überprüfen zu lassen.<br />
„Tiere können nicht selbst Klage erheben.<br />
Für Tierschutzorganisationen<br />
fehlt aber bisher die Möglichkeit,<br />
stellvertretend für Tiere rechtswidriges<br />
Handeln oder Unterlassen<br />
seitens der Behörden des Landes anzugreifen“,<br />
so Behrendt.<br />
Damit können Tierschützer eine<br />
Verbandsklage einreichen, also eine<br />
Klage, die nicht zum Ziel hat, die eigenen<br />
Rechte durchzusetzen, sondern<br />
die der Allgemeinheit. Im Umwelt-<br />
und Naturschutzrecht oder im<br />
Verbraucherrecht ist das längst ein<br />
unverzichtbares Instrument.<br />
Bundesländer wie Bremen, Nordrhein-Westfalen<br />
oder Hamburg haben<br />
das Recht schon für den Tierschutz<br />
ausgeweitet. In weiteren Ländernwirdesdiskutiert.<br />
In Berlin gab es 2017 insgesamt<br />
222 000 Tierversuche –ein Rückgang<br />
um elf Prozent zum Jahr zuvor.Inder<br />
Hauptstadt ist das Landesamt für<br />
Arme Maus: In <strong>Berliner</strong> Laboren wurden 2017 knapp 188 000 Mäuse als Versuchstiere verwandt .<br />
Gesundheit und Soziales (Lageso)<br />
für die Genehmigung vonTierversuchen<br />
zuständig. Grundlage für sämtliche<br />
Versuche an Tieren ist das Tierschutzgesetz,<br />
das besagt, dass Tierversuche<br />
nur dann durchgeführt<br />
werden dürfen, wenn sie unerlässlich<br />
und ethisch vertretbar sind.<br />
Bundesweit wurden nach Auskunft<br />
des Bundesministeriums für<br />
Ernährung und Landwirtschaft<br />
(Bmel) 2,8 Millionen Tierversuche in<br />
Mäuse: 187 883 Mäuse<br />
und 24 226 Ratten wurden<br />
2017 in Berlin bei Tierversuchen<br />
eingesetzt. Nagetiere<br />
bilden die größte Gruppe.<br />
TIERVERSUCHE<br />
Javaneraffen: Zwei der<br />
109 Affen wurden zu wissenschaftlichen<br />
Zwecken getötet.<br />
Auch 101 Hunde (2016:<br />
372) wurden eingesetzt.<br />
Belastung: Bei knapp<br />
43 Prozent der Tiere war die<br />
Belastung gering.Mittlere<br />
oder schwere Belastung gab<br />
es bei 24 bzw.2,6 Prozent.<br />
IMAGO STOCK&PEOPLE<br />
ganz Deutschland unternommen.<br />
Ein Schwerpunkt bei der Erforschung<br />
vonErkrankungen vonMenschen<br />
und Tieren lag auf dem Bereich<br />
der Krebserkrankungen des<br />
Menschen. Hauptsächlich würden<br />
Mäuse für Tierversuche genutzt,<br />
sagte Behrendt. „Dass in Berlin auch<br />
109 Affen von Tierversuchen betroffen<br />
sind, bedrückt mich am meisten,<br />
weil die Primaten den Menschen so<br />
sehr ähneln“, sagte der Senator.<br />
Steffen Krach (SPD), Staatssekretär<br />
für Wissenschaft und Forschung,<br />
erklärte, dass man mit dem Gesetz<br />
den Tierschutz stärke, ohne die medizinische<br />
Forschung in Berlin zum<br />
Erliegen zu bringen. „Niemand<br />
wünscht sich Tierversuche, aber wir<br />
können etwa in der Krebsforschung<br />
oder in der Erforschung von Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen, der Todesursache<br />
Nummer eins, leider noch<br />
nicht darauf verzichten“, betonte er.<br />
Kritik gab es vonHenrik Vagt, Geschäftsführer<br />
Wirtschaft &Politik der<br />
Industrie- und Handelskammer<br />
(IHK) Berlin. Er erklärte,dass die Klagerechte<br />
von Tierschutzorganisationen<br />
aus Forschungs- und Unternehmenssicht<br />
in die falsche Richtung<br />
führten. „Medizinisch relevante Entwicklungen<br />
für den Menschen könnten<br />
über Jahre hinaus durch Rechtsunsicherheit<br />
blockiertwerden, ohne<br />
den bereits hohen Schutz von Versuchstieren<br />
zu verbessern“, sagte<br />
Vagt. Auf Berlin kämen mit dem Gesetz<br />
potenziell Wettbewerbsnachteile,<br />
Abwanderungen, Berufungsprobleme<br />
und ausfallende Kooperationspartner<br />
im Forschungsbereich<br />
zu. „Der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortkönnte<br />
erheblich geschwächt<br />
werden“, sagte er.<br />
Melanie Reinsch<br />
fordertgenaues Abwägen<br />
zwischen Recht und Zweck.<br />
WasinPillen<br />
und Pulver steckt<br />
Konsumenten sollen ihre Drogen testen lassen können<br />
300 kleine Baumeister ...<br />
VonGisela Gross<br />
Konsumenten sollen Partydrogen<br />
auf ihreReinheit und Dosierung<br />
testen lassen können: DasVorhaben<br />
der rot-rot-grünen Koalition, eine offizielle<br />
Drogen-Check-Stelle einzurichten,<br />
hat weitere Hürden genommen.<br />
„Wir haben auch für 2020/2021<br />
Mittel im neuen Doppelhaushalt für<br />
das Projekt eingestellt, so dass das<br />
Projekt an den Start gehen kann“,<br />
teilte eine Sprecherin der Senatsverwaltung<br />
für Gesundheit mit. Ein angesichts<br />
der komplexen Rechtslage<br />
angefordertes Gutachten sei zu dem<br />
Schluss gekommen, dass das <strong>Berliner</strong><br />
Konzept für das sogenannte<br />
Drug-Checking legal sei und Projektmitarbeiter<br />
sich nicht strafbar machten,<br />
erklärte die Sprecherin weiter.<br />
Die Senatsverwaltungen für Inneres<br />
sowie für Justiz würden die Einschätzung<br />
teilen, damit seien auch Polizei<br />
und Staatsanwaltschaft abgedeckt.<br />
Ein Starttermin für das Testangebot<br />
steht bisher nicht fest. „Um eine<br />
zügige Umsetzung zu realisieren, befinden<br />
wir uns jetzt in den letzten<br />
Detailabstimmungen mit den relevanten<br />
Stellen“, erklärte die Sprecherin.<br />
Offizieller Projektbeginn war<br />
im vergangenen November,für 2018<br />
und 2019 wurden insgesamt<br />
150 000 Euro bereitgestellt. Details<br />
aus dem Konzept sind bisher nicht<br />
bekannt, erarbeitet wurde es von<br />
drei freien Trägern der <strong>Berliner</strong><br />
Suchthilfe.<br />
Im Koalitionsvertrag hatte Rot-<br />
Rot-Grün angekündigt, Maßnahmen<br />
zur „Verminderung der Begleitrisiken<br />
von Drogenkonsum“ stärken<br />
zu wollen –unter anderem mit Drug-<br />
Checking. Solche Risiken können<br />
neben einer Gesundheitsschädigung<br />
durch Wirkstoffe – etwa von<br />
Cannabis,Kokain und Ecstasy –auch<br />
Verunreinigungen, das Strecken der<br />
Stoffe oder eine zu hohe Konzentration<br />
sein.<br />
In der Schweiz bietet etwa das<br />
Drogeninformationszentrum (DIZ)<br />
der Stadt Zürich Termine an, an denen<br />
Drogen zur Analyse abgegeben<br />
werden können. Das Ergebnis kann<br />
man später erfragen. Warnungen<br />
werden auch im Internet veröffentlicht.<br />
Der Versuch eines Vereins, im<br />
Berlin der 90er-Jahre solche Untersuchungen<br />
anzubieten, scheiterte<br />
an Konflikten mit der Justiz.<br />
Befürworter versprechen sich von<br />
Drug-Checking neben öffentlichen<br />
Warnungen vor gefährlichen Pillen<br />
auch einen besseren Zugang zu Konsumenten<br />
zu Aufklärungszwecken.<br />
Politiker der Opposition hatten zum<br />
Startscharfe Kritik an dem Vorhaben<br />
geübt: Dadurch entstehe nur ein zusätzlicher<br />
Konsumanreiz. Ein Sprecher<br />
der FDP-Fraktion sprach voneinem<br />
„Förderprogramm für kriminelle<br />
Clans und deren Dealer“. (dpa)<br />
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IMAGO IMAGES