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GAB August 2019

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16 BÜHNE<br />

INTERVIEW<br />

präsentiert<br />

KAMMEROPER FRANKFURT<br />

Anspruch, Leidenschaft<br />

und Leuchtturmkultur<br />

FOTO: HANNES CASPER<br />

Aus der Kammeroper-Historie: La Traviata<br />

Seit 37 Jahren leitet Rainer Pudenz<br />

die Kammeroper Frankfurt und beweist<br />

in seinem Programm ein Händchen<br />

für zu Unrecht selten gespielte Opern. Für<br />

das 25. Bühnenjubiläum im Musikpavillon<br />

im Palmengarten hat Pudenz wieder eine<br />

rare Opernperle auf die Bühne geholt: Rossinis<br />

Opera Buffa „Die verkehrte Braut“.<br />

Die schöne Ernestina ist in den klugen und<br />

armen Lehrer Ermanno verliebt, allerdings<br />

dem reichen, aber intellektuell anspruchslosen<br />

Buralicchio versprochen. Um die<br />

Hochzeit zu verhindern, streut Ernestina<br />

das Gerücht, sie sei in Wirklichkeit ein<br />

als Frau verkleideter Kastrat, der dem<br />

Wehrdienst entgehen wolle. Dumm nur,<br />

dass Buralicchio nun den vermeintlichen<br />

Fahnenflüchtling festnehmen lässt. Jetzt<br />

ist Ermanno gefragt ... Die Oper wurde in<br />

ihrem Entstehungsjahr 1811 wegen ihrer<br />

„niederträchtigen, plebejischen Skurrilität“<br />

verboten – klingt doch wie gemacht<br />

für die Kammeroper! Ein Gespräch mit<br />

Rainer Pudenz über Anspruch, Leidenschaft<br />

und Leuchtturmkultur.<br />

Für diese Saison hast du mit Rossinis<br />

„Die verkehrte Braut“ wieder eine<br />

rare Perle der Operngeschichte auf<br />

die Bühne zurück geholt..<br />

Ja, die Oper ist ein richtig heißes Teil! Der<br />

FOTO: MARTIN GROTHMAAK PHOTOGRAPHY<br />

Text ist sehr vulgär, wird teilweise echt homophob<br />

wenn dieser Kerl sich aufregt, mit<br />

einem Mann ... das ist schon der Hammer.<br />

Es ist auch das erste Mal, dass mir das in<br />

der Geschichte der Opera Buffa begegnet.<br />

Wird „Die verkehrte Braut“ modern<br />

inszeniert?<br />

Nein, wir machen das zeitlos. Ansonsten<br />

bekommt das so was von Agitation und<br />

Propaganda. Das wollte ich nicht, ich wollte<br />

es leicht und frei halten. Und Zeiten zu<br />

definieren mag ich nicht. Der Maßstab ist<br />

eher, dass ich in die Figuren reingehe und<br />

schaue, wie die Figuren reagieren. Wie hier,<br />

wie der Mann reagiert, wenn er einem anderen<br />

Mann versprochen wird. Und das ist ja<br />

durchaus ein zeitloses Thema. Das brauche<br />

ich nicht modern zu machen.<br />

Wie immer kommt die Oper in<br />

deutscher Sprache, eine Eigenart der<br />

Kammeroper ...<br />

Das war mir schon immer wichtig. Erstens<br />

kann ich anders gar nicht inszenieren, und<br />

zweitens finde ich wichtig, dass man den<br />

Text versteht. Nicht nur der Zuschauer,<br />

sondern auch die Sänger. Wenn die italienischen<br />

Sprachkenntnisse wie meistens<br />

eher schlapp sind, wissen sie nicht, was<br />

sie singen! Es ist auswendig gelernt und<br />

die Inhalte fehlen. Aber die Emotion muss<br />

direkt vom Sänger kommen, auch direkt<br />

im Wort. Ansonsten wird das nie intim oder<br />

persönlich.<br />

Wir legen viel Wert auf die Übersetzungen.<br />

Thomas Peter, der jetzige Hauptdarsteller,<br />

hat diesen Text übersetzt. Es gibt ja auch<br />

alte Übersetzungen aus den 50er und 60er<br />

Jahren, aber die sind der Horror!<br />

Du hattest immer den Anspruch,<br />

Oper anders zu machen.<br />

Was ist dein Anliegen?<br />

Ich will einen anderen Blickwinkel einnehmen.<br />

Ich will nicht diese Leuchtturmkultur,<br />

diese großen, bombastischen Geschichten.<br />

Wir wollen die Kammeroper klein halten,<br />

nie mehr als 400 Zuschauer, mit einer<br />

Transparenz im Orchester und mit den<br />

Sängern. Diese Intimität ist eigentlich das<br />

wesentliche Anliegen.<br />

Ich mag an den großen Häusern die<br />

Show drum herum. Also die Pause!<br />

Oh ja, es gibt ein Stück, das handelt nur<br />

von Theaterpausen. Aber das stört mich<br />

halt total. Und auch dieses Drumherum<br />

was im Foyer abgeht, wenn da die goldene<br />

Schuhparade ist. Das ist mir zu blöd. Ich<br />

bin auch schon lange nicht mehr da gewesen.<br />

Ich bin ja nicht dagegen, aber ich lebe<br />

einfach in einer anderen Welt. Die großen<br />

Häuser sind zu groß für den Anspruch der<br />

Intimität den ich habe.<br />

Das hört sich alles sehr idealistisch<br />

an. Kann man sich sowas heute noch<br />

leisten?<br />

Finanziell brauchen wir da gar nicht drüber<br />

reden! Man kann Opern nicht mit Geld<br />

rechnen. Aber es geht ja um die Sache, es<br />

geht um die Oper. Und im Ensemble haben<br />

alle dieses Fieber, Oper zu machen. Und<br />

diese Energie kommt dann auch auf der<br />

Bühne rüber. Das ist dann so eine direkte<br />

Peng-Peng-Situation!<br />

*Interview: Björn Berndt<br />

„Die verkehrte Braut“ ist noch bis 17.8.<br />

im Musikpavillon Palmengarten, Palmengartenstr.<br />

11, Frankfurt, zu sehen,<br />

www.kammeroper-frankfurt.de

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