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Berliner Zeitung 04.02.2020

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 29 · D ienstag, 4. Februar 2020 – S eite 7 *<br />

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Berlin<br />

Estrel-Betreiber<br />

bauen den höchsten<br />

Hotelturm<br />

Seite 10<br />

Verlorenes Refugium: Wiesich die Kreuzberger Bockbrauerei verändert Seiten 8und 9<br />

Gewonnene Zeit: Warum Grüne Wellen den Rad- und Autofahrern nutzen Seite 10<br />

Stadtbild<br />

Auf der Matte<br />

im Museum<br />

Susanne Dübber<br />

sah Ausstellungsstücke<br />

aus yogischer Prespektive.<br />

Wer glaubt, dass Sport treiben<br />

und Museen besuchen, zwei<br />

verschiedene Dinge sind, der irrt.<br />

Warich doch neulich in der Bauhaus<br />

-Ausstellung der Berlinischen Galerieund<br />

betrieb dortechtes Yoga. Die<br />

Kombination liegt im Trend.<br />

Als ich den Termin auf der Internetseite<br />

des Museums entdeckte,<br />

war ich überrascht –und inspiriert.<br />

Also rein in die Leggins und abends<br />

um 18 Uhr los mit der Matte ins<br />

Kreuzberger Museum. Dort fand<br />

nach Schließung die einstündige<br />

Sonderführung mit Kuratorin Nina<br />

Wiedemeyer nur für uns Yogis statt.<br />

Wie bei der Körpertechnik gab es<br />

auch im Bauhaus Schüler (etwa<br />

1200) und Lehrer (300 bis 400), erzählt<br />

sie. Der Morgengruß war beim<br />

Vorkurs, der obligatorischen einjährigen<br />

Vorbereitung für die Bauhaus-<br />

Studierenden, ebenso obligatorisch<br />

wie Atemübungen und Gymnastik.<br />

Yoga-Lehrerin Christiane Friedrich<br />

stimmt uns auf die Asanas mit<br />

Erinnerungen ein: „Auf dem Dach<br />

des Bauhauses in Dessau praktizierten<br />

Schülerinnen und Schüler vor<br />

hundert Jahren morgens vor dem<br />

Unterricht gemeinsam, begaben<br />

sich in den Schulterstand.“ So körperlich<br />

gekräftigt waren sie bestens<br />

vorbereitet und im Kopf geöffnet für<br />

neue Abenteuer, anderes Erleben,<br />

künstlerische Arbeit. Nina Wiedemeyer<br />

erklärt, dass der Vorkurs wie<br />

Yoga sehr auf Wiederholung und Erfahrung<br />

aufbaut. „Das eröffnet einen<br />

großen Spielraum.“<br />

Bauhaus-Lehrer Johannes Itten<br />

forderte, den eigenen Atem aufzuzeichnen.<br />

Solch ein zierlich in runden<br />

Bleistiftlinien gezogenes „Gefühlsstenogramm“<br />

mit wolkenartiger<br />

Ballung betrachtete ich fasziniert<br />

an den Museumswand. 14 Tage vorher,<br />

beim ersten Besuch, stand ich<br />

dort bereits, damals aber nicht in so<br />

beschwingter Stimmung. Die Dinge<br />

lassen sich auch anders betrachten!<br />

Nach der Führung breiteten wir<br />

im Nebensaal die Matten aus. Bei<br />

90 Minuten Konzentrations- und<br />

Atemübungen kräftigte uns die neue<br />

Kunsterfahrung intensiv.<br />

Auch zu der Ausstellung mit Fotos<br />

des Fotografen Umbo, die ab 21. Februar<br />

zu sehen ist, finden wieder<br />

Führungen mit anschließendem<br />

Yoga statt –nämlich am 19. Märzund<br />

14. Mai, die Teilnahme kostet<br />

16 Euro.ImMuseum Barberini Potsdam<br />

gibt es ebenso Yoga-Sessions,<br />

die nächsten im Rahmen der Ausstellung<br />

„Monet. Orte“ am 1. und am<br />

29. Märzsowie am 3. Mai.<br />

Das Obdachlosen-Camp an der Rummelsburger Bucht befindet sich in der Nähe des Bahnhofes Ostkreuz. Etwa60Menschen leben dortinZelten und Hütten. CAMCOP MEDIA/ANREAS KLUG<br />

Elend in der Bucht<br />

Etwa 60 Obdachlose leben in Rummelsburg unterunwürdigen Bedingungen–bald wird auf demAreal gebaut<br />

VonNorbertKoch-Klaucke<br />

Berlin zieht Menschen aus<br />

aller Welt an, die in diese<br />

Stadt kommen, um zu arbeiten<br />

oder um „Party zu<br />

machen“. Berlin ist eine Metropole<br />

des Wohlstandes und des Feierns –<br />

doch auch im 21. Jahrhundert ist es<br />

eine Stadt großer Armut. Für alle<br />

sichtbar leben mitten im Stadtgebiet<br />

viele Männer und Frauen unter teilweise<br />

menschenunwürdigen Bedingungen.<br />

Ein Beispiel dafür ist ein<br />

Camp an der Rummelsburger Bucht.<br />

Die Brache ist Anziehungspunkt<br />

der Gestrandeten dieser Gesellschaft.<br />

Obdachlose aus ganz<br />

Deutschlands findet man dort, aber<br />

auch Polen, Rumänen und Bulgaren.<br />

In Zelten oder in notdürftig gezimmerten<br />

Hütten leben sie zwischen<br />

Schutt und Müll. Es liegen Holzpaletten,<br />

Matratzen und Essensreste<br />

herum. Die hygienischen Zustände<br />

seien katastrophal, es gab Rattenplagen,<br />

berichtet Lutz Müller-Bohlen,<br />

Sozialarbeiter vom Verein Karuna,<br />

der sich um die Camp-Bewohner<br />

kümmert. „Seit einem Jahr ist nichts<br />

mehr passiert, um die Situation hier<br />

wirklich zu verbessern“, sagt er.<br />

Das Camp gleicht Elendsvierteln,<br />

die man sonst nur aus Berichten aus<br />

den ärmsten Ländern dieser Welt<br />

kennt. Strom und fließend Wasser<br />

fehlen an kaum einem OrtinBerlin –<br />

in dem Rummelsburger Camp scheinen<br />

sie wie ein ferner Traum.<br />

Als die <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> am Sonntag<br />

vor Ort war, herrschte Ruhe auf<br />

dem Areal. NurJogger drehten in der<br />

Nähe ihreRunde.Sie ignorierten die<br />

Zelte,liefen teilnahmslos weiter.<br />

Dabei kann man das Elend auf<br />

dem Gelände nicht nur sehen, sondern<br />

bis weit in die benachbarten<br />

Wohngegenden riechen – den Geruch<br />

von verbranntem nassen Holz.<br />

Man sieht Ofenrohre anHütten und<br />

Zelten, aus denen Rauch steigt.<br />

Beim Thema Obdachlosigkeit<br />

sehe man nicht weg, auch nicht bei<br />

dem Camp in Rummelsburg, heißt<br />

es im Bezirksamt Lichtenberg und<br />

bei derVerwaltung vonSozialsenatorin<br />

Elke Breitenbach (Linke). Seit<br />

Jahren würden sich Sozialarbeiter<br />

um die Betroffenen kümmern, sie<br />

bei Ämtergängen oder bei der Suche<br />

nach einer Notunterkunft unterstützen.<br />

„Es gibt genug Hilfsangebote“,<br />

wird erklärt. „Nur werden diese von<br />

den Betroffenen oft nicht angenommen.“<br />

Etwa, weil in den Unterkünften<br />

kein Alkohol erlaubt sei.<br />

„Die hygienischen Zustände sind katastrophal.<br />

Seit einem Jahr ist nichts mehr passiert,<br />

um die Situation imCamp zu verbessern.“<br />

Lutz Müller-Bohlen Sozialarbeiter im Obdachlosen-Camp an der Rummelsburger Bucht<br />

1519 tätliche Angriffe auf Polizisten<br />

Bisher vermieden Lichtenbergs<br />

Bürgermeister Michael Grunst und<br />

Sozialsenatorin Elke Breitenbach<br />

(beide Linke) eine Räumung. Sie<br />

würde wohl auch nur dafür führen,<br />

dass die Bewohner anderswo ein Lager<br />

aufbauen. Man setzte deshalb<br />

auf Sozialarbeiter vor Ort, die auch<br />

den Zuzug neuer Bewohner verhindern.<br />

Als aber im Winter 2018/19 der<br />

Senat im Rahmen der Kältehilfe im<br />

Camp ein Wärmezelt und Toiletten<br />

aufstellte, kamen noch mehr Menschen.<br />

Biszu160 Obdachlose lebten<br />

vergangenen Sommer in dem Camp.<br />

In diesem Winter blieb die Hilfe<br />

aus. Esgab kein Fördergeld. Denn<br />

das Areal, auf dem das Camp steht,<br />

ist Bauland. Ab Frühjahr soll der Bau<br />

vonWohnungen und der Touristen-<br />

Attraktion „Coral World“ beginnen.<br />

Viele Obdachlose verließen das<br />

Camp bereits. Derzeit sind aber<br />

noch immer etwa 60 Menschen dort.<br />

Für sie stellen Bezirk und Senat<br />

nun eine Notunterkunft in einem<br />

einstigen Telekom-Gebäude in<br />

Karlshorst zur Verfügung. Sozialstadträtin<br />

Birgit Monteiro (SPD)<br />

spricht von einer „geglückten Verbesserung<br />

der Lebenssituation für<br />

die Obdachlosen“. Senatorin Breitenbach<br />

hofft, dass „die Betroffenen<br />

mit Hilfe der Sozialarbeiter eine Perspektive<br />

ohne Obdachlosigkeit entwickeln<br />

können“.<br />

Diese Wochesoll mit den Bewohnern<br />

über den Umzug geredet werden.<br />

„Wir wissen, dass nicht alle das<br />

wollen“, sagt MichaelElias vomSozialprojekt<br />

Tentaja. „Aber jeder zählt,<br />

den wir gewinnen können, einen<br />

neuen Weg einzuschlagen.“ Er bemängelt,<br />

dass man dafür nur wenig<br />

Zeit habe. Denn in der Unterkunft<br />

können die Obdachlosen nur bis<br />

Ende April bleiben. Danach entstehen<br />

in dem Gebäude Wohnungen.<br />

Der Alltag auf Berlins Straßen ist für die Beamten härter geworden –sie nutzen bei Attacken zugleich das neue Strafrecht<br />

NACHRICHTEN<br />

Radfahrer von Polizeiwagen<br />

erfasst und schwer verletzt<br />

EinPolizeiauto ist am Montagmorgen<br />

in Adlershof mit einem Fahrradfahrer<br />

zusammengestoßen. EinPolizist<br />

war in einem Opel auf dem<br />

Ernst-Ruska-Ufer in Richtung Adlergestell<br />

unterwegs.Der Beamte habe<br />

sich auf einer Kurierfahrtbefunden<br />

und sei ohne Blaulicht gefahren,<br />

teilte die Polizei mit. DieAmpel der<br />

Ecke Ernst-Ruska-Ufer/Köpenicker<br />

Straße war außer Betrieb.Der 75-<br />

jährige Radfahrer überquerte das<br />

Ernst-Ruska Ufer,als das Polizeiauto<br />

mit ihm zusammenprallte. (kop.)<br />

Prozess um Beleidigung von<br />

Staatssekretärin angesetzt<br />

Weil er die <strong>Berliner</strong> Staatssekretärin<br />

Sawsan Chebli (SPD) im Internet beleidigt<br />

haben soll, kommt es zu einem<br />

Prozess gegen einen 46-Jährigen.<br />

DerMann habe Einspruch gegen<br />

einen erlassenen Strafbefehl eingelegt,<br />

teilten die <strong>Berliner</strong><br />

Strafgerichte mit. In dem Strafbefehl<br />

habe das Amtsgericht Tiergarten<br />

eine Strafe von1500 Euro verhängt.<br />

DieVerhandlung sei für den 27. Februar<br />

anberaumt worden. (dpa)<br />

Straße nach Fund von<br />

Phosphorgranate gesperrt<br />

In Pankowsind Bauarbeiter am<br />

Montagmorgen auf eine Phosphorgranate<br />

aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

gestoßen. Siefing Feuer und brannte<br />

ab,wie ein Polizeisprecher sagte.Kriminaltechniker<br />

des Landeskriminalamtes<br />

gaben demnach schon am<br />

Vormittag wieder Entwarnung. WeitereMunition<br />

hätten die Experten<br />

auf der Baustelle in der <strong>Berliner</strong><br />

Straße nicht gefunden. Es habe keine<br />

Verletzten gegeben. Vorsichtshalber<br />

habe die Feuerwehr ein angrenzendes<br />

Gebäude evakuiert. Für rund<br />

eine Stunde war die <strong>Berliner</strong> Straße<br />

zwischen Breiter Straße und Schulstraße<br />

gesperrt. (dpa)<br />

Zuschüsse für Schulen nur<br />

schleppend beantragt<br />

DiemilliardenschwereSchulbauoffensivekommt<br />

nur schleppend<br />

voran. 2018 und 2019 gaben die Bezirke<br />

ein Drittel der bewilligten Gelder<br />

für Sanierung und Neubau von<br />

Schulen gar nicht aus.Das geht aus<br />

einer Antwortder Bildungsverwaltung<br />

auf eine parlamentarische Anfrage<br />

der CDU hervor, über die derTagesspiegel<br />

zuerst berichtete.2018<br />

blieben demnach 120 Millionen Euro<br />

liegen, im Jahr darauf Geldinähnlicher<br />

Größenordnung. Betroffenseien<br />

etwa 600 Baumaßnahmen an etwa<br />

400 Schulen. Als Gründe nennen die<br />

Bezirke vorallem fehlende Planungsund<br />

Baukapazitäten. (dpa)<br />

Anstrengender „Hund“, aber er ändert<br />

den Blick aufs Ganze. IMAGO/CAVAN IMAGESX<br />

VonAndreas Kopietz<br />

Nimmt man es mit der polizeilichen<br />

Statistik ganz genau, dann<br />

werden jeden Tag18,23 Polizisten in<br />

Berlin Opfer von Gewalt. Die Senatsinnenverwaltung<br />

zählte im vergangenen<br />

Jahr insgesamt 6656 Polizeivollzugskräfte,<br />

die Opfer eines Widerstandes,<br />

eines tätlichen Angriffs, einer<br />

Körperverletzung, Bedrohung,<br />

Nötigung oder sonstigen Gewalttat<br />

geworden seien. Das geht aus einer<br />

noch unveröffentlichten Antwort auf<br />

eine Anfrage des CDU-Abgeordneten<br />

Peter Trapp hervor. Demnach registrierte<br />

die Verwaltung im vergangenen<br />

Jahr 1519 tätliche Angriffe auf Polizisten<br />

–mehr als doppelt so viele wie<br />

imVorjahr.736 Beamte wurden Opfer<br />

einer Körperverletzung, 244 zeigten<br />

an, dass sie bedroht und 118, dass sie<br />

genötigt wurden. 45 Beamte wurden<br />

laut Innenverwaltung Opfer sonstiger<br />

Gewaltdelikte.<br />

Den größten Anteil bei den „geschädigten<br />

Polizeivollzugskräften“<br />

hat allerdings das Delikt „Widerstand<br />

gegen Vollstreckungsbeamte“,<br />

das mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis<br />

zu drei Jahren geahndet werden<br />

kann: 3994 Polizisten waren nach<br />

Angaben der Innenverwaltung davon<br />

2019 betroffen. 379 Personen<br />

wurden im Jahr 2018 wegen dieser<br />

Straftat verurteilt.<br />

Widerstand liegt vor, wenn gegen<br />

den Vollstreckenden körperliche<br />

Kraft angewandt wird, die die „Vollstreckungshandlung“<br />

erschwert<br />

oder verhindert. Darunter fallen heftige<br />

Bewegungen oder Losreißen aus<br />

dem Polizeigriff, Festhalten an Gegenständen<br />

oder das Stemmen gegen<br />

die Tür eines Polizeiautos –dies<br />

alles wird unter „Übergriff“ gegen<br />

Polizisten subsumiert. Gleichwohl,<br />

so heißt es im Polizeipräsidium,<br />

werde, wenn mehrereVorwürfe in einem<br />

Fall zusammenkommen –etwa<br />

Widerstand und tätlicher Angriff –<br />

das schwerwiegendste Delikt in der<br />

Statistik gezählt.<br />

Seit 2017 der strafverschärfende<br />

Paragraf „tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“<br />

eingeführt<br />

wurde, machen Polizisten in ihren<br />

Anzeigen davon öfter Gebrauch. So<br />

hatte die Polizei im Jahr 2018 nur<br />

709 tätliche Angriffe registriert.<br />

Eine der Baustellen: ein Schulneubau in<br />

Mahlsdorf.<br />

IMAGO IMAGES

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