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Festspielzeit Sommer Extra 2019

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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Wie fühlt es sich an, nach<br />

mehreren Assistenzen<br />

auf der Seebühne nun als<br />

Regisseur zu den Bregenzer Festspielen<br />

zurückzukehren?<br />

OPERNSTUDIO AM KORNMARKT<br />

Jan Eßinger: Nach Bregenz zu kommen<br />

ist für mich wie nach Hause zu<br />

kommen, denn es ist gewissermaßen<br />

meine »Heimatspielstätte«. Gleichzeitig<br />

bin ich nun mit etwas Abstand<br />

und in einer neuen Rolle an den<br />

Bodensee gekommen. Zuvor konnte<br />

ich mich hier vielfältig ausprobieren<br />

und kehre jetzt mit neuen Aufgaben<br />

zurück, in diesem Fall mit der<br />

Neuinszenierung von Tschaikowskis<br />

Eugen Onegin.<br />

Was prädestiniert die Oper Eugen<br />

Onegin deiner Meinung nach dafür,<br />

sie mit jungen Sängerinnen und<br />

Sängern zu erarbeiten?<br />

Für mich ist Eugen Onegin erstmal<br />

in meiner Top-5-Liste der besten<br />

Opern. Schon in meiner früheren<br />

Beschäftigung mit dieser Oper<br />

reizte mich die Tatsache, dass sie<br />

ursprünglich für junge Sängerinnen<br />

und Sänger am Moskauer Konservatorium<br />

gedacht war. Heutzutage,<br />

wenn sie in Häusern von der Größe<br />

der Metropolitan Opera gespielt<br />

wird, ist klar, dass man sie nicht mit<br />

jungen Stimmen aufführen kann. Der<br />

Rahmen des Opernstudios ist jedoch<br />

genau richtig dafür. Eugen Onegin<br />

schreit geradezu danach, dass diese<br />

jungen Rollen auch tatsächlich von<br />

jungen Menschen gesungen und gespielt<br />

werden, um so eine größtmögliche<br />

Unmittelbarkeit zu erreichen.<br />

Gerade bei diesem Werk finde ich das<br />

sehr wichtig.<br />

JAN ESSINGER wurde in Darmstadt geboren und studierte Musiktheaterregie in<br />

Hamburg. Nach zahlreichen Erfahrungen als Regiemitarbeiter und -assistent ist<br />

er seit der Spielzeit 2017/18 als freischaffender Regisseur tätig.<br />

Szenen sind, ist eigentlich zweitrangig.<br />

Gleichzeitig finde ich bei<br />

Eugen Onegin bemerkenswert, dass<br />

es einzelne Szenen, ja fast mehrere<br />

einzelne kleine Opern in einem<br />

Abend sind – so wie ja auch oft von<br />

dem Tatjana-, dem Lenski- und abschließend<br />

dem Onegin-Teil gesprochen<br />

wird. Auch wir gehen in unserer<br />

Bregenzer Fassung etwas fragmentarischer<br />

damit um. Das soll nicht<br />

heißen, dass wir große Passagen<br />

streichen oder es weniger Orchestermusiker<br />

gibt. Wir betonen aber sehr<br />

das Szenenhafte, was den Fokus wie<br />

beschrieben auf einzelne Personen<br />

in den einzelnen Abschnitten legt.<br />

Außerdem legen wir das Augenmerk<br />

auf ein zusätzliches viertes Drama,<br />

die Geschichte Filipjewnas, die in<br />

unserer Deutung eine zentrale Rolle<br />

spielt und die als Figur durch den<br />

ganzen Abend geht.<br />

nicht zwingend in Russland sein<br />

müsste. Es geht darum, was diese<br />

Menschen antreibt, welche Leidenschaften<br />

sie haben und wohin sie in<br />

ihrem Leben wollen. So ist es auch<br />

mit Tatjana, für die Onegin eine Art<br />

»Fluchtauto« ist, mit dem sie ihrer<br />

ländlichen Abgeschiedenheit entkommen<br />

will. Dieser Mann bringt ihre<br />

gesamte Gefühlswelt durcheinander,<br />

was sehr spannend mitanzusehen<br />

ist. Gleichzeitig erleben wir in den<br />

älteren Figuren Menschen, die sich<br />

mit einer gewissen Routine, einer<br />

»Gewöhnung« in ihrer Lebenswelt<br />

eingerichtet haben. Und sich zumindest<br />

sagen, dass sie damit zufrieden<br />

sind. Auch das gibt es hier und jetzt,<br />

überall auf der Welt. In der Oper gibt<br />

es zu diesem Thema den zentralen<br />

Satz »Gewöhnung gab der Himmel<br />

uns, sie ist Ersatz für alles Glück«.<br />

Tschaikowski nannte sein Werk<br />

bewusst nicht Oper, sondern<br />

lyrische Szenen. Macht es für dich als<br />

Regisseur einen Unterschied?<br />

Ich denke, in erster Linie ist es wichtig,<br />

dass die Personen auf der Bühne<br />

mich am Abend der Aufführung berühren.<br />

Dass man danach diskutiert,<br />

ob es nun eine Oper oder lyrische<br />

Welche Gefühlswelten erwarten<br />

uns dort?<br />

Ich denke, das Spannende ist, dass es<br />

gerade diese Gefühle der Protagonisten<br />

sind, die uns heute noch mit<br />

diesem alten russischen Stoff verbinden.<br />

Die Gefühle junger Menschen in<br />

einem abgeschiedenen Dorf, welches<br />

10<br />

Gibt es diesen Gegensatz des Ländlichen<br />

und des Urbanen, wie in dem<br />

Stück, heute noch oder sind wir in<br />

unseren Breiten nicht mittlerweile<br />

alle gleichermaßen urban?<br />

Wir sind sicher urbaner als vor einigen<br />

Jahrzehnten und auch die, die es<br />

nicht sind, glauben zumindest von<br />

sich, dass sie es sind. Denn im Grunde

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