RegioBusiness - Oktober 2019
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26 Firmen & Märkte<br />
<strong>Oktober</strong> <strong>2019</strong> I Jahrgang 18 I Nr. 207<br />
Die Drei von der Reparaturstelle<br />
Fahrräder in Stand setzen, Kunden betreuen, Schrott recyceln – das sind die Aufgabenfelder von Jörg Walter Tobinnis und Thomas Köhler als Helfer<br />
im Öhringer Fahrradgeschäft „Mike’s Garage“ von Mike Sripoomma. Gefördert werden sie über das Teilhabechancengesetz. VON FRANK LUTZ<br />
Gesprächig und kontaktfreudig<br />
der eine, ruhig und besonnen<br />
der andere – Jörg<br />
Walter Tobinnis und Thomas Köhler<br />
sind zwei völlig verschiedene<br />
Persönlichkeiten, die sich aber offensichtlich<br />
gut ergänzen. Denn<br />
ihre unterschiedlichen Charaktere<br />
ermöglichen, dass sich die<br />
beiden Helfer beim Öhringer Fahrradgeschäft<br />
„Mike’s Garage“ auf<br />
verschiedene Bereiche konzentrieren<br />
können: Während der leutselige<br />
Tobinnis Kunden betreut, Reparaturen<br />
annimmt und kleinere<br />
Reparaturen selbst verrichtet,<br />
übernimmt der gewissenhafte Köhler<br />
die anspruchsvolleren Rollerreparaturen<br />
und Haushaltsauflösungen,<br />
trennt und zerlegt den<br />
Elektroschrott. „Herr Köhler ist<br />
sehr flink mit dem Schrott, ihm<br />
Zusammenarbeit: Thomas Köhler, Jörg Walter Tobinnis und Mike Sripoomma (v. li.).<br />
Foto: Günter Hohenberg<br />
„Machen Sie mehr<br />
aus Ihrem Geld.“<br />
2% p.a. für<br />
3 Monate**<br />
macht es Spaß und er repariert<br />
sehr gut. Herr Tobinnis kann sehr<br />
gut mit Kunden“, bestätigt Geschäftsinhaber<br />
Mike Sripoomma.<br />
Nun wolle er seine Mitarbeiter weiterbilden<br />
und ihre Fähigkeiten<br />
ausbauen. Auch wenn vielleicht<br />
noch nicht alles perfekt läuft,<br />
scheinen alle Beteiligten zufrieden<br />
mit der Situation. Besonders<br />
die beiden Hilfskräfte: „Es macht<br />
Freude, begeistert und gibt einem<br />
mehr Lebensfreude“, sagt Tobinnis.<br />
Denn er und Köhler haben einen<br />
langen und oft frustrierenden<br />
Weg zurückgelegt, bevor sie dieses<br />
Jahr in „Mike’s Garage“ anfingen.<br />
Jörg Walter Tobinnis, gelernter<br />
Präzisionsteilemechaniker,<br />
war Berufssoldat, wurde aber<br />
durch einen Unfall berufsunfähig.<br />
Er ließ sich zum Drucker umschulen,<br />
hatte auch wieder mehrere<br />
Festanstellungen in der Branche,<br />
wechselte aber oft den Job, „weil<br />
ich weiterkommen wollte“. Bis<br />
zum Jahr 2013: Da passierte ein<br />
zweiter Arbeitsunfall. Danach galt<br />
der inzwischen über 50-Jährige<br />
als kaum noch vermittelbar.<br />
LEBENSLÄUFE Ähnlich kurvenreich<br />
verlief auch Thomas Köhlers<br />
Berufsleben: Der heute 50-Jährige<br />
schloss eine Ausbildung als<br />
Bäcker und Konditor ab, war<br />
dann aber sieben Jahre lang in<br />
der Pathologie der Uniklinik Heidelberg<br />
tätig. Versuche, nach seinem<br />
Umzug aus privaten Gründen<br />
an den Bodensee wieder in den<br />
Bäckerberuf einzusteigen, misslangen.<br />
Stattdessen arbeitete Köhler<br />
als Gebäudereiniger. Nach seinem<br />
Umzug nach Öhringen vor<br />
rund 20 Jahren versuchte sich<br />
Köhler weiter in der Gebäudereinigung<br />
sowie in der Pathologie des<br />
Öhringer Krankenhauses, fand<br />
aber keinen festen Job mehr.<br />
Doch jetzt haben beide die<br />
Chance, wieder dauerhaft ins Berufsleben<br />
zurückzufinden. Möglich<br />
macht das ein neues Gesetz,<br />
das dieses Jahr in Kraft trat und<br />
sich vor allem an Langzeitarbeitslose<br />
richtet: das Teilhabechancengesetz<br />
(siehe Infokasten).<br />
Tobinnis und Köhler werden nach<br />
der Variante „Teilhabe am Arbeitsmarkt“<br />
gefördert, bekommen<br />
also in den ersten fünf Jahren einen<br />
Lohnkostenzuschuss, im ersten<br />
Jahr sogar den vollen Lohn.<br />
Außerdem zahlt ihnen das Jobcenter<br />
Weiterbildungsmaßnahmen<br />
und bietet ein beschäftigungsbegleitendes<br />
Coaching. Für Letzteres<br />
war bis vor kurzem Klaus Günter<br />
Hohenberg zuständig. Der inzwischen<br />
pensionierte Arbeitsvermittler<br />
mit Schwerpunkt Arbeitgeber<br />
und Coach beim Jobcenter Hohenlohekreis<br />
hat seine damaligen<br />
Kunden Tobinnis und Köhler in<br />
den Job vermittelt und besuchte<br />
sie ein- bis zweimal pro Woche<br />
auf der Arbeit. Dann besprach er<br />
mit ihnen wichtige Themen und<br />
Probleme und versuchte, die Stimmung<br />
zu erspüren: „Ich versuche,<br />
ein gutes Lebensgefühl aufrechtzuerhalten.<br />
Das bietet Kraft, um im<br />
Alltag bestehen zu können.<br />
Ich spüre, ob irgendwelche<br />
Hemmnisse auftreten und überlege<br />
dann: Was kann man Unterstützendes<br />
tun, um die Sache wieder<br />
in eine gute Richtung zu bringen?“<br />
Nicht jeder Betrieb sei geeignet,<br />
meint Andrea Roll, Teamleiterin<br />
Markt und Integration beim Jobcenter:<br />
„Wir brauchen Nischenbetriebe,<br />
wo der Kunde sich wohlfühlt<br />
und sich gut einbringen<br />
kann.“ Hohenberg erklärt: „Ich<br />
achte nicht nur auf die Fertigkeiten,<br />
sondern auch auf die Persönlichkeiten<br />
des Kunden und des Unternehmers.<br />
Sie müssen sich<br />
menschlich verstehen.“<br />
In Mike Sripoomma scheinen Tobinnis<br />
und Köhler den passenden<br />
Arbeitgeber gefunden zu haben.<br />
Denn der gebürtige Amerikaner<br />
war nach seinem Ausscheiden aus<br />
der US-Armee selbst lange auf Jobsuche,<br />
bevor er seinen kleinen<br />
Fahrradhandel ausbaute und zum<br />
Haupterwerb machte. „Ich habe<br />
mir erst Sorgen gemacht, weil er<br />
schon sehr lange arbeitslos war“,<br />
erinnert sich Sripoomma, wie Tobinnis<br />
im Februar bei ihm anfing.<br />
Doch längst stehe er voll hinter<br />
dem Teilhabechancengesetz: „Die<br />
Leute können sich beweisen.“<br />
www.hohenlohekreis.de<br />
www.mikes-garage.com<br />
Nächste Folge<br />
Weitere Infos und Kontaktdaten<br />
In dieser Serie werden monatlich Arbeitnehmer<br />
aus der Region vorgestellt, die<br />
über das Teilhabechancengesetz gefördert<br />
werden. In der nächsten Folge geht<br />
es um eine Mitarbeiterin des Tierheims<br />
Crailsheim.<br />
Das Teilhabechancengesetz bietet zwei Förderungsvarianten:<br />
Beim „Eingliederungszuschuss“ zahlt das Jobcenter im<br />
ersten Jahr 75 Prozent, im zweiten Jahr 50 Prozent des Lohns,<br />
kann Weiterbildungskosten übernehmen und bietet in den ersten<br />
sechs Monaten ein beschäftigungsbegleitendes Coaching.<br />
Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer mindestens zwei Jahre<br />
arbeitslos war. Bei der „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ wird der<br />
Lohnkostenzuschuss bis zu fünf Jahre absteigend von 100 bis 70<br />
Prozent gezahlt. Die geförderten Arbeitnehmer müssen mindestens<br />
25 Jahre alt sein und seit mehreren Jahren Arbeitslosengeld<br />
II beziehen. Weiterbildungskosten bis zu 3000 Euro übernimmt<br />
das Jobcenter hier vollständig und bietet ein Jahr lang ein beschäftigungsbegleitendes<br />
Coaching. Ansprechpartner: Main-<br />
Tauber-Kreis: Nicole Bethäuser (Telefon: 0 93 41 / 8 72 52,<br />
E-Mail: Jobcenter-Main-Tauber@jobcenter-ge.de), Schwäbisch<br />
Hall: Ulrike Dehen (07 91 / 9 75 85 82, ulrike.dehen@jobcenterge.de),<br />
Crailsheim: Dennis Lewandowski (0 79 51 / 9 49 02 77,<br />
Jobcenter-LK-SchwäbischHall.CR-Passgenau@jobcenter-ge.de),<br />
Hohenlohekreis: Andrea Roll (0 79 40 / 9 15 15 82, jobcenter-hohenlohekreis.vermittlung@jobcenter-ge.de).<br />
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