akzent Magazin Oktober '19 Bodensee-Oberschwaben
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
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SEE-LEUTE<br />
16<br />
The Out-Takes:<br />
„Es gibt einen großen Unterschied zwischen Recht und<br />
gefühlter Gerechtigkeit.“<br />
„Wir kümmern uns um die Täter und vergessen die<br />
Opfer.“<br />
„Eine Beziehung, die o.k. ist, ist langweilig. Dann hört<br />
es für mich auf, interessant zu sein. Dafür lebe ich<br />
nicht. Ich will inspiriert werden und aufmerksam<br />
sein.“<br />
„Wow, was für eine geile Welt ist das hier.“ (Ingo Lenßen,<br />
nachdem er sich überreden ließ, die Verteidigerrolle<br />
in Alexander Holds Gerichtsshow zu übernehmen)<br />
„Weil unsere Justiz zu wenig Geld, zu wenig Zeit und<br />
zu wenig Personal hat.“<br />
„Ich muss gestehen, dass es Urteile gibt, die ich selber<br />
nicht nachvollziehen kann.“<br />
„Wir Juristen müssen besser erklären, was wir da tun.“<br />
weise die Auflage an den Jugendlichen erteilt, ein Jahr lang den örtlichen<br />
Kinderspielplatz sauber zu halten und darauf zu achten, dass er nicht<br />
beschädigt wird. Das finde ich eine interessante Variante und ich glaube,<br />
dass da der Erziehungsgedanke stärker zur Geltung kommt als bei einer<br />
Verurteilung. Das ist ein Ansatz, den man bei kleineren Delikten auch in<br />
das Erwachsenenstrafrecht übertragen könnte. Wir müssen doch nicht<br />
den Täter wegen einer Sachbeschädigung unbedingt ins Gefängnis stecken.<br />
Wir können ihm eine Aufgabe zuteilwerden lassen, die sinnvoll ist.<br />
Wenn er die erfüllt, ist alles ok, dann bekommt er die Strafe erlassen,<br />
wie bei einer abgelaufenen Bewährung. Darüber sollten wir nachdenken.<br />
<strong>akzent</strong>: Der gegenseitige Respekt in der Gesellschaft geht verloren.<br />
Speziell auch gegenüber Frauen. Sehen Sie das auch so?<br />
Ingo Lenßen: Ja. Ich sehe das leider auch so. Das liegt an ganz vielen<br />
Dingen. Welche Werte werden denn heute im Elternhaus vermittelt?<br />
Das geht bei den einfachsten Umgangsformen los. Beim guten Benehmen.<br />
Bei der Freundlichkeit. Beim Umgang miteinander. Aber wenn<br />
wir unseren Jugendlichen keinen Respekt entgegenbringen, werden wir<br />
keinen Respekt erhalten. Jeder Einzelne muss hier Vorbild sein. Wir<br />
müssen unseren Kindern und Jugendlichen viel mehr Zeit widmen, Werte<br />
vermitteln. Darauf achten, mit welchen Informationen sie gefüttert<br />
werden. Die Kinder werden durch den Zugang zu den Medien viel früher<br />
an das Erwachsenenleben herangeführt, früher als Jugendliche vor<br />
20 Jahren, die als Zehn- bis Zwölfjährige draußen beim Fußballspielen<br />
waren. Allem voran über Smartphones bekommen Jugendliche Sachverhalte,<br />
Verhaltensweisen (Gewaltdarstellungen, Pornofilme) mit, die<br />
sie intellektuell und emotional überhaupt nicht nachvollziehen oder<br />
begreifen können.<br />
<strong>akzent</strong>: Was ist mit diesen erschreckenden Fällen, in denen 12-Jährige<br />
eine junge Frau vergewaltigt haben? Würde es abschrecken, wenn<br />
die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre runtergesetzt würde?<br />
Ingo Lenßen: Es ist erschreckend, was da gerade passiert. Es sind Anzeichen<br />
für eine Verrohung der Gesellschaft. Die Qualität der Gewalt<br />
ist eine andere geworden – die Gewaltbereitschaft ist gewachsen. Teils<br />
auch von Kindern begangen, die nicht strafmündig sind. Natürlich<br />
müssen wir uns darüber Gedanken machen, aber ich bezweifle, dass<br />
es der richtige Weg wäre, die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre runterzusetzen.<br />
Irgendwann kommt dann vielleicht noch der Ruf, die Strafmündigkeit<br />
auf zehn oder gar auf sieben Jahre runterzusetzen. Dann<br />
haben wir bald amerikanische Verhältnisse. Ich glaube, wir sind dazu<br />
da, unsere Kinder zu schützen. Gleichzeitig erleben wir nämlich im Jugendstrafrecht,<br />
dass die Delinquenz (die Anfälligkeit zur Straffälligkeit)<br />
der gefährdeten Jugendlichen eher abnimmt, je älter sie werden. Da<br />
spielt irgendwann die Vernunft eine Rolle, die Integration in den Arbeitsmarkt,<br />
die Orientierung gibt, und nicht zuletzt die erste Freundin<br />
oder der erste Freund, die einen guten Einfluss haben. Deshalb glaube<br />
ich, dass es wichtig ist, dass wir sehr vorsichtig mit dem Jugendstrafgesetz<br />
umgehen.<br />
<strong>akzent</strong>: Würden Sie jeden Straftäter verteidigen, egal, was er getan hat?<br />
Ingo Lenßen: Nein, ich vertrete zum Beispiel keine Sexualstraftäter. Es<br />
sei denn, sie sind geständig und es geht um eine reine Strafmaßverteidigung.<br />
Und ich vertrete niemanden aus der rechten Szene.<br />
<strong>akzent</strong>: Das ist eine gute Aussage …<br />
Ingo Lenßen: Weiß ich nicht. Es gibt Leute, die das nicht verstehen.<br />
Das stehe mir doch gar nicht zu. Jeder Mensch habe einen Verteidiger<br />
verdient. Da könne ich doch nicht sagen, ich vertrete den oder den<br />
nicht. Ich tue das aber. Bei der rechten Szene ist es recht einfach zu<br />
begründen, weil ich mit diesem Gedankengut nichts zu tun haben will.<br />
Da gibt es nichts zu rechtfertigen. Bei Sexualstraftaten ist es anders. Ich<br />
könnte da nicht gut verteidigen, da ich allein schon die notwendigen<br />
Fragen an das Opfer nicht stellen wollte.<br />
<strong>akzent</strong>: Und wie schaut es bei Mord aus?<br />
Ingo Lenßen: Zielt die Frage auf die mögliche moralische Verantwortung<br />
eines Verteidigers ab? Ich denke, jede Tat hat eine Entwicklungsgeschichte.<br />
Nehmen Sie einen Mann, der seit Jahren auf das Schlimmste<br />
von seiner Frau und deren Liebhaber erniedrigt und gedemütigt<br />
wird. Wenn der verzweifelt und daran zugrunde geht und irgendwann<br />
dem Liebhaber auflauert und ihn von hinten ersticht – dann ist das<br />
Mord. Aber glauben Sie, dass der keinen Verteidiger verdient hat? Zugegeben,<br />
das ist jetzt auf die Spitze getrieben. Aber im Ergebnis reizt<br />
mich jede Verteidigung, bei der es um einen Täter geht, dessen Tat ich<br />
nachvollziehen kann, was nicht bedeutet, dass ich sie gutheiße.<br />
<strong>akzent</strong>: Wer imponiert Ihnen?<br />
Ingo Lenßen: Menschen, die Verantwortung übernehmen.<br />
<strong>akzent</strong>: Was raten Sie einem jungen Juristen, wie er seinen Beruf heute<br />
angehen kann?<br />
Ingo Lenßen: Mit Empathie und Begeisterung. Es ist ein großartiger<br />
Beruf. Auch wenn es manchmal zäh ist. Dafür haben sie aber auch<br />
großartige Erfolgserlebnisse. Es gibt kaum etwas Schöneres, als zu<br />
einem Mandanten zu sagen, dass er wieder ruhig schlafen kann, weil<br />
wir eine Lösung gefunden haben.<br />
www.ingolenssen.de<br />
DAS INTERVIEW FÜHRTE: SUSI DONNER<br />
FOTOS: KATRIN ZEIDLER, SUSI DONNER<br />
STECKBRIEF<br />
Ingo Lenßen lebt und arbeitet in<br />
Bodmann-Ludwigshafen. Geboren<br />
in Krefeld, Studium der Rechtswissenschaften<br />
in Konstanz und<br />
Brasilien, Europarecht in Saarbrücken,<br />
seit 1997 Fachanwalt<br />
für Strafrecht, er ist verheiratet<br />
und hat einen jungen erwachsenen<br />
Sohn. Hobbys:<br />
Eishockey und Golf.