Berliner Zeitung 06.02.2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 31 · D onnerstag, 6. Februar 2020 – S eite 23 *<br />
·························································································································································································································································································<br />
Sport<br />
DFB-Pokal<br />
Hertha rückt<br />
zusammen<br />
Michael Jahn<br />
sieht positiveSignale nach<br />
einem frustrierendenAbend.<br />
Als nach 120 Minuten das Pokal-<br />
Drama zwischen Schalke 04 und<br />
Hertha BSC nach einem 3:2-Sieg für<br />
Schalke abgepfiffen wurde, war den<br />
Protagonisten nicht nach Statements<br />
zur sportlichen Situation zumute.Esging<br />
zuvorderst um die rassistischen<br />
Beleidigungen gegenüber<br />
dem <strong>Berliner</strong> Abwehrhünen Jordan<br />
Torunarigha, wegen der der Kontrollausschuss<br />
des Deutsche Fußball-Bunds<br />
nun ermittelt. Vondenen<br />
Schiedsrichter Harm Osmers erst<br />
verspätet erfahren haben soll.<br />
Torunarigha, 22, war während des<br />
Spiels mit Affenlauten von den Tribünen<br />
bedacht worden. Eine Mischung<br />
aus Rassismus und Dummheit,<br />
sie erklärt die Emotionen, die<br />
Torunarigha zeigte, als er in der Verlängerung<br />
gefoult wurde, als er mit<br />
einer Getränkekiste warf, was eine<br />
Gelb-Rote Karte zur Folge hatte. Der<br />
Platzverweis war wahrscheinlich<br />
nicht spielentscheidend, schwächte<br />
aber Herthas Team sehr,das immerhin<br />
19 Minuten der Nachspielzeit<br />
mit zehn Profis auskommen musste.<br />
Diese Niederlage,die vermeidbar<br />
war, könnte aber Hertha durchaus<br />
emotional gestärkt haben, weil das<br />
Team um Torunarigha noch enger<br />
zusammenrückte.<br />
Die ewige Sehnsucht<br />
Trainer Jürgen Klinsmann bleibt in<br />
diesem Jahr nur die Rolle des Kiebitzes,<br />
wenn am 23. Mai im<strong>Berliner</strong><br />
Olympiastadion das Finale im DFB-<br />
Pokal über die Bühne geht. Vorallem<br />
sein Vor-Vorgänger als Cheftrainer<br />
von Hertha BSC, der Ungar Pal Dardai,<br />
hatte sich in seiner viereinhalb<br />
Jahrelangen Amtszeit das große Ziel<br />
gesetzt, im eigenen „Wohnzimmer“<br />
endlich einmal mit seiner Mannschaft<br />
im Endspiel auf dem Rasen zu<br />
stehen. Bekanntlich vergeblich.<br />
Fakt ist: Selten hat eine Mannschaft<br />
von Hertha BSC in den zurückliegenden<br />
Wochen so viel richtig<br />
gemacht wie beim Pokal-Krimi auf<br />
Schalke, allerdings, und das ist die<br />
Krux, nur 75 Minuten lang. Klinsmann<br />
brachte gegenüber dem 0:0<br />
gegen Schalke in der Liga vorfünf Tagen<br />
fünf neue Profis ins Spiel, ließ<br />
das kampfstarke Team im 3-5-2-System<br />
antreten. Einkompaktes Mittelfeld<br />
stoppte lange die Schalker Angriffe.<br />
Und vorn wirbelten zwei<br />
Sturmspitzen, die zuvor noch nie zusammenspielt<br />
hatten: Pascal Köpke<br />
und der 23-Millionen-Euro-Mann<br />
Krzysztof Piatek, der noch vor einer<br />
Woche für den AC Mailand am Ball<br />
war. Das Team stand kompakt,<br />
spielte giftig und endlich auch mutig<br />
nach vorn. Der Masterplan schien<br />
aufzugehen, denn beide Angreifer<br />
trafen und Hertha beherrschte das<br />
Duell –bis dann die Schlussviertelstunde<br />
anbrach. Individuelle Fehler<br />
(Rune Jarstein, Maximilian Mittelstädt)<br />
und nun äußerst kampfstarke<br />
Schalker Gastgeber brachten die<br />
Wende.<br />
Hertha muss sich jetzt kräftig<br />
schütteln, kann sich nach dem Pokal-Aus<br />
ganz darauf konzentrieren,<br />
endgültig dem Tabellenkeller in der<br />
Bundesliga zu entfliehen. Wenn die<br />
Mannschaft am Sonnabend im<br />
Olympiastadion gegen Mainz über<br />
90 Minuten die Leistung abruft, die<br />
sie im Pokal leider nur 75 Minuten<br />
zeigen konnte,sollten drei Punkte in<br />
Berlin bleiben und der Sprung ins<br />
Mittelfeld der Tabelle gelingen. Das<br />
ist −bei allem menschlichen Drama<br />
−imMoment aus sportlicher Sicht<br />
noch wichtiger als das Erreichen des<br />
Viertelfinals im Pokal. Seite 1<br />
TorwartRafał Gikiewicz greift ein: Der 1. FC Union hat gegen den SV Verl mehr Mühe als gedacht.<br />
Maloche zwischen Mondkratern<br />
Der 1. FC Union zieht mit einem mühsamenSieggegenVerl erstmals seit 19 Jahren ins Pokal-Viertelfinale ein<br />
VonMathias Bunkus<br />
Es gehört zum schlechten<br />
Stil im Profifußball, als Auswärtsmannschaft<br />
über den<br />
Rasen des Gastgebers zu<br />
meckern. Die Devise der Spieler des<br />
1. FC Union ist deshalb in der Vergangenheit<br />
stets gewesen: Nicht nörgeln,<br />
schließlich muss auch der jeweilige<br />
Gegner auf dem vermeintlichen<br />
Acker kicken. So beschwerte<br />
sich auch am Mittwochabend im<br />
Nachklang des DFB-Pokal-Achtelfinalspiels<br />
beim Viertligisten SC Verl<br />
keiner der Köpenicker Kicker über<br />
die vereinzelt mondkratergroßen<br />
Löcher im Geläuf, auch wenn die offensichtlich<br />
dazu beitrugen, dass es<br />
dem Bundesligisten erst in der 86.<br />
Minute gelang, in Person vonRobert<br />
Andrich das entscheidende Tor<br />
zum1:0 (0:0)-Erfolg zu erzielen. Für<br />
die Eisernen ist es der erste Einzug<br />
ins Pokal-Viertelfinale seit 19 Jahren.<br />
Unions Trainer Urs Fischer überraschte<br />
vor dem Spiel mit einer Aufstellung,<br />
die, anders als angenommen,<br />
keinerlei personelle Rotation<br />
aufwies.Keine Spur vonder„zweiten<br />
Garde“ − der Schweizer vertraute<br />
demTeam, auf das er sich auch in der<br />
Liga stets verlassen konnte. Michael<br />
Parensen rückte in der Dreierkette<br />
für Neven Subotic in die Partie, Anthony<br />
Ujah ersetzte den in Dortmund<br />
glücklosen Yunus Malli.<br />
Der DFB ermittelt<br />
Nach den rassistischen Beleidigungen gegen Herthas Jordan Torunarigha beginnt die Aufarbeitung<br />
Geschäftsführer Michael Preetz<br />
von Hertha BSC hat Schiedsrichter<br />
Harm Osmers aufgrund rassistischer<br />
Beleidigungen gegen Verteidiger<br />
Jordan Torunarigha um<br />
Schutz für den <strong>Berliner</strong> Spieler gebeten.<br />
Er habe vorder Verlängerung im<br />
DFB-Pokal-Achtelfinale beim FC<br />
Schalke 04 zunächst mitTorunarigha<br />
gesprochen und dann den Vierten<br />
Offiziellen Sven Waschitzki und Referee<br />
Osmers über diesen Vorfall informiert„mit<br />
der Bitte versehen, unseren<br />
Spieler zu schützen“, sagte<br />
Preetz am Mittwoch in einer Mitteilung<br />
auf der Internetseite des Vereins.<br />
„Wir verurteilen jegliche Form<br />
von Rassismus auf das Schärfste!<br />
Rassistische Beleidigungen sind in<br />
jedem Stadion ebenso wie in jeder<br />
anderen Situation des Lebens zu verurteilen“,<br />
sagte Preetz. „Uns alle hat<br />
dieser Vorfall sehr getroffen und wir<br />
stehen geschlossen hinter unserem<br />
Spieler.“<br />
Empfehlungen der Fifa<br />
Die Bedeutung des Fußballs müsse<br />
noch stärker genutzt werden, um<br />
Rassismus und Diskriminierung aus<br />
der Gesellschaft zu verbannen, betonte<br />
der Manager. Erbedankte sich<br />
bei den Verantwortlichen des Revier-<br />
„Wir haben<br />
’Karo einfach’<br />
gespielt.“<br />
Die Intention war offensichtlich:<br />
Den Unionern war die Schwere der<br />
Aufgabe beim Regionalligisten vollends<br />
bewusst. Keiner sollte behaupten,<br />
dass Trainer Urs Fischer und<br />
sein Team dieses Achtelfinalspiel<br />
nicht Ernst nehmen würden. Der<br />
Schweizer hatte deshalb schon unter<br />
der Woche klargestellt: „Ich habe immer<br />
gesagt, dass es einem Profifußballer<br />
möglich sein sollte, auch mal<br />
eine englische Woche mit drei Spielen<br />
in acht Tagen schadlos zu überstehen.“<br />
Doch wer obdes namhaften Personals<br />
ein Fußballfeuerwerk vonSeiten<br />
der Eisernen erwartete, wurde<br />
(selber Schuld!) auch diesmal enttäuscht.<br />
Denn die Unioner zeigten<br />
wenig Initiative, schon früh in der<br />
Partie für klare Verhältnisse zu sorgen<br />
und ließen stattdessen den Gastgebern<br />
überraschend viel Platz, um<br />
ins Spiel zu finden. Nach 16 Minuten<br />
prüfte Stürmer Zlatko Janjic erstmals<br />
Unions TorwartRafal Gikiewicz.<br />
Drei Minuten später machte sich<br />
dann erstmal sder vermaledeite Rasen<br />
in der Verler Sportclub Arena bemerkbar.<br />
Sebastian Andersson erar-<br />
Robert Andrich Siegtorschütze des 1. FC Union im Pokalspiel<br />
gegen den SC Verl<br />
über die taktische Herangehensweise des Bundesligisten<br />
gegen den Viertligisten<br />
beitete sich halbrechts den Ball und<br />
kam frei zu Schuss,der weil die Kugel<br />
mächtig holperte, donnerte der<br />
Schwedische Nationalspieler sie,<br />
statt aufs Tor, in den westfälischen<br />
Abendhimmel.<br />
Besser machte es da der auffällige<br />
Christian Gentner, der drei Minuten<br />
vor der Pause vom Strafraumrand<br />
knapp übers Torschoss. Von einem<br />
Dreiklassenunterschied war bis dahin<br />
herzlich wenig zu bemerken.<br />
klubs „für die besonnene Reaktion“<br />
nach der 2:3-Niederlage. „Nur gemeinsam<br />
werden wir diesem Problem<br />
Herr werden.“<br />
Der Kontrollausschuss des Deutschen<br />
Fußball-Bundes hat inzwischen<br />
Ermittlungen eingeleitet. Hertha<br />
BSC und Torunarigha wurden zu<br />
einer Stellungnahme aufgefordert,<br />
wie der DFB am Mittwoch bestätigte.<br />
Eine Empfehlung des Weltverbandes<br />
Fifa sieht unter anderem vor, die Zuschauer<br />
via Durchsageaufzufordern,<br />
diskriminierende Beleidigungen zu<br />
unterlassen. Osmers habe aber in<br />
der Verlängerung keine weiteren<br />
Vorfälle wahrgenommen, sagte Peter<br />
CITY PRESS<br />
Was natürlich vornehmlich an<br />
den schwierigen Platzverhältnissen<br />
lag, wohl aber auch an einer gewissen<br />
Planlosigkeit der Eisernen, denen<br />
kein rechtes Mittel einfallen<br />
wollte,offensiv echte Akzente zu setzen.<br />
Was wiederum, in Anbetracht<br />
der individuellen Qualität des Gegners,<br />
einigermaßen befremdlich<br />
war.<br />
Das einzige Erfolgsrezept blieben<br />
daher auch im zweiten Durchgang<br />
Schüsse aus der Distanz. Zwei Minuten<br />
nach der Pause prüfte erneut<br />
GentnerVerls TorwartRobin Brüseke<br />
mit einem Volleyschuss, inder 59.<br />
Minute versuchte es der Mittelfeldspieler<br />
erneut vom Strafraumrand,<br />
doch den flatternden Ball konnte<br />
Brüsekeauch diesmal parieren.<br />
Eine ähnliche Herangehensweise<br />
wählte der eingewechselte Marius<br />
Bülter,der zweimal knapp neben das<br />
Torschoss (64., 65.) und so erstmals<br />
in der Partie über mehrere Minuten<br />
für etwas Druck sorgte. Die Verler<br />
Spieler waren zu diesem Zeitpunkt<br />
schon merklich an der Grenzezur Erschöpfung<br />
angelangt, stemmten<br />
sich aber weiter tapfer gegen das<br />
drohende Gegentor.<br />
Das gelang Robert Andrich<br />
schließlich auch erst vier Minuten<br />
vor dem Schlusspfiff. Natürlich mit<br />
einem satten Schuss aus der Distanz.<br />
Mehr war andiesem Abend und auf<br />
diesem Rasennicht drin.<br />
Sippel, der beim DFB im Team Elite-<br />
Schiedsrichter arbeitet.<br />
Auch die umstrittene Rote Karte<br />
für Schalke-Trainer David Wagner<br />
beschäftigt den DFB weiter. „Wir<br />
werden die Verhängung der Roten<br />
Karte überprüfen und vor allem danach<br />
überprüfen, ob es sich um eine<br />
offensichtliche Fehlentscheidung<br />
des Schiedsrichters handelt“, sagte<br />
Anton Nachreiner, Vorsitzender des<br />
DFB-Kontrollausschusses, dem Onlineportal<br />
des Senders Sport1. Platzverweise<br />
werden nachträglich allerdings<br />
nur bei einem ganz offensichtlichen<br />
Irrtum des Referees zurückgenommen.<br />
(dpa)<br />
Löcher<br />
in der<br />
Deckung<br />
RB Leipzig ist vor dem Spiel<br />
gegen Bayern aus der Spur<br />
VonFrank Hellmann,Frankfurt<br />
Dayot Upamecano war nur noch<br />
frustriert. Kurz vor Schluss, als<br />
sich das Pokal-Aus für RB Leipzig im<br />
Achtelfinale bei Eintracht Frankfurt<br />
(1:3) längst andeutete,spielte der Innenverteidiger<br />
einen begleiteten<br />
Pass ins Seitenaus. Enttäuscht<br />
schwang er ohne Ball das Schussbein<br />
durch –wie es Kicker im American<br />
Football probeweise tun. Der21-<br />
Jährige wirkt überspielt. „Wir können<br />
ihm keine Pause geben“, sagte<br />
Trainer Julian Nagelsmann, „demnach<br />
muss er da durch.“<br />
Den32-Jährigen ärgertdie Schaffenskrise<br />
vor dem Topspiel beim FC<br />
Bayern am Sonntag (18 Uhr). Sein<br />
Team ist nach drei sieglosen Spielen<br />
aus der Spur geraten, hat in der Liga<br />
die Tabellenführung verloren und als<br />
Vorjahresfinalist den Pokal verspielt.<br />
Gegen Frankfurt hatte Nagelsmann<br />
für seine Mannschaft keinen Plan,<br />
der aufging. Zum sechsten Mal in<br />
Folge gerieten die Sachsen in einem<br />
Pflichtspiel in Rückstand. Strukturelle<br />
Probleme negierte Nagelsmann<br />
nicht, wollte die weitereAnalyse aber<br />
mit den Profis angehen.<br />
Bayern im Hütter-Stil?<br />
Er scheint froh zu sein, dass sich am<br />
Wochenende die Ausgangslage ändert.<br />
„München wird etwas anderes,<br />
weil die Bayern nicht so tief wie<br />
Frankfurtstehen werden. DieBayern<br />
spielen eher weniger auf Konter. Es<br />
sei denn, Hansi Flick überrascht<br />
mich so wie AdiHütter.“Der Kollege<br />
hatte mit einem flexibel interpretierten<br />
4-3-3-System die Ausrichtung<br />
geändert, um das Pressing zu umgehen.<br />
Letztlich profitierte die Eintracht<br />
aber davon, dass das Leipziger<br />
Deckungszentrum löchrig ist.<br />
Wegen der Langzeitausfälle von<br />
Willi Orban und Ibrahima Konaté<br />
verteidigt Upamecano derzeit entweder<br />
mit Lukas Klostermann oder<br />
Marcel Halstenberg –beide sind eigentlich<br />
auf der Außenbahn stärker.<br />
Halstenberg unterlief das Handspiel<br />
vordem vonAndré Silvaverwandelten<br />
Strafstoß zum 0:1 (17.), Upamecano<br />
spielte den Fehlpass vor dem<br />
0:2 vonFilip Kostic (51.).<br />
Leipzig wirkt hinten nicht stabil<br />
und vorne nicht konsequent. „Uns<br />
hat im letzten Drittel die Effektivität<br />
gefehlt“, gab StürmerYussuf Poulsen<br />
zu. Timo Werner kam zu spät, um in<br />
der Offensivenoch für die Wende zu<br />
sorgen. Dass Nagelsmann auf seine<br />
schnellste Waffe bei den Bayern<br />
nicht erneut verzichtet, steht fest.<br />
Immerhin: Neuerwerbung Dani<br />
Olmo erzielte nach seiner Einwechslung<br />
nicht zufällig das einzige Tor<br />
(68.). Der technisch hochbegabte<br />
Spanier, 21, im Winter für 20 Millionen<br />
Euro Basisablöse von Dinamo<br />
Zagreb geholt, legte einen sehr zielgerichteten<br />
Auftritt hin, der RB in<br />
diesem Jahr noch helfen könnte.<br />
Und das, obwohl das Getränk des Sponsorsjaangeblich<br />
Flügel verleiht: Leipzigs<br />
Christopher Nkunku.<br />
DPA/ARNE DEDERT