20.11.2019 Aufrufe

Die Kunst des Fermentierens (Leseprobe)

KOPP Verlag (Sandor Ellix Katz)

KOPP Verlag (Sandor Ellix Katz)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

| 14 Die Kunst des Fermentierens

wie es gemacht wird, aber viel wichtiger ist, dass es einem sagt, was es zu bedeuten

hat und warum etwas so Alltägliches und Praktisches, wie sein eigenes

Sauerkraut herzustellen, nicht weniger ist als eine Art, sich mit der Welt zu verbinden.

Oder besser gesagt, mit verschiedenen, ineinander verschachtelten Welten:

mit der unsichtbaren Welt der Pilze und Bakterien, der Gemeinschaft, in der

man lebt, und dem industriellen Nahrungsmittelsystem, das die Gesundheit

unseres Körpers und unseres Bodens schwächt.

Das Ganze wirkt vielleicht wie eine einzige große Forderung nach einem

Fass Sauerkraut, doch Sandor Katz’ eigentliche Leistung in diesem Buch ist es,

die Leser von der Wahrheit dahinter zu überzeugen. Sein eigenes Essen zu fermentieren

ist eine Art beredter Protest der Sinne gegen die Homogenisierung

von Geschmacks- und Essenserlebnissen, die sich heute wie ein großer, einheitlicher

Rasen über den Globus ausbreitet. Es ist auch eine Unabhängigkeitserklärung

gegenüber einer Ökonomie, die uns gern als passive Konsumenten

ihrer Waren sähe statt als Erschaffer unverwechselbarer eigener Produkte und

der Orte, an denen wir leben. Weil Ihr Sauerkraut oder Selbstgebrautes nicht

mit dem meinen oder dem von irgendjemand anderem vergleichbar ist.

Die Koreaner, die eine Ahnung von Fermentierung haben, unterscheiden zwischen

»Zungen geschmack« und »Handgeschmack«. Zungengeschmack entsteht,

wenn Moleküle mit Geschmacksknospen in Kontakt treten – die Art einfacher

Aromen, die jeder Lebensmitteltechniker oder -fabrikant produzieren kann.

Handgeschmack ist das weit komplexere Erlebnis eines Lebensmittels, das die

unvergleichliche Note – die Sorgfalt, zuweilen sogar Liebe – der Person trägt, die

es hergestellt hat. Das Sauerkraut, das Sie selbst produzieren, hat Handgeschmack.

Und Sie werden genug davon übrig haben, um es weiterzugeben; glauben Sie

mir. Einer der schönsten Aspekte der eigenen Fermentierung ist es, die Produkte

mit anderen zu teilen, ganz unabhängig von der Cash-Ökonomie. Ich tausche

inzwischen Bier und Met mit anderen Heimbrauern und habe teil an einem beständigen

Tauschhandel: Weckgläser voller Sauerkraut verlassen mein Haus, dafür

bekomme ich Gläser voller kimchi oder eingelegtes Gemüse. Befasst man sich

mit der Welt fermentierter Lebensmittel, tritt man in die Gemeinschaft der »Fermentos«

ein, eines überaus interessanten, exzentrischen und großzügigen Menschenschlags.

Aber Die Kunst des Fermentierens dient auch einer ganz anderen Gemeinschaft

als Pass oder Visum: der unsichtbaren Gemeinschaft der Pilze und

Bakterien, die überall um uns herum und in uns drinnen sind. Wenn hinter

diesem Buch eine bestimmte Absicht steht (und natürlich ist das der Fall), dann

die, unsere Verbindung mit dem, was die Biologin Lynn Margulis den »Mikrokosmos«

nannte, neu zu bewerten. Seit Louis Pasteur vor über einem Jahrhundert

entdeckte, dass Mikroben eine wichtige Rolle bei Krankheiten spielen,

befinden sich die meisten von uns in einem von Angst begründeten Krieg

gegen Bakterien. Wir verabreichen unseren Kindern Antibiotika, halten sie von

Mikroben so weit wie möglich fern und halten ihre Welt so gut es geht hygie-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!