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Berliner Kurier 28.01.2020

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12 BERLIN BERLINER KURIER, Dienstag, 28. Januar 2020<br />

Rammstein-Musiker<br />

Christian „Flake“ Lorenz<br />

nimmt kein Blatt vorden<br />

Mund.<br />

Rammstein-Keyboarder Flake<br />

„DieWiedervereinigung<br />

wareine Sauerei“<br />

Noch heute macht ihn wütend, wie die DDR abgewickelt wurde<br />

Von<br />

MIKE WILMS<br />

Berlin – Die Band Rammstein<br />

provoziert, wo sie nur kann.<br />

Ihr Keyboarder Christian<br />

„Flake“ Lorenz (53) wettert<br />

jetzt mit scharfen Worten<br />

gegen die deutsche Wiedervereinigung.<br />

Er geht so weit,<br />

sie „eine Sauerei“ zu nennen.<br />

Der Osten sei damals über<br />

den Tisch gezogen worden.<br />

Damit spricht Flake vielen<br />

Ostdeutschen aus dem Herzen.<br />

Wahr ist aber auch, dass<br />

seine Band ohne Wende nicht<br />

reich und berühmt wäre.<br />

Die Ost-<strong>Berliner</strong> Weltstars gehen<br />

im Mai auf Stadion-Tour<br />

durch Europa und die USA. Nur<br />

ein Land, das Keyboarder Flake<br />

ganz offenbar vermisst, können<br />

sie dabei nicht besuchen –die<br />

DDR. Schön öfter hat Flake seine<br />

Anerkennung für den Arbeiter-und-Bauern-Staat<br />

zum<br />

Ausdruck gebracht. So sagte er<br />

im Mai 2018: „Wir haben es mit<br />

ganz kleinen Tricks geschafft,<br />

ein wunderbares Leben zu führen<br />

und das System weitgehend<br />

zu ignorieren.“ Er und seine<br />

Punk-Clique hätten sich „unauffällig<br />

bewegt und so eine<br />

Freiheit genossen, die es im<br />

Westen schon aus wirtschaftlichen<br />

Gründen gar nicht gibt“.<br />

Noch einen Schritt weiter<br />

geht Flake, der in der DDR eine<br />

Lehre als Werkzeugmacher absolvierte,<br />

jetzt in seiner Abrechnung<br />

mit der Wiedervereinigung:<br />

„Wir wurden als unnützes<br />

Land angegliedert, ganze<br />

Biografien für wertlos erklärt,<br />

Firmen geschlossen, damit sich<br />

die Westfirmen breitmachen<br />

Jubelnde Menschen<br />

sitzen 1989 auf der<br />

Mauer und freuen sich<br />

über die Wende.<br />

Fotos: Fischer Verlag, dpa<br />

konnten“, sagt Flake der österreichischen<br />

Zeitung „Der Standard“.<br />

Die ehemaligen DDR-<br />

Bürger seien ab 1990 „so sehr<br />

zurückgesetzt worden, dass<br />

sich ein Groll und eine Enttäuschung<br />

aufgebaut haben, die bis<br />

jetzt anhalten“. Rückblickend<br />

könne er nur zu einem Ergebnis<br />

kommen: „Im Großen und Ganzen<br />

war die Wiedervereinigung<br />

in dieser Form eine Sauerei.“<br />

Das bedeutet nun nicht, dass<br />

Flake der Wende 1989 so gar<br />

nichts Gutes abgewinnen kann.<br />

Er sagt: „Wende und Wiedervereinigung<br />

muss man trennen.<br />

Die Wende habe ich als damaliger<br />

Punk miterlebt. Das verknöcherte,<br />

alte Betonkopfgerüst<br />

des DDR-Politbüros war ja<br />

auch unser Feind.“ Doch in der<br />

Zeit danach sei einiges schiefgelaufen.<br />

Die Menschen seien<br />

enttäuscht, weil sich viele Versprechungen<br />

nicht erfüllt hätten.<br />

Das treibe heute Wähler<br />

zur AfD: „Ich persönlich kann<br />

nicht nachvollziehen, wie man<br />

AfD wählen kann. Aber die, die<br />

es tun, machen es zum Großteil<br />

aus Protest gegen die etablierten<br />

Parteien“, sagte Flake im<br />

Interview mit dem „Standard“.<br />

Auch zur Debatte um den Begriff<br />

„Unrechtsstaat DDR“ hat<br />

er eine Meinung: Man dürfe<br />

nicht pauschal sagen, dass der<br />

ganze Staat schlecht war. Aber:<br />

„Ich kann verstehen, wenn das<br />

Leute sagen, die das so erlebt<br />

und darunter gelitten haben.“<br />

Auf der Bühne ist der<br />

gebürtige Ost-<strong>Berliner</strong><br />

Flakefür die Keyboards<br />

zuständig.

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