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gab Februar 2020

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8 FRANKFURT<br />

„ Es hat sich eine gute Diskussionskultur<br />

entwickelt, auch<br />

wenn es manchmal laut und<br />

leidenschaftlich zugeht.<br />

“<br />

ALTERNATIVE<br />

ALTENARBEIT<br />

FOTO: BJÖ<br />

Michael Holy (links) und Rainer Legorreta vom Café Karussell<br />

CAFÉ KARUSSELL:<br />

MEHR ALS BLOSS EIN KAFFEEKRÄNZCHEN<br />

Seit über zehn Jahren gibt es in Frankfurt das Café Karussell, den Treffpunkt für Schwule ab 60 Jahren, der am ersten und<br />

dritten Dienstagnachmittag des Monats zwischen 14:30 und 18 Uhr im Switchboard stattfindet. Das Projekt, das vom<br />

Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenpflege, der AIDS-Hilfe Frankfurt und 40plus initiiert wurde, hatte von Anfang<br />

an neue Wege in der Altenarbeit eingeschlagen; maßgeblich daran beteiligt ist Michael Holy, der das monatliche Programm<br />

zusammenstellt. Ebenfalls von Anfang an dabei ist Rainer Legorreta der sich um den Service mit Kaffee und Kuchen, aber auch<br />

um das Feedback durch die Gäste kümmert. Wir haben die beiden Macher des Café Karussell zum Interview getroffen.<br />

Michael, du kümmerst dich um das<br />

Programm der beiden monatlichen<br />

Café Karussell-Termine. Was ist dir<br />

dabei wichtig?<br />

MICHAEL: Ich war zu Beginn in der Tat<br />

etwas zögerlich das Projekt zu übernehmen,<br />

weil ich nicht eine herkömmliche<br />

Altenarbeit machen wollte, also nur<br />

Kaffee und Kuchen reichen und vielleicht<br />

noch eine nette Kurzgeschichte dazu<br />

lesen, und das war’s dann. Ich glaube<br />

vielmehr, dass wir älteren Schwulen<br />

Interesse an allem haben, was in der Welt<br />

passiert. Ich bin ja selber auch nicht viel<br />

jünger als meine Gäste. Meine Grundidee<br />

war: „Die Welt in den Altenclub holen“. Ich<br />

mache mir immer wieder Gedanken, was<br />

ältere Menschen im wahrsten Sinne des<br />

Wortes reizen könnte. Und „reizen“ heißt<br />

dabei auch, die Gäste zum Widerspruch<br />

„zu reizen“. Ich hatte vor kurzem aus dem<br />

Buch „Tabuzonen lesbischer Sexualität“<br />

von Andrea Thamm ein paar Auszüge<br />

referiert, weil ich der Meinung war,<br />

dass wir Schwulen uns zu wenig damit<br />

auseinandersetzen, wie lesbische Frauen<br />

Beziehungen und Sexualität erleben. Das<br />

löste zunächst die ablehnende Frage aus:<br />

„Muss uns das interessieren?“, im Verlauf<br />

der Diskussion änderte sich das aber doch<br />

ein wenig, und es wurde ein interessanter<br />

Nachmittag ...<br />

Aber es gibt natürlich auch andere, eher<br />

schwulenspezifische Themen, zum<br />

Beispiel den Film von Rosa von Praunheim<br />

„Meine Mütter“, der meiner Meinung nach<br />

einer seiner besten Filme ist. Ich wollte<br />

damit dazu anregen, über die Beziehung<br />

zu unseren Müttern nachzudenken.<br />

Seit einiger Zeit stelle ich die beiden<br />

Monatstreffen gerne unter ein gemeinsames<br />

Motto. Das hat sich als sehr nützlich<br />

erwiesen, weil man auf diese Weise ein<br />

Thema von zwei Seiten beleuchten kann.<br />

Gab oder gibt es Vorbilder für das<br />

Café Karussell?<br />

MICHAEL: Nein, eigentlich nicht. Ganz<br />

im Gegenteil, andere Altenclubs wundern<br />

sich, worüber man alles reden kann. Die<br />

„Golden Gays“ aus Köln, die kürzlich bei<br />

uns zu Gast waren, organisieren fast nur<br />

Ausflüge und sind der Ansicht, dass ältere<br />

Schwule nicht gerne diskutieren. Die<br />

meinten zum Beispiel, die Finanzkrise sei<br />

eigentlich kein Thema für einen Altenclub,<br />

obwohl die weltweite Überschuldung sehr<br />

wohl auch die finanzielle Lage der Alten in<br />

Deutschland unmittelbar berührt. Unsere<br />

Erfahrung im „Karussell“ hat gezeigt, dass<br />

auch über solche Themen gerne diskutiert<br />

wird, vorausgesetzt, man stellt einen Bezug<br />

zur Realität der Alten her. Es hat sich<br />

eine gute Diskussionskultur entwickelt,

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