05.05.2020 Aufrufe

Griaß di' Allgäu Winter 2018/2019

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Trend Hygge | ALLGÄU TUT GUT<br />

Fotos: panthermedia.net<br />

Nicht immer hängt Hygge allerdings von menschlicher Gesellschaft<br />

ab. Das dänische Rezept zum kleinen Alltagsglück funktioniert<br />

auch allein, sozusagen also in Gesellschaft mit sich selbst.<br />

Zu unterschätzen ist diese Form von Hygge ganz und gar nicht,<br />

denn im Gegensatz zum fröhlichen Miteinander, erlaubt sie den<br />

Blick nach innen. Man kann sich den eigenen Bedürfnissen widmen,<br />

das Gedankenkarussell kreisen lassen, über das Leben sinnieren<br />

oder es lieber bleiben lassen und den Geist in andere Welten<br />

aussenden.<br />

Loderndes Feuer und klirrende Kälte<br />

Das Holz knackt, während die Flammen von allen Seiten um<br />

die Scheite herumzüngeln und sie langsam verschlingen. Unser<br />

Schwedenofen zu Hause im <strong>Allgäu</strong> ist im <strong>Winter</strong> Zentrum<br />

meines Lebens. Sobald sich eine Möglichkeit bietet, krieche ich<br />

der Wärmequelle entgegen wie ein Reptil der Morgensonne. An<br />

diesem ruhigen <strong>Winter</strong>nachmittag habe ich mehrere Stühle zusammengeschoben,<br />

um meine Füße dem lodernden Feuer entgegenzustrecken.<br />

In meiner linken Hand halte ich eine dampfende<br />

Tasse Pfefferminztee, mit der rechten blättere ich auf die<br />

nächste Seite eines dicken Romans. Das Buch ruht auf<br />

meinem Schoß, während ich mich immer weiter darüber<br />

beuge. Ich vertiefe mich in die Romanwelt und<br />

vergesse für einige Stunden meine eigene.<br />

Plötzlich reißt mich ein Tumult von draußen zurück<br />

in die Wirklichkeit. Ich schaue durch die Fensterfront am<br />

Balkon hinaus in die groß gewachsene Linde, deren kahle Äste<br />

bis hoch über die Dachrinne unseres Hauses dem grauen <strong>Winter</strong>himmel<br />

entgegenwachsen. Der Baum ist geschmückt mit Leckereien<br />

– für Vögel. Daher auch der Tumult. Unter lautem Gezeter<br />

verfolgt eine Amsel im blindwütigen Futterneid eine Artgenossin.<br />

Schließlich ist es sehr wahrscheinlich, dass der kalorienreiche<br />

Energiekuchen für zwei nicht reicht – der Fettblock ist immerhin<br />

gerade einmal doppelt so groß wie die Amsel<br />

selbst. Ganz anders die Schwanzmeisen. Augenscheinlich<br />

halten sie nicht viel vom Kriegsspiel,<br />

sondern sparen ihre Kraftreserven lieber für echte<br />

Notfälle. Gesellig sitzen sie zu siebt rund um eine<br />

Säule voller Meisenknödel und teilen auch mit<br />

anderen Vogelarten bereitwillig.<br />

Lachen muss ich meistens, wenn einer der Buntspechte<br />

aus den umliegenden Wäldern zu Besuch kommt.<br />

Als größter Vogel im Baum wäre er dazu berechtigt, den<br />

Platzhirsch zu markieren. Stattdessen versteckt er sich schüchtern<br />

hinter dem Stamm, sobald ein anderer Vogel an seinem bevorzugten<br />

Futterplatz speist. Empörtes Piepsen, wild fl atternde<br />

Flügel und friedvolles Beisammensein: Die Vögel bieten einen<br />

Anblick, bei dem Fernsehen überflüssig wird. Auch das ist Hygge<br />

für mich: Die digitale Welt für einige Zeit begraben und die<br />

Natur vor der eigenen Haustür beobachten. Wie oft nimmt man<br />

sich dafür schon Zeit? Deswegen breche ich auch gerne bei<br />

<strong>Griaß</strong> di’ <strong>Allgäu</strong> | 51

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!