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Berliner Kurier 19.01.2020

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19<br />

Als gäb’s kein<br />

Morgen mehr:<br />

Charlotte Ritter<br />

nutzt, wie viele<br />

Zeitgenossen,<br />

jede Gelegenheit,<br />

ihrem Alltag<br />

zu entfliehen –<br />

Szene aus der<br />

ersten Staffel.<br />

leicht das Wichtigste.<br />

In Ihrer Branche gibt<br />

es<br />

die Gemeinheit, dass<br />

Schauspieler anders<br />

wahrgenommen wer-<br />

den, wenn sie keinen<br />

Erfolg haben.<br />

So etwas ist superge-<br />

auch passieren. Des-<br />

wegen noch einmal<br />

zum Thema<br />

„Angst vor der Zu-<br />

mein. Das kann mirja<br />

kunft“: Wovor ich<br />

keine Angst habe,<br />

ist, falls ich ir-<br />

mehr Schau-<br />

spielerin sein<br />

sollte. Davor ha-<br />

gendwann nicht<br />

be ich keine<br />

Angst. Das wä-<br />

dann finde ich was<br />

anderes.<br />

re auch okay,<br />

Legen Sie beim Drehen alles<br />

Private auf Eis?<br />

Bei „Babylon“ ist es speziell,<br />

weil wir so lange arbeiten.<br />

Auch dadurch, dass wir<br />

in<br />

Berlin drehen. Dann<br />

muss ich schon hin und<br />

wieder mal meine<br />

Wäsche waschen,<br />

das geht nicht ein<br />

halbes Jahr ohne.<br />

Ich find’s aber toll,<br />

wenn man woan-<br />

sich<br />

ders dreht und komplett darauf<br />

Zwei Frauen,<br />

die wissen,<br />

wassie wollen:<br />

Vera (CaroCult)<br />

und Charlotte –<br />

Szene aus der<br />

dritten Staffel.<br />

konzentrieren kann. Da ist bei<br />

mir gleichzeitig aber auch wieder<br />

die Gefahr groß, dass ich mich zu<br />

sehrreinbegebe. Ich habe mal in<br />

München und der Schweiz gedreht,<br />

und da habe ich mich total<br />

abgekapselt. Damals telefonierte<br />

ich nicht mal mehr mit meiner<br />

Agentin.Grundsätzlich ist meine<br />

Arbeit immer mit Schwierigkeiten<br />

fürs Privatleben verbunden.<br />

Du kannst dir sicher sein, wenn<br />

du dich für 20 Uhr verabredest,<br />

dass dubis 22 Uhr drehst. Oder<br />

wenndusagst: Bitte,andem Tag<br />

feiert meine Oma 80. Geburtstag,<br />

dasist dereinzige Tag infünfMonaten,<br />

an dem ich frei haben<br />

möchte –dann kannst du davon<br />

ausgehen, dass dasauf gar keinen<br />

Fallandiesem einen Tag geht.<br />

Das kennen viele.<br />

Ich habe in meinemletzten Interview<br />

über einen Traum geredet:<br />

Ich fände es toll, wenn man<br />

mal nicht über Sprachekommuniziert.<br />

Ein Beispiel: Ich bin ein<br />

großer Tanz-Fan –Ausdruckstanz<br />

und Contemporary. Ich habe<br />

folglich einen Tanzworkshop<br />

gemacht, und nachdem wir alle<br />

getanzt hatten, fragte uns die Leiterin,<br />

ob sie uns das vortanzen<br />

dürfe, was sie beim Zusehen<br />

empfunden hatte. Das muss man<br />

natürlich auch können. Keine<br />

Ahnung, ob ich meineGefühle so<br />

ausdrücken könnte.<br />

Sie können uns das Interview<br />

ja noch mal getanzt geben…<br />

(Lacht.) Wahrscheinlichwürde<br />

das sogar gehen.<br />

Gehen Siedenn abends feiern?<br />

Nee! Ich war gestern mal im<br />

Café Cinema neben den Hackeschen<br />

Höfen, da war ich lange<br />

nicht mehr, war eigentlich ganz<br />

schön. Aber irgendwann wurde<br />

es mir dann viel zu laut und anstrengend.<br />

Irgendwann dachte<br />

ich, warum muss ich mich jetzt<br />

mit der Freundin anschreien,<br />

wennman sich auch unterhalten<br />

könnte? Über Dinge, die uns was<br />

bedeuten. Ich habe dann Bauchschmerzenbekommen.<br />

Das kriege<br />

ich immer, wenn miretwas zu<br />

viel wird, dann reagiert mein<br />

Körper darauf. Ich muss so eine<br />

Situation dann am besten baldigst<br />

ändern. Ich suche immer<br />

mehr bei mir selbst, und tanzen<br />

kannich auchbei mirzuHause,<br />

dafür muss ich nicht ausgehen.<br />

Andererseits, wenn ich lange in<br />

der Ruhe bin, kommt es auch vor,<br />

dass ich wieder inder Stadt bin<br />

und denke: Och, wäre jetzt cool<br />

Wäre cool,<br />

mal wieder<br />

in einen<br />

Club zu<br />

gehen.<br />

mal wieder in einen Club zu gehen.<br />

Ich frage mich dann oft:<br />

Liegt das vielleicht daran, dass<br />

man es gar nicht aushält auf der<br />

Welt undnur mit sich zu sein? Ist<br />

es vielleicht notwendig, dass man<br />

sichablenkt, zum Beispiel mit Alkohol?<br />

Aber esmüssen ja auch<br />

noch nichtmal Rauschgifte sein,<br />

es kann ja auch der Rausch der<br />

ständigen Beschäftigung mit etwas<br />

sein. Einfach mal hier sitzen<br />

zu bleiben, ist schwer.<br />

Halten Sie sich für einen Digital<br />

Native?<br />

Jein,<br />

ich kenne<br />

schon noch<br />

dieses Modem-<br />

Rauschen. Ich merke<br />

den Unterschied<br />

besonders, wenn ich<br />

jüngereLeute treffe. Die<br />

können noch einen Tick<br />

schneller bei Problemen<br />

helfen und blitzschnell sagen,<br />

wie was funktioniert.Da<br />

komme ich mir manchmal vor<br />

wie Oma.<br />

Aber lesen Sie Zeitungen digital<br />

oder gedruckt?<br />

Ich sehe mich irgendwo zwischen<br />

digital und analog. Auch,<br />

was mein Bedürfnis angeht. Ein<br />

weiteres Beispiel: Ich habe ein<br />

Smartphone, ich habe aber auch<br />

so einen kleinen Knochen, mit<br />

dem ich telefoniere. Mit dem<br />

Smartphone schreibe ich Mails<br />

und surfe im Internet. Wissen Sie<br />

was? Cool finde ich Omas, die<br />

sichinteressieren und mit denen<br />

man diskutieren kann, die nicht<br />

gleich sagen: Früher war alles<br />

besser.<br />

Im Zweifel kann man von der<br />

Techniklernen.<br />

Ja, und die Faszination hat ja<br />

auch inden 20ern so richtig an<br />

Fahrtaufgenommen.Dasistjatotal<br />

interessant, dass der Mensch<br />

fasziniertist von Maschinen.<br />

Faszinierend ist auch eine gewisse<br />

Ähnlichkeit mit den<br />

Thalbachs. Ist Ihre Familie<br />

entfernt mit denen verwandt?<br />

Interessante Frage, habe ich<br />

noch nie gedacht, empfinde aber<br />

eine Nähe.<br />

Wo sind Ihre Eltern groß geworden?<br />

Im Ostteil oder im<br />

Westteil Berlins?<br />

Im Ostteil. Meine Eltern sind<br />

dann zur See gefahren, die waren<br />

Matrose und Stewardess auf einem<br />

Schiff, und so habendie sich<br />

auchkennengelernt.<br />

Mit einemPassagierdampfer?<br />

Nein, mit der Handelsmarine.<br />

Deswegen sind auch Sie nicht<br />

so sesshaft.<br />

Vielleicht. Habe ich michauch<br />

schon mal gefragt, obich so ein<br />

Boots-oder Schiffsgen habe.<br />

Und wohin geht’s als Nächstes?<br />

Ich mache jetzt mit Detlev<br />

Buck „Die Bekenntnisse des<br />

Hochstaplers Felix Krull“ von<br />

Thomas Mann. Daniel Kehlmann<br />

hat das Drehbuch geschrieben.<br />

Und da habeich gerade<br />

erfahren, dass ich auch noch<br />

einen Drehtag in Lissabon haben<br />

werde. Darüber habe ich mich<br />

sehrgefreut.<br />

Das Interview führten<br />

Karim Mahmoud und<br />

Anne-Kattrin Palmer.

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