Vitalheide Sommer 2020
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Bäuerin genug „auf der hohen Kante“ hatte, trug sie<br />
auch gerne einmal Pelz. „Die eine Tracht“, die in einer<br />
Region lange unverändert getragen wurde, gab es so<br />
nicht. „Der feine Unterschied sollte auch anhand der<br />
Kleidung kommuniziert werden“, so formuliert es Michael<br />
Kablitz.<br />
Stadt-Land-Beziehungen<br />
In der Zeit nach etwa 1860 gab es einen Umbruch im<br />
ländlichen Raum: Vor allem die jüngeren Frauen legten<br />
ihre Trachten ab und orientierten sich an städtisch-bürgerlichem<br />
Vorbild. Parallel dazu entdeckten an der<br />
Volkskultur interessierte Städter die Trachten als Symbol<br />
für Tradition und „gutes altes Landleben“. Im Zuge der<br />
Heimatbewegung entstanden Beschreibungen, die das<br />
Landleben romantisch verklärten – kein Wunder, waren<br />
die Lebensbedingungen der einfachen Bevölkerung in<br />
den rasant wachsenden Städten doch mehr als schwierig.<br />
In den Museen wurden damals die ersten Sammlungen<br />
zusammengetragen.<br />
Eine regelrechte Trachteneuphorie kam in den<br />
1920er-Jahren auf. Heimatvereine und Tanzgruppen<br />
strebten nach einem „authentischen“ Erscheinungsbild,<br />
sammelten Informationen und schneiderten eifrig nach.<br />
Trachten heute<br />
Heute machen es globale Handelsmärkte möglich, jederzeit<br />
Kleidungsstücke aus aller Welt zu erwerben und<br />
zu tragen. Modetrends verbreiten sich rasant und international.<br />
Dennoch und vielleicht gerade deshalb sind<br />
Trachten ein wichtiges regionales Bindeglied geblieben.<br />
„Trachten sind ein lebendiges Zeugnis unserer Geschichte<br />
und damit Teil unseres kulturellen Erbes“, fasst es<br />
Michael Kablitz zusammen. Ihn und seine Mitstreiter<br />
erreichen regelmäßig Anfragen zum Thema Trachtenrekonstruktion<br />
und Textilgeschichte aus verschiedenen<br />
Regionen. „Von Tanzgruppen, oft aber auch aus dem<br />
privaten Bereich, wenn etwa in einer Familie historische<br />
Kleidung gefunden worden ist“, erläutert der Fachmann.<br />
In solchen Fällen kann der Ausschuss, der über<br />
weitreichendes Quellmaterial verfügt, Hilfestellungen<br />
geben, Literatur empfehlen oder an die zuständigen<br />
Museen verweisen.<br />
Begleitveranstaltungen im Museumsdorf<br />
(vorbehaltlich der weiteren Entwicklung hinsichtlich<br />
der Corona-Krise)<br />
Die am 27. September eröffnete Ausstellung wird von<br />
einigen Veranstaltungen begleitet, von denen der „Tag<br />
der Tracht“ des Landestrachtenverbandes Niedersachsen<br />
am 18. Oktober <strong>2020</strong> die wichtigste ist. Eine Podiumsdiskussion,<br />
Referate und Trachtenberatung vermitteln<br />
Fachwissen und regen zur Diskussion an. Zudem werden<br />
Trachten aus ganz Niedersachsen präsentiert und Volkstanz<br />
gezeigt.<br />
Während der Saison wird das Museumsdorf mehrere<br />
Seminare im Weben und Spinnen anbieten, in denen<br />
Erwachsenen und Kindern alte Techniken der Textilherstellung<br />
vermittelt werden.<br />
Mehr Informationen:<br />
www.museumsdorf-hoesseringen.de<br />
<strong>Sommer</strong> <strong>2020</strong><br />
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