FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 12
FINDORFF GLEICH NEBENAN ist das Stadtteilmagazin für Findorff und Bremen für Handel, Dienstleistung, Kultur & Politik
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PROFILE<br />
q WARUM ISA FISCHER NICHT MEHR STÄNDIG VOR DEM COMPUTER SITZEN WOLLTE<br />
» Okay, ich zeichne ab morgen ›100 Bremer Häuser‹ ! «<br />
STADTZEICHNERIN<br />
<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | <strong>12</strong><br />
ISA FISCHER<br />
I<br />
sa, Du bist wahrscheinlich die einzige bekannte<br />
Stadtzeichnerin Bremens. Irgendwann hast Du<br />
Deinen Arbeitsplatz vor dem Computer verlassen<br />
und bist hinaus in die Stadt, um im Freien<br />
zu zeichnen. Was war der Grund ?<br />
Ich bin Grafik-Designerin. Das hieß für mich<br />
viele Jahre ständig am Computer zu arbeiten –<br />
und ausschließlich drinnen zu sitzen. In diesem<br />
Beruf gestaltet man zum Beispiel Broschüren<br />
oder entwirft Logos. Das habe ich sehr lange gemacht und<br />
mache ich auch weiterhin. Illustrationen waren früher nur ein<br />
relativ geringer Teil meiner Arbeit. Irgendwann aber wollte<br />
ich nicht mehr nur ständig vor dem Computer sitzen und auch<br />
mehr zeichnen. Ich habe mir damals überlegt: »Was kann ich<br />
machen, um aus dem Haus zu kommen ?« Die Stadt und ihre<br />
Menschen haben mich schon immer interessiert. Ich sitze auch<br />
gern draußen, um Leute in der Umgebung zu beobachten.<br />
Als Stadtzeichnerin zeichnest Du Bremer Häuser, aber auch<br />
Industriebauten und Hafenanlagen. Wie kam es dazu ?<br />
November 20<strong>12</strong> saß ich mit einer Freundin und Kollegin zusammen.<br />
Wir tauschen uns seit jeher viel aus, weil jede von uns alleine<br />
arbeitet. Wir haben gemeinsam überlegt, wie lange ich schon<br />
zeichne – zu der Zeit vorrangig auf Reisen. Wir haben weitergedacht,<br />
wie man das Zeichnen zu einem Arbeitsschwerpunkt<br />
machen könnte. Ich habe irgendwann spontan gesagt: »Okay,<br />
ich zeichne ab morgen ›100 Bremer Häuser‹ !« Das passte auch<br />
gut. Ich wohnte ja in Bremen, war auch zuhause sehr engagiert<br />
und meine Kinder waren zu der Zeit noch in einem Alter, in<br />
dem ich sie noch nicht allzu oft alleine lassen wollte. Also habe<br />
ich vor der eigenen Haustür in Findorff angefangen, Häuser in<br />
der näheren Umgebung zu zeichnen, um kurze Arbeitswege zu<br />
haben. Inzwischen sind meine Kinder groß und ich kann jetzt<br />
besser auch Aufträge in anderen Städten wahrnehmen, wenn<br />
man mich über www.hausgezeichnet.info bucht.<br />
Zeichnest Du zu jeder Jahreszeit bei jedem Schmuddelwetter ?<br />
Ja, ich zeichne das ganze Jahr über und damit auch bei fürchterlich<br />
kaltem Wetter. Wenn es richtig kalt ist, sind die Farben<br />
nicht das Problem. Das Problem ist: Ich kann bei niedrigen<br />
Temperaturen nie sehr lang zeichnen, weil ich mir spätestens<br />
nach einer Stunde Hände und Füße aufwärmen muss, obwohl<br />
ich bei winterlichen Temperaturen dick angezogen bin. Ziemlich<br />
problematisch ist Regenwetter. Wenn es regnet und die<br />
Tropfen auf mein Papier fallen, kann ich nicht arbeiten.<br />
Wie wird man als Zeichnerin vor Ort wahrgenommen ?<br />
Oft sind Leute zunächst sehr skeptisch, wenn sie mich von weitem<br />
sehen. Es ist ja wirklich auch sehr ungewohnt, dass jemand<br />
mit einem mitgebrachten Stuhl irgendwo auf dem Bürgersteig,<br />
am besten noch im Weg, sitzt und auf ein Haus starrt. Ich hoffe<br />
dann immer, dass die Leute nachfragen oder einfach auf das<br />
Blatt schauen. Dann hellt sich die Miene meistens schnell auf,<br />
sie sind oft angetan und es entsteht ein nettes Gespräch. Manchmal<br />
hat sich sogar schon jemand spontan entschieden mich auch<br />
für das eigene Haus zu beauftragen. Für einen Kunden habe ich<br />
letztens eine Baustelle auf einer Mülldeponie gezeichnet. Da gibt<br />
es verschiedene Maschinen und Fahrzeuge und die Mitarbeiter,<br />
die diese bedienen. Zunächst waren die Bauarbeiter dort auch<br />
überrascht, als ich mich da mit meinem Stuhl halb im Matsch<br />
eingesunken, platziert habe. Nach und nach kamen alle mal<br />
vorbei und schauten zu. Ich habe es so empfunden, dass sie mein<br />
stundenlanges Zeichnen als Wertschätzung ihrer Tätigkeit gesehen<br />
haben, was sicher vom Auftraggeber auch so gewünscht war.<br />
Wie oft kommt die Frage: »Kannst Du davon leben ?«<br />
Witzigerweise wird diese Frage einer Stadtzeichnerin gar<br />
nicht gestellt. Danach fragt man eher CartoonistInnen. Gefragt<br />
werde ich eher, ob das Zeichnen mein Hobby oder mein Beruf<br />
ist – und es wird sehr schnell nachgeschoben: »Ja, klar, sieht<br />
man auch, dass das Dein Beruf ist.« Ich habe den Eindruck, die<br />
Leute sind auch der Meinung, dass eine Stadtzeichnerin gut<br />
bezahlt ist.<br />
Und ist das so ? Kannst Du von Deinen Zeichnungen leben ?<br />
Nein, momentan nicht. Ich arbeite auch weiterhin für Jobs als<br />
Grafik-Designerin und finde die Abwechslung sehr schön. Ich<br />
habe als Grafik-Designerin langjährige StammkundInnen, die<br />
über das ganze Jahr Aufträge für mich haben. Verschiedene<br />
Aufgabenstellungen gefallen mir gut. Grafik-Design und meine<br />
Arbeit als Stadtzeichnerin machen anteilig jeweils 50 Prozent<br />
meiner Tätigkeit aus. Ich habe deshalb bisher gar nicht versucht,<br />
das Zeichnen auszubauen, um allein davon zu leben. Ich könnte<br />
sicherlich nur als Stadtzeichnerin existieren, wenn ich es versuchen<br />
würde. Das möchte ich aber nicht. So wie es ist, ist es gut.<br />
Bisher sind von Dir fünf Bücher erschienen, die Du über den<br />
von Dir gegründeten »Duplio Verlag« herausgibst. Warum<br />
setzt Du auf eine Vermarktung Deiner Werke im Eigenverlag ?<br />
Nachdem ich meine ersten »100 Bremer Häuser« ausgestellt hatte<br />
und darüber in der Presse berichtet worden war, kamen Verlage<br />
auf mich zu, um mir anzubieten, einen Bildband mit dem<br />
gleichen Namen herauszubringen. Ich habe mich sehr geehrt<br />
gefühlt und gleich zugestimmt. Bei den Gesprächen über die<br />
Konditionen wurde jedoch klar, dass ich die ganze Arbeit habe,<br />
jedoch nur zu einem kleinen Prozentsatz am Gewinn beteiligt<br />
werden würde. Das Buch sollte nur aus Zeichnungen bestehen<br />
und die Gestaltung wollte ich auch übernehmen, da das meinem<br />
Beruf als Grafik-Designerin ja ohnehin entspricht. Da habe ich<br />
mir überlegt, dass man dieses Buch fast nur in Bremen anbieten<br />
kann und dass ich den Vertrieb in dem Fall vielleicht auch selber<br />
übernehmen könnte. Bei überregionalen Drucksachen ist das<br />
sicher nicht möglich. Ich fahre bis heute mit dem Fahrrad los,<br />
um den Buchhandlungen meine Bücher anzuliefern. u<br />
<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 13