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GESELLSCHAFT
Text Smilla Schär
Ilustration Noemi Amrein
Mit Partizip Präsens gegen den Male Bias
Vielleicht ist es dir schon aufgefallen: Da finden sich neu Sternchen in unseren Texten.
Was hat es damit auf sich?
Am Anfang war das generische Maskulinum:
Bei der Gründung 1958
bezeichnete sich Spectrum als «Halbmonatliches
Informationsblatt der Studentenschaft
der Universität Freiburg i. Ue.» – obwohl
die Zeiten, in denen nur Männer an
der Uni zugelassen waren, da schon lange
vorbei waren.
Die Studenten
Beim generischen Maskulinum wird nur
das männliche Genus eines Nomens oder
eines Pronomens genannt, dies wird aber
generisch verwendet, soll also alle Geschlechter
umfassen. Man bezieht sich beispielsweise
auf alle Studierenden, spricht
aber nur von Studenten. Die anderen
Geschlechter sind implizit mitgemeint.
Deshalb werden sie aber nicht automatisch
mitgedacht. Pascal Gygax von der
Forschungseinheit «Psycholinguistics
& Applied Social Psychology» des Psychologischen
Departements erklärt die
Schwierigkeit folgendermassen: «Unser
Gehirn hat grosse Mühe damit, von der
spezifischen Bedeutung der maskulinen
Form zu abstrahieren und das Maskulinum
auch tatsächlich als generisch zu
verstehen.» So lenkt eine androzentrische
Sprache unsere Aufmerksamkeit
trotz der generischen Verwendung auf
das Männliche, was zu einem sogenannten
Male Bias führt. Andere Geschlechtsidentitäten
werden nur bei zusätzlichem
kognitivem Aufwand mitgedacht.
Die Studenten und Studentinnen
Dieses Problem der androzentrischen
Sprache wurde vor allem ab den 1970er
Jahren mit dem Aufkommen der Feministischen
Linguistik vermehrt diskutiert.
Ein Lösungsansatz war die jeweilige
explizite Nennung der femininen und
maskulinen Form: Studenten und Studentinnen.
Diese sogenannte Paarform
verbessert tatsächlich die Sichtbarkeit
von Frauen und mindert somit den Male
Bias. Laut Pascal Gygax konnte man zum
Beispiel zeigen, dass der Frauenanteil in
Berufen höher geschätzt wird und dass
Frauen für erfolgreicher in den entsprechenden
Berufssparten gehalten werden,
wenn man die Berufsbezeichnungen in
Paarform präsentiert. Trotzdem ergäben
sich aber auch hier noch Probleme.
Einerseits müssen wir die Wortreihenfolge
betrachten. Erwähnen wir zuerst die
maskuline oder die feminine Form? Und
was vermitteln wir damit? Ausserdem bilde
diese Option lediglich ein rein binäres
Verständnis von Geschlecht ab und verbessere
so zwar im Vergleich zum generischen
Maskulinum die Sichtbarkeit von
Frauen, nicht aber anderer Geschlechter,
so Pascal Gygax.
Die Student*innen und
die Studierenden
Eine relativ neue Schreibweise, die vor
allem im letzten Jahrzehnt an Beliebtheit
gewonnen hat, ist das Zusammenziehen
der Formen, verbunden durch
einen Asterisk oder einen Unterstrich:
Student*innen oder Student_innen. Das
Milchbüechli, die «falschsexuelle Zeitschrift
der Milchjugend», schreibt bereits
seit der Gründung 2012 mit Unterstrich,
teilweise auch mit Sternchen. «Es ist einfach
inklusiver. Mit dem Binnen-I oder
dem Schrägstrich bildet man eben auch
nur zwei Geschlechter ab, was nicht der
Realität entspricht», erklärt Chefredakteurin
Johanna von Felten.
Gelingt es mit dieser Methode, den Male
Bias zu vermindern oder gar zu überwinden?
Laut Gygax gibt es dazu noch wenige
Studien, diese zeigten aber ungefähr die
gleichen Resultate wie bei der Paarform.
Das Problem der Reihenfolge bleibe bestehen.
Besonders wenn aber eine öffentliche
Diskussion darüber geführt werde,
wofür der Unterstrich oder das Sternchen
stünden, könne eine solche Form das Geschlechterkontinuum
besser repräsentieren
als die Paarform. Insgesamt empfiehlt
Pascal Gygax jedoch, wo immer möglich
eine komplett neutrale Form zu verwenden,
sodass die Geschlechterfrage gar
nicht erst aufkommt, wo sie nicht relevant
ist. Im Deutschen eignet sich hierfür in
der Mehrzahl das nominalisierte Partizip
Präsens, also beispielsweise die Form «die
Studierenden». Wo dieses nicht möglich
ist, lässt es sich immer noch durch Unterstrich-
oder Sternchenformen ergänzen.
Eine perfekt geschlechtsneutrale Formulierung
findet sich wohl noch nicht überall.
Aber: «Unabhängig davon, welche
Schreibweise man verwendet, finde ich
es vor allem wichtig, dass man sich der
Macht der Sprache bewusst ist. Macht
euch bewusst, was ihr mit eurer Wortwahl
vermittelt und welche Strukturen ihr damit
reproduziert», meint Johanna. ■
24 03.2020