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rik April/Mai 2020

Das schwule Metropolenmagazin für Köln und Düsseldorf.

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MUSIK<br />

NACHGEFRAGT<br />

LAUV:<br />

„Meine Karriere hätte mich<br />

fast aufgefressen“<br />

„~how i'm feeling~“ heißt Lauvs<br />

neues Album. Darauf gibt der<br />

kalifornische Pop-Prinz ausführlich und<br />

facettenreich Auskunft über seine emotionale<br />

Befindlichkeit.<br />

Als Lauv, eigentlich heißt er Ari Leff, mit<br />

dem Songschreiben für sein erstes eigenes<br />

Album begann (das 2018 erschienene „I<br />

Met You When I Was 18“ mit dem Megahit<br />

„I Like Me Better“ drauf gilt nach seiner<br />

eigenen Definition als „Playlist“), war er<br />

am Tiefpunkt seines bisherigen Lebens<br />

angekommen. Die Kurzzeitfreundin,<br />

Pop-Singer-Songwriterin Julia Michaels,<br />

nach wenigen Monaten schon wieder<br />

weg, hockte Lauv allein und antriebslos<br />

in seinem Haus in Los Angeles und litt.<br />

„Ich lebte praktisch nur noch online“, sagt<br />

der 25-jährige Sohn einer in der HIV-<br />

Forschung tätigen Medizinerin, der in San<br />

Francisco zur Welt kam, später in Atlanta<br />

lebte und in New York Musiktechnologie<br />

studierte, bevor er nach LA zog. „Ich war<br />

einsam und fing ein bisschen an, den<br />

Bezug zur wirklichen Welt sowie den<br />

Kontakt zu meinen Freunden zu verlieren.<br />

Stattdessen war ich schrecklich besessen<br />

davon, was andere Leute über mich im<br />

Internet schrieben. Meine Karriere, die<br />

mich so schnell nach<br />

vorne katapultiert<br />

hatte, stresste mich<br />

und hätte mich fast<br />

aufgefressen.“ Lauv<br />

machte zweierlei: Er<br />

schrieb mit dem sehr<br />

offenherzigen „Drugs &<br />

The Internet“ (das nun<br />

auch „~how i'm feeling~“<br />

eröffnet) das<br />

erste neue Lied nach<br />

Monaten. Und er ging<br />

endlich zum Arzt. „Als<br />

ich die Diagnose bekam, an Depressionen<br />

und einer Angststörung zu leiden, war<br />

das weniger ein Schock als vielmehr<br />

eine Befreiung. Ich bekam Medikamente<br />

verschrieben, gegen die ich mich erst<br />

sträubte, doch bald spürte ich, wie sehr die<br />

Tabletten meinen Zustand verbesserten.“<br />

Lauv konnte sich nun wieder auf das<br />

konzentrieren, was er eigentlich am<br />

meisten liebte: seine Musik. Ursprünglich<br />

FOTO: CHRIS NOLTEHUHLMANN<br />

hatte er geplant, eine Komponistenkarriere<br />

im Hintergrund zu starten – er schrieb beispielsweise<br />

einen Song für Charli XCX und<br />

auch einen für Céline Dion –, doch dann<br />

veröffentlichte er während des Studiums<br />

ein Stück im Netz und dann noch eins und<br />

dann noch eins … „Plötzlich erkannte ich,<br />

was da möglich ist. Es war der Wahnsinn.“<br />

Auf dem Rücken von „I Like Me Better“<br />

tourte er um die Welt, und Ed Sheeran<br />

lud ihn sogar ein, seine Stadionkonzerte<br />

zu eröffnen. „Die Tour mit Ed war nicht<br />

so beängstigend, wie ich es befürchtet<br />

hatte, sie war sogar richtig toll, und Ed ist<br />

sowieso der süßeste und liebste Kerl, den<br />

es gibt. Wir haben ein bisschen zusammen<br />

geschrieben, und ich habe von ihm lernen<br />

können, was es heißt, schnell und effizient<br />

zu arbeiten.“<br />

Und so versammelt Lauv nun neben „Drugs<br />

& The Internet“ noch zwanzig weitere Lieder<br />

auf „~how i'm feeling~“. Sie lassen sich<br />

kaum über einen Kamm scheren. Stilistisch<br />

dominiert melancholischer Synthiepop,<br />

doch es gibt immer wieder Ausreißer.<br />

„Dieses Album beinhaltet wirklich alles“,<br />

so Lauv. „Darunter einen Song über meine<br />

Lieblingsbar, einen über meine Mutter und<br />

einen über meinen Hund.“ Der heißt Billy<br />

und kam zu Lauv, als sein Zustand sich zu<br />

bessern begann. „Ich wollte schon lange<br />

einen Gefährten, hatte aber auch Angst vor<br />

der Verantwortung. Billy ist ein Zwergspitz,<br />

der denkt, er sei ein großer Hund. Er ist für<br />

mich eine sehr wichtige emotionale Unterstützung.“<br />

Zu den Höhepunkten auf der<br />

Platte zählen natürlich auch Lauvs diverse<br />

Duette, darunter das mit Kumpel Troye<br />

Sivan („I’m So Tired“), „Fuck I’m Lonely“ mit<br />

Anne-Marie und „Who“, eine Zusammenarbeit<br />

mit BTS. Dass es im südkoreanischen<br />

K-Pop, deren erfolgreichste Vertreter die<br />

Boys von BTS sind, zuletzt eine Reihe von<br />

Suiziden gab, bringt uns<br />

schließlich noch mal<br />

auf das Anfangsthema<br />

zurück. „Ich finde es<br />

extrem wichtig und<br />

potenziell lebensrettend,<br />

dass Musiker seit<br />

einiger Zeit viel offener<br />

über Depressionen und<br />

psychische Krankheiten<br />

sprechen. So viele<br />

Leute kämpfen mit<br />

Ängsten oder Depressionen,<br />

oft auf noch<br />

weit schlimmere Weise als ich, und je mehr<br />

Menschen in der Öffentlichkeit darüber<br />

reden, desto mehr hilft das den anderen<br />

Betroffenen.“ Lauvs Regel Nummer eins:<br />

genug Schlaf. „Ich bin oft überdreht und<br />

komme oft schlecht zur Ruhe. Aber alle<br />

paar Nächte verabrede ich mich zu einem<br />

richtigen Date mit meinem Bett.“<br />

*Interview: Steffen Rüth

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