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Berliner Kurier 11.08.2019

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POLITIK<br />

Bloß nicht zu<br />

frühfreuen!<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Christian<br />

Burmeister<br />

Naendlich!Jahrelang ist<br />

nur geredetworden, nun<br />

habenFinanzminister Olaf<br />

Scholz (SPD) und die GroKo<br />

einen Gesetzentwurf zumAbbaudes<br />

Solidaritätszuschlags<br />

vorgelegt. Besondershäufig ist<br />

es in derGeschichte noch<br />

nichtvorgekommen, dass einmal<br />

eingeführte Steuern oder<br />

Abgabenwieder abgeschafft<br />

wurden.Und auch in diesem<br />

Fall hatdie Politik Trennungsschmerzen:<br />

Scholz beharrt darauf,<br />

dassdie oberen 3,5 Prozentder<br />

Einkommenden Soli<br />

weiter zahlen. Ursprünglich<br />

solltenes5Prozent sein.<br />

Für die meisten Bürgerwird<br />

dieSoli-Abschaffung eine<br />

spürbare Entlastung bringen,<br />

immerhin sollen die Steuerzahler<br />

dieses Jahrlaut Prognosen<br />

nocheinmal mehr als 19<br />

MilliardenEuro für dieAbgabe<br />

zahlen.<br />

Trotzdemsolltensich die<br />

Steuerzahler nicht zu früh<br />

freuen. Denn mit der Abschaffungdes<br />

Solis ist wohl die politische<br />

Voraussetzung für neue<br />

Steuernund Abgaben geschaffen<br />

–wie beispielsweise eine<br />

CO2-, Flug- oder Fleischsteuer.<br />

Ob dieBürger in ein<br />

paar Jahrendann weniger<br />

oder mehr im Geldbeutel haben<br />

werdenals heute, weiß<br />

aber wohlnoch nicht einmal<br />

derFinanzminister selbst.<br />

MANN DESTAGES<br />

Jair Bolsonaro<br />

Er lässt gnadenlos den Regenwald<br />

abholzen, um maximalen<br />

Profit aus den Landflächen<br />

zu schlagen –Brasiliens<br />

rechtsradikaler<br />

Präsident<br />

Jair<br />

Bolsonaro<br />

ist bisher<br />

nicht gerade<br />

als Umweltschützer<br />

aufgefallen.<br />

Doch jetzt<br />

kam der 64-<br />

Jährige mit einem skurrilen<br />

Klimarettungsplan um die<br />

Ecke: „Wer etwas weniger<br />

isst, muss nur alle zwei Tage<br />

ein großes Geschäft verrichten.<br />

Das wäre besser für die<br />

ganze Welt.“ Ohne Worte.<br />

Foto: Eraldo Peres/AP<br />

Olaf Scholzschafftden<br />

Solidaritätszuschlag ab<br />

90 Prozent aller Steuerzahler müssen ab 2020gar nichts mehr für dieneuen Bundesländer abgeben<br />

Berlin – Seit 1991 wird sie erhoben,<br />

bald ist die Abgabe<br />

für die meisten Geschichte:<br />

Bundesfinanzminister Olaf<br />

Scholz (SPD) hat einen Gesetzentwurf<br />

fürdie Abschaffung<br />

des Solidaritätszuschlags<br />

–besser bekannt als<br />

Soli – vorgelegt. Er enthält<br />

eine kleine Überraschung:<br />

Mehr Menschen als bisher<br />

geplant werden finanziell<br />

entlastet.<br />

Mitder Reform von Scholz solleninsgesamt<br />

96,5 Prozent aller<br />

Steuerzahler bessergestellt<br />

werden als heute. Für 90 Prozent<br />

aller Steuerzahler sollder<br />

Soli komplett wegfallen, weitere<br />

6,5Prozent müssten ihnnur<br />

teilweise zahlen –jehöher<br />

das Einkommen, desto<br />

mehr. Das soll verhindern,<br />

dass jemand,<br />

dessen Gehalt die<br />

Schafft den Soli<br />

faktisch ab:<br />

Bundesfinanzminister<br />

Olaf Scholz.<br />

Freigrenze um einen Euro überschreitet,<br />

schon involler Höhe<br />

belastet wird. 3,5 Prozent der<br />

Steuerpflichtigen müssten den<br />

vollen Satz zahlen: 5,5 Prozent.<br />

Für Steuerzahler bedeuten<br />

Scholz’ Pläne: Wer als alleinstehender<br />

sozialversicherungspflichtiger<br />

Arbeitnehmer<br />

bis zu 73 874 Euro brutto im<br />

Jahrverdient,musskünftiggar<br />

nichts mehranSoli zahlen. Mit<br />

einem höheren Einkommen<br />

wüchse die Belastung, bis bei<br />

109 451 Euro Bruttolohn die<br />

vollen 5,5 Prozentfällig<br />

würden. Eine<br />

Familie mit zwei<br />

Foto: Xander Heinl/lmago<br />

keine Flüge erfasst, die beispielsweise<br />

von den Fraktionen<br />

oder den Abgeordneten selbst<br />

bezahlt werden, geht hervor:<br />

Die MdB jetten häufig von Berlin<br />

in ihre jeweiligen Wahlkreise.<br />

Aber auch offizielle Delegationsreisen<br />

per Flugzeug sind<br />

dabei. Bei diesen informieren<br />

sich Abgeordnete vor Ort über<br />

die Entwicklungen in ihrem<br />

Fachgebiet.<br />

So reistenbeispielsweise Mitglieder<br />

des Verteidigungsausschusses<br />

2018 in den Kosovo,<br />

um dort stationierte Bundeswehrsoldaten<br />

zu besuchen.2017<br />

waren die Abgeordneten „nur“<br />

7,4 Millionen Kilometer geflogen.<br />

2015 waren es allerdings<br />

noch 11,4 Millionen und 2016<br />

rund 11,1 Millionen. Inabsoluten<br />

Zahlen flogen laut „Bild“ die<br />

Kindern und<br />

einem Alleinverdiener<br />

wäredemnach<br />

bis zu einem Bruttojahreslohn<br />

von 151 990 Euro von<br />

der Abgabe befreit. Abeinem<br />

Bruttojahreslohn von 221 375<br />

Euro müsste der volle Soli gezahlt<br />

werden.<br />

Im Gesetzentwurf heißt es,<br />

„im ersten Schritt“ würden<br />

rund 90 Prozentder Zahler von<br />

Lohnsteuer und veranlagter<br />

Einkommensteuer vollständig<br />

entlastet. Die Formulierung<br />

„im ersten Schritt“lässtweitere<br />

Schritteoffen. Aber geht die<br />

GroKo noch weiter? Darüber<br />

streiten sich Union und SPD.<br />

Die Sozialdemokraten wollen es<br />

bei der Regelungbelassen, Gutverdienern<br />

den Soli weiter abverlangen.<br />

Sosagt der stellvertretende<br />

SPD-Fraktionsvize<br />

Achim Post: „Eine vollständige<br />

Abschaffung des Soli lehnt die<br />

SPD ab“.<br />

Für CDU/CSU ist das neue<br />

Gesetz hingegen nur der Anfang.<br />

Fraktionschef Ralph<br />

Brinkhaus (CDU): „Wir inder<br />

Union halten weiter an dem<br />

Ziel fest, den Soli für alle<br />

Steuerzahler abzuschaffen.<br />

Grüne Abgeordnete fliegen mehr<br />

Unions-Abgeordneten am häufigsten<br />

(330 Einzeldienstreisen).<br />

Pro Kopf sollen demnach<br />

die Grünen-Abgeordneten am<br />

häufigsten geflogen sein: 126<br />

Das wurde bei der Einführung<br />

des Soliversprochen und ist für<br />

uns eine Frageder Verlässlichkeit.“<br />

CDU-Generalsekretär<br />

Paul Ziemiak sagte: „Ich rechne<br />

damit, dass noch in diesem<br />

Monatdas Kabinett die Entlastung<br />

aufden Weg bringt,damit<br />

das Geld schnell bei den Bürgern<br />

ankommt.“<br />

Auch die FDP fordert einen<br />

vollständigen Abbau. Fraktions-Vize<br />

Christian Dürr: „Ab<br />

dem 1. Januar ist der Soli verfassungswidrig<br />

– die Menschen<br />

werden also massenhaft<br />

Widersprüche gegen ihre<br />

Steuerbescheide einlegen.“<br />

Der ehemalige Präsident des<br />

Bundesverfassungsgerichts,<br />

Hans-Jürgen Papier, hatte den<br />

Soli ab 2020ineinem Gutachten<br />

als verfassungswidrig bezeichnet.<br />

Der Zuschlag beträgt 5,5<br />

Prozent derKörperschaft-oder<br />

Einkommensteuer. Im Haushaltsjahr<br />

2018 brachte er dem<br />

Staat laut Finanzministerium<br />

18,9Milliarden Euro ein. Neben<br />

Arbeitnehmern zahlen auch<br />

Gewerbetreibende die Abgabe.<br />

Parlamentarier der Öko-Partei im Bundestag kamen im Schnitt proKopf auf126 Flüge in zwei Jahren<br />

Berlin –Weniger fliegen, um<br />

das Klima zu schonen? Den<br />

Bundestagsabgeordneten fällt<br />

das schwer. Im Rahmen ihrer<br />

Tätigkeit haben die 709 Parlamentarier<br />

im Jahr 2018 insgesamt<br />

9,08 Millionen Flugmeilen<br />

(14,6 Millionen Kilometer) zurückgelegt.<br />

Sie flogen damit<br />

mehr als im Jahr zuvor –aber<br />

immerhin auch weniger als<br />

noch 2015 und 2016. Pro Kopf<br />

gerechnet stiegen die Grünen<br />

am häufigsten ins Flugzeug. Jeder<br />

Parlamentarier legte 2018<br />

im Durchschnitt 13 000 Meilen<br />

mit dem Flugzeug zurück, berichten<br />

die Zeitungen der Funke-Mediengruppe.<br />

Das entspricht<br />

einem Flug von Frankfurt<br />

nach Singapur und zurück.<br />

Aus der Auflistung der Bundestagsverwaltung,<br />

die allerdings<br />

Mal in zwei Jahren. FürDienstreisen<br />

mit dem Flugzeugwerde<br />

„eine CO 2 -Kompensation vorgenommen”,<br />

erklärten die Grünen<br />

auf Nachfrage.<br />

Heftiges Hin und Her: Wie in unserer Fotomontage bevölkern Flugzeuge mit<br />

Bundestagsabgeordneten an Bord den Himmel über Deutschland.<br />

Foto: RND-Monatge/Fotolia

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