Taxi Times DACH SPECIAL- August 2019
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RIDE-SHARING<br />
ZAUBERFORMEL<br />
DER ZUKUNFT<br />
Kapitalstarke Konzerne sind gerade dabei, sich den<br />
neu definierten »Ride-Sharing«-Markt aufzuteilen.<br />
Doch es gibt erste Beispiele, in denen auch das<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbe zum Zug kommt.<br />
Solch ein London-<strong>Taxi</strong> steuert in Ettlingen<br />
bei Karlsruhe 250 virtuelle Haltestellen an.<br />
Landauf und landab sprechen Politiker<br />
von den Vorzügen des Ride-Sharings,<br />
des Poolings, des<br />
<strong>Taxi</strong>-on-demand. Auch wenn bei Letzterem<br />
wenigstens das Wort auftaucht, bleibt für<br />
das klassische <strong>Taxi</strong> da oft nur die Zuschauerrolle,<br />
obwohl genau deren Fahrzeugtypen<br />
bei den neu definierten Beförderungsprofilen<br />
zum Einsatz kommen. Anstelle von<br />
sperrigen Bussen fahren Achtsitzer-Pkw.<br />
Oder auch Vans mit sechs Sitzplätzen. Clevere<br />
Anbieter setzten sogar auf Elektro- und<br />
Wasserstoffantriebe, weil das zum einen<br />
die Umwelt schont und zum anderen die<br />
politische Akzeptanz noch mehr fördert.<br />
Das Anforderungsprofil für die Zauberformel<br />
der Zukunft wird von zwei Zutaten<br />
bestimmt. Benötigt wird eine intelligente<br />
Software und ein (möglichst umweltfreundlicher)<br />
Fuhrpark. Für beides müssen hohe<br />
Summen investiert werden. Kein Wunder,<br />
dass die aktuellen Player in diesem neuen<br />
Marktsegment aus dem Mobilitätssektor<br />
kommen. Moia (Volkswagen) und Berlkönig<br />
(Daimler) können als Fahrzeughersteller<br />
auf einen existierenden Fuhrpark zurückgreifen<br />
und haben das nötige Kapital und<br />
Personal, um eine eigene Software zu entwickeln<br />
und jahrelange verlustbringende<br />
Probeläufe durchzuführen.<br />
Ein weiterer Mobilitätsplayer ist die<br />
Bahn. Sie fährt zweigleisig, indem sie<br />
einerseits als Mehrheitseigner an Clever-<br />
Shuttle eine fast konsequent elektromobile<br />
Flotte einsetzt und eine eigene Softwareentwicklung<br />
finanziert, andererseits unter<br />
dem Projektnamen „ioki“ eine Fremdsoftware<br />
(Door2Door) einkauft und beim Flotteneinsatz<br />
in enger Kooperation mit<br />
örtlichen ÖPNV-Betreibern agiert. Was für<br />
Moia und Berlkönig gilt, gilt auch hier: Die<br />
hohen Verluste werden vom milliardenschweren<br />
Konzern aufgefangen.<br />
ÖPNV-BETREIBER MISCHEN MIT<br />
Zunehmend etablieren sich auch die regionalen<br />
öffentlichen Verkehrsbetreiber im<br />
Pooling-Markt. Der Hamburger Verkehrsverbund<br />
HVV mit ioki, die Berliner BVG mit<br />
Berlkönig. In München und Duisburg setzt<br />
man derweil komplett auf einen eigenen<br />
Dienst (Isar-Tiger bzw. myBUS). Hier<br />
bedient man sich der Software, die vom Berliner<br />
Start-Up Door2Door entwickelt wurde<br />
und die genau jene oben angesprochenen<br />
virtuellen Haltestellen integriert.<br />
Das <strong>Taxi</strong> taucht bei all diesen genannten<br />
Beispielen nicht auf. Es wird vielmehr<br />
durch das Zusatzangebot an (Teil-)Individualbeförderungen<br />
kanibalisiert – ebenso<br />
wie übrigens die bisherigen ÖPNV-Angebote,<br />
während die eigentliche Hoffnung,<br />
dass die Ride-Sharing-Nutzer auf das<br />
ei gene Auto verzichten, sich bisher nicht<br />
er füllte.<br />
Dabei gibt es durchaus erste Ansätze, in<br />
denen <strong>Taxi</strong>betriebe zum Zug kommen. Sie<br />
sind sehr unterschiedlich und vielfältig und<br />
zeigen gleichzeitig, dass auch <strong>Taxi</strong>betriebe<br />
den bisherigen klassischen Pfad der bisherigen<br />
betrieblichen Struktur verlassen<br />
müssen. In Aschaffenburg beispielsweise<br />
bieten die dortigen Stadtwerke ein AST-<br />
Ride-Sharing an. Als Dienstleister, der<br />
sowohl die Vermittlungstechnik als auch<br />
die Fahrzeuge stellt, agiert das dortige <strong>Taxi</strong>unternehmen<br />
Metropolis Service. Das Projekt<br />
nennt sich „CarlE“ und ist so konzipiert,<br />
dass es allen ÖPNV-Betreibern angeboten<br />
werden kann. Zum Einsatz kommen emissions-<br />
und barrierefreie London-<strong>Taxi</strong>s sowie<br />
eine digitale Vermittlungsstruktur, mit der<br />
unter anderem Sammelverkehre als ALT,<br />
AST oder auch von Tür zu Tür durchführbar<br />
sind.<br />
„Wir treten nicht mit dem Heilsversprechen<br />
an, die Mobilität neu zu erfinden und<br />
alles Alte wegzuwischen“, erläutert dazu<br />
Metropolis-Geschäftsführer Benjamin<br />
Schmidt. „Aber mit CarlE beweisen wir,<br />
dass technische Innovationen und die Digitalisierung<br />
aller Prozesse in der Personenbeförderung<br />
bereits heute möglich sind,<br />
und das, ohne den gesetzlichen Rahmen<br />
des PBefG zu ändern.“<br />
Mit ins Projekt integriert ist auch Dirk<br />
Holl vom gleichnamigen <strong>Taxi</strong>- und Mietwagenunternehmen<br />
Holl AG. Sein Einsatzgebiet<br />
sind die nordbadischen Städte<br />
Gaggenau, Rastatt, Baden-Baden und seit<br />
Neuestem auch Karlsruhe. Dort ist die Holl<br />
AG, die früher als <strong>Taxi</strong> Holl firmierte, in das<br />
Projekt „MyShuttle“ des Karlsruher Verkehrsverbunds<br />
KVV integriert. In der nördlich<br />
von Karlsruhe gelegenen Gemeinde<br />
Ettlingen können KVV-Kunden jeden<br />
Abend zwischen 18 und 1 Uhr und jeden<br />
Sonntag ganztägig über die gleichnamige<br />
Mobil-App einen elektrisch betriebenen<br />
Minibus bestellen und bezahlen. Die als<br />
MyShuttle definierten Fahrzeuge fahren<br />
nicht nach einem festen Fahrplan, sondern<br />
FOTOS: Paul Gärtner, Adobe Stock / arrow<br />
16 AUGUST / <strong>2019</strong> TAXI