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akzent Magazin Oktober '19 Bodensee-Oberschwaben

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SEE-LEUTE<br />

finden. Opfer dürfen nicht alleingelassen werden.<br />

Eine Frau, die vergewaltigt worden ist,<br />

oder ein Kind, das missbraucht wurde, leiden<br />

ein Leben lang unter diesen Taten. Stellen Sie<br />

sich vor, Sie bekommen eine Ohrfeige. Wie<br />

lange beschäftigt Sie diese Ohrfeige? Wie lange<br />

spüren Sie diese Erniedrigung? Und wenn<br />

Sie sich jetzt einen körperlichen Eingriff, der<br />

wesentlich intensiver ist, vor Augen führen,<br />

dann wissen Sie, wie lange das dauert, bis<br />

man damit klarkommt. Ich glaube, man vergisst<br />

als Opfer die Tat nie, aber man lernt,<br />

damit zu leben. Und das muss in die Urteile<br />

mit einfließen, das dürfen wir nicht unberücksichtigt<br />

lassen. Wer Opfer ist, fühlt sich oft<br />

mitschuldig, erniedrigt und schlecht. Dabei<br />

ist diesem Menschen ein Unrecht widerfahren.<br />

Ein Opfer muss selbstbewusst sagen<br />

dürfen, „schau, das hast du mir angetan, ich<br />

habe einen Anspruch darauf, dass das wiedergutgemacht<br />

wird.“<br />

Opfer darf kein Schimpfwort sein<br />

<strong>akzent</strong>: Das ist aber ein Dilemma: Wenn das<br />

Opfer selbstbewusst im Gerichtssaal sitzt,<br />

wird doch subjektiv sein Leid geschmälert?<br />

Ingo Lenßen: Sehen Sie, genau das ist die Perversion.<br />

Wir erwarten von jemandem, dem Unrecht<br />

geschehen ist, dass er sein Leiden öffentlich<br />

zeigt. Sonst gehen wir davon aus, dass die<br />

Auswirkung der Tat gar nicht so schlimm ist.<br />

Wir müssen akzeptieren, dass ein Opfer ohne<br />

zu weinen sagen darf, ja, ich bin vergewaltigt<br />

worden und ich leide immer noch darunter.<br />

Wir müssen in der Gesellschaft umdenken. Auf<br />

den Schulhöfen ist „Opfer“ ein Schimpfwort.<br />

Das darf nicht sein. Ein Opfer ist jemand, der<br />

besondere Achtung von uns benötigt, weil ihm<br />

ja Unrecht geschehen ist. Und es darf nicht<br />

sein, dass wir für ein allen Verfahrensbeteiligten<br />

gerecht werdendes Urteil vom Opfer verlangen,<br />

sein Leid zu offenbaren.<br />

<strong>akzent</strong>: Brauchen wir härtere Gesetze?<br />

Ingo Lenßen: Unsere Gesetze reichen völlig<br />

aus. Wir haben teilweise für Straftaten einen<br />

Strafrahmen von bis zu 15 Jahren. Wir müssen<br />

die zur Verfügung stehenden Rahmen nur<br />

ausschöpfen.<br />

<strong>akzent</strong>: Es häufen sich die Straftaten von<br />

sehr jungen Tätern. Wie kann man damit<br />

umgehen?<br />

Ingo Lenßen: Im Jugendstrafrecht gibt es ein<br />

neues Modell, das Diversionsverfahren. Man<br />

versucht, die jugendlichen Täter der Justiz ganz<br />

anders zuzuführen. Zum Beispiel: Ein Jugendlicher,<br />

14 Jahre, randaliert in der Innenstadt,<br />

tritt Mülltonnen um und so weiter. Der kommt<br />

nicht vor den Jugendrichter und wird wegen<br />

Sachbeschädigung verurteilt. Im Rahmen eines<br />

solchen Diversionsverfahrens wird durch die<br />

Absprache zwischen einem Staatsanwalt und<br />

einem Mitarbeiter des Jugendamtes, beispiels-<br />

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