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19<br />
Als gäb’s kein<br />
Morgen mehr:<br />
Charlotte Ritter<br />
nutzt, wie viele<br />
Zeitgenossen,<br />
jede Gelegenheit,<br />
ihrem Alltag<br />
zu entfliehen –<br />
Szene aus der<br />
ersten Staffel.<br />
leicht das Wichtigste.<br />
In Ihrer Branche gibt<br />
es<br />
die Gemeinheit, dass<br />
Schauspieler anders<br />
wahrgenommen wer-<br />
den, wenn sie keinen<br />
Erfolg haben.<br />
So etwas ist superge-<br />
auch passieren. Des-<br />
wegen noch einmal<br />
zum Thema<br />
„Angst vor der Zu-<br />
mein. Das kann mirja<br />
kunft“: Wovor ich<br />
keine Angst habe,<br />
ist, falls ich ir-<br />
mehr Schau-<br />
spielerin sein<br />
sollte. Davor ha-<br />
gendwann nicht<br />
be ich keine<br />
Angst. Das wä-<br />
dann finde ich was<br />
anderes.<br />
re auch okay,<br />
Legen Sie beim Drehen alles<br />
Private auf Eis?<br />
Bei „Babylon“ ist es speziell,<br />
weil wir so lange arbeiten.<br />
Auch dadurch, dass wir<br />
in<br />
Berlin drehen. Dann<br />
muss ich schon hin und<br />
wieder mal meine<br />
Wäsche waschen,<br />
das geht nicht ein<br />
halbes Jahr ohne.<br />
Ich find’s aber toll,<br />
wenn man woan-<br />
sich<br />
ders dreht und komplett darauf<br />
Zwei Frauen,<br />
die wissen,<br />
wassie wollen:<br />
Vera (CaroCult)<br />
und Charlotte –<br />
Szene aus der<br />
dritten Staffel.<br />
konzentrieren kann. Da ist bei<br />
mir gleichzeitig aber auch wieder<br />
die Gefahr groß, dass ich mich zu<br />
sehrreinbegebe. Ich habe mal in<br />
München und der Schweiz gedreht,<br />
und da habe ich mich total<br />
abgekapselt. Damals telefonierte<br />
ich nicht mal mehr mit meiner<br />
Agentin.Grundsätzlich ist meine<br />
Arbeit immer mit Schwierigkeiten<br />
fürs Privatleben verbunden.<br />
Du kannst dir sicher sein, wenn<br />
du dich für 20 Uhr verabredest,<br />
dass dubis 22 Uhr drehst. Oder<br />
wenndusagst: Bitte,andem Tag<br />
feiert meine Oma 80. Geburtstag,<br />
dasist dereinzige Tag infünfMonaten,<br />
an dem ich frei haben<br />
möchte –dann kannst du davon<br />
ausgehen, dass dasauf gar keinen<br />
Fallandiesem einen Tag geht.<br />
Das kennen viele.<br />
Ich habe in meinemletzten Interview<br />
über einen Traum geredet:<br />
Ich fände es toll, wenn man<br />
mal nicht über Sprachekommuniziert.<br />
Ein Beispiel: Ich bin ein<br />
großer Tanz-Fan –Ausdruckstanz<br />
und Contemporary. Ich habe<br />
folglich einen Tanzworkshop<br />
gemacht, und nachdem wir alle<br />
getanzt hatten, fragte uns die Leiterin,<br />
ob sie uns das vortanzen<br />
dürfe, was sie beim Zusehen<br />
empfunden hatte. Das muss man<br />
natürlich auch können. Keine<br />
Ahnung, ob ich meineGefühle so<br />
ausdrücken könnte.<br />
Sie können uns das Interview<br />
ja noch mal getanzt geben…<br />
(Lacht.) Wahrscheinlichwürde<br />
das sogar gehen.<br />
Gehen Siedenn abends feiern?<br />
Nee! Ich war gestern mal im<br />
Café Cinema neben den Hackeschen<br />
Höfen, da war ich lange<br />
nicht mehr, war eigentlich ganz<br />
schön. Aber irgendwann wurde<br />
es mir dann viel zu laut und anstrengend.<br />
Irgendwann dachte<br />
ich, warum muss ich mich jetzt<br />
mit der Freundin anschreien,<br />
wennman sich auch unterhalten<br />
könnte? Über Dinge, die uns was<br />
bedeuten. Ich habe dann Bauchschmerzenbekommen.<br />
Das kriege<br />
ich immer, wenn miretwas zu<br />
viel wird, dann reagiert mein<br />
Körper darauf. Ich muss so eine<br />
Situation dann am besten baldigst<br />
ändern. Ich suche immer<br />
mehr bei mir selbst, und tanzen<br />
kannich auchbei mirzuHause,<br />
dafür muss ich nicht ausgehen.<br />
Andererseits, wenn ich lange in<br />
der Ruhe bin, kommt es auch vor,<br />
dass ich wieder inder Stadt bin<br />
und denke: Och, wäre jetzt cool<br />
Wäre cool,<br />
mal wieder<br />
in einen<br />
Club zu<br />
gehen.<br />
mal wieder in einen Club zu gehen.<br />
Ich frage mich dann oft:<br />
Liegt das vielleicht daran, dass<br />
man es gar nicht aushält auf der<br />
Welt undnur mit sich zu sein? Ist<br />
es vielleicht notwendig, dass man<br />
sichablenkt, zum Beispiel mit Alkohol?<br />
Aber esmüssen ja auch<br />
noch nichtmal Rauschgifte sein,<br />
es kann ja auch der Rausch der<br />
ständigen Beschäftigung mit etwas<br />
sein. Einfach mal hier sitzen<br />
zu bleiben, ist schwer.<br />
Halten Sie sich für einen Digital<br />
Native?<br />
Jein,<br />
ich kenne<br />
schon noch<br />
dieses Modem-<br />
Rauschen. Ich merke<br />
den Unterschied<br />
besonders, wenn ich<br />
jüngereLeute treffe. Die<br />
können noch einen Tick<br />
schneller bei Problemen<br />
helfen und blitzschnell sagen,<br />
wie was funktioniert.Da<br />
komme ich mir manchmal vor<br />
wie Oma.<br />
Aber lesen Sie Zeitungen digital<br />
oder gedruckt?<br />
Ich sehe mich irgendwo zwischen<br />
digital und analog. Auch,<br />
was mein Bedürfnis angeht. Ein<br />
weiteres Beispiel: Ich habe ein<br />
Smartphone, ich habe aber auch<br />
so einen kleinen Knochen, mit<br />
dem ich telefoniere. Mit dem<br />
Smartphone schreibe ich Mails<br />
und surfe im Internet. Wissen Sie<br />
was? Cool finde ich Omas, die<br />
sichinteressieren und mit denen<br />
man diskutieren kann, die nicht<br />
gleich sagen: Früher war alles<br />
besser.<br />
Im Zweifel kann man von der<br />
Techniklernen.<br />
Ja, und die Faszination hat ja<br />
auch inden 20ern so richtig an<br />
Fahrtaufgenommen.Dasistjatotal<br />
interessant, dass der Mensch<br />
fasziniertist von Maschinen.<br />
Faszinierend ist auch eine gewisse<br />
Ähnlichkeit mit den<br />
Thalbachs. Ist Ihre Familie<br />
entfernt mit denen verwandt?<br />
Interessante Frage, habe ich<br />
noch nie gedacht, empfinde aber<br />
eine Nähe.<br />
Wo sind Ihre Eltern groß geworden?<br />
Im Ostteil oder im<br />
Westteil Berlins?<br />
Im Ostteil. Meine Eltern sind<br />
dann zur See gefahren, die waren<br />
Matrose und Stewardess auf einem<br />
Schiff, und so habendie sich<br />
auchkennengelernt.<br />
Mit einemPassagierdampfer?<br />
Nein, mit der Handelsmarine.<br />
Deswegen sind auch Sie nicht<br />
so sesshaft.<br />
Vielleicht. Habe ich michauch<br />
schon mal gefragt, obich so ein<br />
Boots-oder Schiffsgen habe.<br />
Und wohin geht’s als Nächstes?<br />
Ich mache jetzt mit Detlev<br />
Buck „Die Bekenntnisse des<br />
Hochstaplers Felix Krull“ von<br />
Thomas Mann. Daniel Kehlmann<br />
hat das Drehbuch geschrieben.<br />
Und da habeich gerade<br />
erfahren, dass ich auch noch<br />
einen Drehtag in Lissabon haben<br />
werde. Darüber habe ich mich<br />
sehrgefreut.<br />
Das Interview führten<br />
Karim Mahmoud und<br />
Anne-Kattrin Palmer.