Vitalheide Sommer 2020
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Hähne sich in die Bevenser Herzen gekräht. Einige Male<br />
änderte man den Standort im Kurpark, bis der heutige<br />
– rund um den Neptunbrunnen – gefunden war. Was<br />
jedoch von Anfang an prägend war: Das Engagement<br />
und die Herzlichkeit. Es ging darum, etwas sehr Lebendiges<br />
und Verbindendes zu schaffen. Für Drögemüller,<br />
dessen Familie seit mehr als 300 Jahren in Böddenstedt<br />
lebt, ist das letztlich auch weit mehr als eine Freizeitbeschäftigung.<br />
Denn irgendwie geht es immer auch<br />
darum, den eigenen Lebensraum zu gestalten. Auch<br />
das ist für ihn eine Familientradition: „Meine Familie<br />
hat in Böddenstedt ab 1853 einen Kolonialwarenladen<br />
betrieben – das war sozusagen das Zentrum des Dorfes,<br />
hier stand irgendwann auch das erste Telefon“, weiß er<br />
zu berichten. Und letztlich hat er genau das fortgesetzt:<br />
Ideen haben, Angebote schaffen, Verbindungen zur<br />
Region herstellen, in der man lebt. Auch das Hähnewettkrähen<br />
ist so etwas – immer gewesen und auch bis<br />
heute. Große und kleine Leute kommen zum Gucken,<br />
witzeln über die kleinsten Tiere, die meist am lautesten<br />
krähen oder über solche mit besonders tiefer, hoher<br />
oder schräger Stimme. Über all die Jahre mittendrin war<br />
auch immer Drögemüllers Familie, allen voran seine Ehefrau<br />
Evelyn – die für die Zuschauer Jahr um Jahr frische<br />
Spiegeleier aus der Bratpfanne kredenzte.<br />
Eine Epoche endet: Jürgen Drögemüller<br />
übergibt das Wettkrähen in neue Hände<br />
Und doch: Nach fünf Jahrzehnten ist nun Schluss für<br />
Drögemüller. Er übergibt die Organisation des Hähnewettkrähens<br />
in die Hände von Christoph Faßbender,<br />
Jugendleiter des Geflügelzuchtvereins Uelzen und<br />
Umgebung, der für das Jahr <strong>2020</strong> erstmalig die Verantwortung<br />
für die Veranstaltung am Pfingstsonntag<br />
übernimmt.<br />
So richtig leicht, das merkt man schon, wenn man sich<br />
mit Drögemüller unterhält, fällt ihm das nicht. Aber Sentimentalität<br />
ist seine Sache auch nicht. Jedes Jahr habe<br />
seine Familie an Pfingsten auf ihn verzichtet und sei<br />
immer eingespannt gewesen, sagt er. Und jetzt sei Zeit,<br />
das auch einmal zu ändern. Und bei einem darf man<br />
sich auch sicher sein: Drögemüller wird immer noch sehr<br />
präsent sein; beim Hähnewettkrähen, beim „Tag der<br />
Tiere“ im Museumsdorf Hösseringen oder überhaupt<br />
da, wo Menschen zusammenkommen und sich an Natur<br />
und Landschaft und hiesigen Attraktionen erfreuen.<br />
„Ohne Tiere könnte ich nicht leben“, sagt Drögemüller,<br />
der auf seiner „kleinen Farm“ in Böddenstedt eine<br />
Vielzahl von Tieren – Geflügel, Schafe, Ziegen, vielfach<br />
auch alte und bedrohte Rassen – hält. Und mit dem<br />
Hähnewettkrähen hat er eine Institution geschaffen,<br />
die so charmant-witzig und sehr besonders wie keine<br />
zweite die Faszination des Lebens in ländlichen Räumen<br />
greifbar macht.<br />
<strong>Sommer</strong> <strong>2020</strong><br />
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