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Berliner Kurier 14.07.2019

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POLITIK<br />

Dieses Nichtstun<br />

ist tödlich!<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Harald<br />

Stutte<br />

Esist erschreckend, in<br />

welchen Niederungen<br />

Europa heute überMigration<br />

diskutiert.Teile von Politik<br />

und Öffentlichkeit halten es<br />

allenErnstes für angemessen,<br />

Menschen im Mittelmeer ertrinken<br />

zu lassen. Und sagen<br />

es auch so,währendRetter<br />

und Lösungssucher mitHass<br />

überzogen werden.Andere<br />

Politiker äußern sich verschämt<br />

gar nicht–aus Angst<br />

vor derRacheder Wutbürger.<br />

Sie setzen sich lieber dem<br />

Vorwurf unterlassener Hilfeleistung<br />

aus, weil politisches<br />

Nichtstuntötet.Diese tödliche<br />

Lähmung zu durchbrechenhat<br />

Außenminister Maas<br />

eine Initiativegestartet. Ziel<br />

sindfeste Kontingente eines<br />

Staaten-„Bündnisses der<br />

Hilfsbereiten“. Innenminister<br />

Seehoferhat bereits Zustimmung<br />

signalisiert.<br />

Beide haben damitein großes<br />

MaßanHerz und Verstand<br />

gezeigt. Seehofer muss sich<br />

nicht einmal vorhalten lassen,<br />

politischePirouetten zu drehen.Dennhier<br />

geht es um das<br />

nackte Überlebenvon Menschen<br />

in Not –nicht um eine<br />

großzügigere Einwanderungspolitik.Der<br />

Kampf<br />

gegen Schlepper, ein verschärftes<br />

Asylrechtoder die<br />

effizientere Rückführung sind<br />

damit keineswegs vom Tisch.<br />

MANN DESTAGES<br />

Wolodymyr Selenskyj<br />

Zwei Monate sind vergangen,<br />

seit der politische Neuling<br />

Wolodymyr Selenskyj<br />

(41) in der Ukraine Präsident<br />

geworden<br />

ist. Außenpolitisch<br />

setzt er bereits<br />

Akzente:<br />

Obwohl<br />

Russlands<br />

Präsident<br />

Wladimir<br />

Putin ihm<br />

nie gratulierte<br />

und<br />

als Provokation russische<br />

Pässe an die Bewohner der<br />

okkupierten Ostukraine verteilen<br />

ließ, griff Selenskyj<br />

zum Hörer und telefonierte<br />

mit dem Kreml –und bat um<br />

ein Treffen.<br />

Foto: Andrew Lahodynskyj/The Canadian<br />

Wie sozial ist die<br />

C0 -Steuer? 2<br />

Nach dem Vorstoß der „Wirtschaftsweisen“:<br />

Klimaabgabe für allekommt.Nur wann?<br />

Berlin –ImBundestag geht es<br />

ja eher ernst zu. Aber eben<br />

nicht immer. Bei einer spitzen,<br />

gewagten, absurden oder einfach<br />

nur witzigen Bemerkung<br />

lacht auch der Parlamentarier<br />

gerne. Im Protokoll des Bundestags<br />

wird dann „Heiterkeit“<br />

vermerkt.<br />

Die Rangliste der Abgeordneten,<br />

die ihre Kollegen am<br />

häufigsten zum Lachen bringen,<br />

führt Bundestagsvizepräsident<br />

Wolfgang Kubicki<br />

(FDP) an, wie der „Spiegel“ berichtet.<br />

Insgesamt 100-mal<br />

vermerken die Sitzungsprotokolle<br />

der laufendenLegislaturperiode<br />

„Heiterkeit“, wenn<br />

der Kieler das Wort ergriff –<br />

oder, wie im vorigen Novem-<br />

Berlin – Die Grundsatzentscheidung<br />

soll im Herbst fallen.<br />

Um die selbst gesteckten<br />

Klimaziele zu erreichen, will<br />

die Bundesregierung dann<br />

eine CO 2 -Steuer einführen.<br />

Wer könnten dabei Gewinner<br />

und Verlierer sein?<br />

Die Grundidee steht: CO 2 -Ausstoß<br />

wird künftig besteuert. Die<br />

„Wirtschaftsweisen“ rechnen<br />

in einem Gutachten mit 30 Euro<br />

pro Tonne Kohlendioxid, „Fridays<br />

for Future“ fordert 160<br />

Euro. In Schweden liegt die<br />

Steuer derzeit bei 115 Euro. In<br />

Deutschland könnte das Geld,<br />

das der Staat auf diese Weise<br />

einnimmt, an die Bürger als einheitliche<br />

Pauschale zurückfließen<br />

(das Regierungsgremium<br />

rechnet mit etwa 150 Euro/<br />

Jahr) oder nur an untere Einkommensschichten.<br />

Wer also<br />

wenig Kohlendioxid ausstößt,<br />

kann am Ende sogar profitieren.<br />

Wer viel ausstößt, verliert.<br />

Noch ist die Entscheidung über<br />

die Details –wie eine Rückzahlung<br />

erfolgt, welche Ausnahmen<br />

es gibt, ob und welche<br />

Steuern sinken –nicht gefallen.<br />

Trotzdem lässt sich schon erkennen,<br />

wer auf welcher Seite<br />

stehen wird:<br />

▶ VERLIERER<br />

Vielfahrer/Landbevölkerung:<br />

„Es wird teurer an der<br />

Zapfsäule“, so der Wirtschaftsweise<br />

Lars Feld. Benzin und<br />

Diesel könnten pro Liter durch<br />

die Steuer bis 2030 um bis zu 37<br />

Cent teurer werden. Ein Problem<br />

vor allem für jene, die auf<br />

dem Land leben und auf ihr<br />

Auto angewiesen sind. Oder für<br />

Besitzer von „Spritfressern“.<br />

Mieter alter Wohnungen:<br />

Bewohner schlecht gedämmter<br />

Wohnungen müssten mit<br />

Mehrkosten rechnen, da Öl und<br />

Gas höher besteuert werden<br />

sollen. Lukas Siebenkotten,<br />

Präsident des Mieterbundes,<br />

zur Funke-Gruppe: „Es kann<br />

nicht sein, dass die dadurch entstehenden<br />

Kosten auf die Mieter<br />

umgelegt werden. Diese haben<br />

keinen Einfluss darauf, wie<br />

ihre Wohnung geheizt wird.“<br />

Die Vermieter müssten die zu-<br />

Rauch zieht über die Dächer vonMehrfamilienhäusern im Süden der<br />

sächsischen Großstadt Leipzig.<br />

sätzlichen Kosten zahlen. Allerdings:<br />

Sanieren Besitzer Häuser<br />

energetisch, steigt die Miete.<br />

Singles, Alleinerziehende:<br />

Diese Gruppe droht überproportional<br />

belastet zu werden,<br />

weil sie in der Regel (pro Kopf<br />

gerechnet) größere Flächen bewohnt<br />

und deshalb im Verhältnis<br />

zu Mehrpersonenhaushalten<br />

relativ mehr Kohlendioxid<br />

produziert. Singles würden nur<br />

eine Rückzahlung („Kopfpauschale“)<br />

erhalten, Eltern mit<br />

drei Kindern aber beispielsweise<br />

fünf.<br />

▶ GEWINNER<br />

Städter (ohne Auto): Häuser<br />

sind in den Städten häufig<br />

besser isoliert als auf dem Land.<br />

Zudem haben Stadt-Bewohner<br />

den besseren Nahverkehr, können<br />

also das Auto sparsam einsetzen<br />

oder ganz darauf verzichten.<br />

Wohlhabende: Wer ein hohes<br />

Einkommen hat, gibt in der<br />

Regel nur einen geringen Anteil<br />

davon für den Energieverbrauch<br />

aus. Besonders profitieren<br />

diejenigen, die bereits in<br />

(bisher recht teure) Technologien<br />

investiert haben wie ein<br />

Elektroauto oder eine Wärmepumpe.<br />

Um untere Einkommen<br />

zu entlasten, ist eine Senkung<br />

der Mehrwertsteuer oder der<br />

Stromsteuer im Gespräch.<br />

Die Wirtschaft: Gewerbe,<br />

Dienstleistungen und Handel<br />

sollten von der CO 2 -Steuer ausgeschlossen<br />

werden, empfehlen<br />

die Wirtschaftsweisen. Begründung:<br />

Diese könnten die<br />

Mehrkosten einfach auf Haushalte<br />

abwälzen.<br />

Kubicki –unschlagbar witzig<br />

Dasliberale Nordlichtsorgte laut Sitzungsprotokoll im Bundestag 100-mal für „Heiterkeit“<br />

ber passiert, als Sitzungsleiter<br />

bei einer Abstimmung seine<br />

eigene Partei vergaß. Damit<br />

liegtKubicki weit vor Bundestagspräsident<br />

Wolfgang<br />

Schäuble (CDU) mit 51 entsprechenden<br />

Vermerken. Vizepräsidentin<br />

Claudia Roth<br />

(Grüne) bringt es noch auf 46<br />

Heiterkeitsausbrüche. Kanzlerin<br />

Angela Merkel (CDU),<br />

die 23-mal für Ausgelassenheit<br />

gesorgt hat, landet auf Platz<br />

vier des Bundestagsrankings.<br />

Auch der CDU-Jungstar Philipp<br />

Amthor (18 Vermerke)<br />

und Thomas Oppermann<br />

(SPD, 15 Vermerke) gehören<br />

noch in die Top Ten<br />

der lustigstenAbgeordneten.<br />

Bei den Ordnungsrufen,<br />

denen normalerweise „Unmutsbekundun-<br />

gen“ vorausgehen,<br />

liegt der<br />

Analyse zufolge<br />

die AfD<br />

vorn: Von<br />

insgesamt 14<br />

Verwarnungen<br />

wurden<br />

acht anAbgeordnete<br />

aus der AfD-Fraktion<br />

ausgesprochen. Rekordhalterin:<br />

Beatrix von Storch (AfD),<br />

die als einzige Abgeordnete<br />

zweimal zur Ordnung gerufen<br />

worden sei –aneinem<br />

Tag! Dreimalermahntedas<br />

Präsidium Delegierte der<br />

Linken, zweimal Abgeordnete<br />

der SPD und einmal<br />

die FDP.<br />

Foto: Frank Molter/d<br />

er/dpa<br />

Stetseinenlosen Witz auf<br />

denLippen: Der FDP-<br />

Politiker Wolfgang<br />

Kubicki (FDP). Im<br />

Bundestag sorgte<br />

er für die<br />

meisten Lacher.<br />

Foto: Jan Woitas/dpa

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