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16 BÜHNE<br />
INTERVIEW<br />
präsentiert<br />
KAMMEROPER FRANKFURT<br />
Anspruch, Leidenschaft<br />
und Leuchtturmkultur<br />
FOTO: HANNES CASPER<br />
Aus der Kammeroper-Historie: La Traviata<br />
Seit 37 Jahren leitet Rainer Pudenz<br />
die Kammeroper Frankfurt und beweist<br />
in seinem Programm ein Händchen<br />
für zu Unrecht selten gespielte Opern. Für<br />
das 25. Bühnenjubiläum im Musikpavillon<br />
im Palmengarten hat Pudenz wieder eine<br />
rare Opernperle auf die Bühne geholt: Rossinis<br />
Opera Buffa „Die verkehrte Braut“.<br />
Die schöne Ernestina ist in den klugen und<br />
armen Lehrer Ermanno verliebt, allerdings<br />
dem reichen, aber intellektuell anspruchslosen<br />
Buralicchio versprochen. Um die<br />
Hochzeit zu verhindern, streut Ernestina<br />
das Gerücht, sie sei in Wirklichkeit ein<br />
als Frau verkleideter Kastrat, der dem<br />
Wehrdienst entgehen wolle. Dumm nur,<br />
dass Buralicchio nun den vermeintlichen<br />
Fahnenflüchtling festnehmen lässt. Jetzt<br />
ist Ermanno gefragt ... Die Oper wurde in<br />
ihrem Entstehungsjahr 1811 wegen ihrer<br />
„niederträchtigen, plebejischen Skurrilität“<br />
verboten – klingt doch wie gemacht<br />
für die Kammeroper! Ein Gespräch mit<br />
Rainer Pudenz über Anspruch, Leidenschaft<br />
und Leuchtturmkultur.<br />
Für diese Saison hast du mit Rossinis<br />
„Die verkehrte Braut“ wieder eine<br />
rare Perle der Operngeschichte auf<br />
die Bühne zurück geholt..<br />
Ja, die Oper ist ein richtig heißes Teil! Der<br />
FOTO: MARTIN GROTHMAAK PHOTOGRAPHY<br />
Text ist sehr vulgär, wird teilweise echt homophob<br />
wenn dieser Kerl sich aufregt, mit<br />
einem Mann ... das ist schon der Hammer.<br />
Es ist auch das erste Mal, dass mir das in<br />
der Geschichte der Opera Buffa begegnet.<br />
Wird „Die verkehrte Braut“ modern<br />
inszeniert?<br />
Nein, wir machen das zeitlos. Ansonsten<br />
bekommt das so was von Agitation und<br />
Propaganda. Das wollte ich nicht, ich wollte<br />
es leicht und frei halten. Und Zeiten zu<br />
definieren mag ich nicht. Der Maßstab ist<br />
eher, dass ich in die Figuren reingehe und<br />
schaue, wie die Figuren reagieren. Wie hier,<br />
wie der Mann reagiert, wenn er einem anderen<br />
Mann versprochen wird. Und das ist ja<br />
durchaus ein zeitloses Thema. Das brauche<br />
ich nicht modern zu machen.<br />
Wie immer kommt die Oper in<br />
deutscher Sprache, eine Eigenart der<br />
Kammeroper ...<br />
Das war mir schon immer wichtig. Erstens<br />
kann ich anders gar nicht inszenieren, und<br />
zweitens finde ich wichtig, dass man den<br />
Text versteht. Nicht nur der Zuschauer,<br />
sondern auch die Sänger. Wenn die italienischen<br />
Sprachkenntnisse wie meistens<br />
eher schlapp sind, wissen sie nicht, was<br />
sie singen! Es ist auswendig gelernt und<br />
die Inhalte fehlen. Aber die Emotion muss<br />
direkt vom Sänger kommen, auch direkt<br />
im Wort. Ansonsten wird das nie intim oder<br />
persönlich.<br />
Wir legen viel Wert auf die Übersetzungen.<br />
Thomas Peter, der jetzige Hauptdarsteller,<br />
hat diesen Text übersetzt. Es gibt ja auch<br />
alte Übersetzungen aus den 50er und 60er<br />
Jahren, aber die sind der Horror!<br />
Du hattest immer den Anspruch,<br />
Oper anders zu machen.<br />
Was ist dein Anliegen?<br />
Ich will einen anderen Blickwinkel einnehmen.<br />
Ich will nicht diese Leuchtturmkultur,<br />
diese großen, bombastischen Geschichten.<br />
Wir wollen die Kammeroper klein halten,<br />
nie mehr als 400 Zuschauer, mit einer<br />
Transparenz im Orchester und mit den<br />
Sängern. Diese Intimität ist eigentlich das<br />
wesentliche Anliegen.<br />
Ich mag an den großen Häusern die<br />
Show drum herum. Also die Pause!<br />
Oh ja, es gibt ein Stück, das handelt nur<br />
von Theaterpausen. Aber das stört mich<br />
halt total. Und auch dieses Drumherum<br />
was im Foyer abgeht, wenn da die goldene<br />
Schuhparade ist. Das ist mir zu blöd. Ich<br />
bin auch schon lange nicht mehr da gewesen.<br />
Ich bin ja nicht dagegen, aber ich lebe<br />
einfach in einer anderen Welt. Die großen<br />
Häuser sind zu groß für den Anspruch der<br />
Intimität den ich habe.<br />
Das hört sich alles sehr idealistisch<br />
an. Kann man sich sowas heute noch<br />
leisten?<br />
Finanziell brauchen wir da gar nicht drüber<br />
reden! Man kann Opern nicht mit Geld<br />
rechnen. Aber es geht ja um die Sache, es<br />
geht um die Oper. Und im Ensemble haben<br />
alle dieses Fieber, Oper zu machen. Und<br />
diese Energie kommt dann auch auf der<br />
Bühne rüber. Das ist dann so eine direkte<br />
Peng-Peng-Situation!<br />
*Interview: Björn Berndt<br />
„Die verkehrte Braut“ ist noch bis 17.8.<br />
im Musikpavillon Palmengarten, Palmengartenstr.<br />
11, Frankfurt, zu sehen,<br />
www.kammeroper-frankfurt.de