TOPFIT März 2020
Bescheid wissen - gesund bleiben Ihr Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness
Bescheid wissen - gesund bleiben
Ihr Magazin für Gesundheit, Fitness und Wellness
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Rat und Hilfe aus der Apotheke
27
Foto: i Antonio Guillem © 123rf.com
ihre Glykoside, vertreten durch Salidrosid oder
Rhodiolosid (0,04 – 1,1 %) und das Aglykon Tyrosol
(0,001 – 0,22 %). Man glaubte lange Zeit,
dass Salidrosid der wirksamkeitsbestimmende
Inhaltsstoff für die therapeutischen Effekte der
Rosenwurz sei. Daher wurde in den 1970er Jahren
in der damligen UdSSR der Salidrosidgehalt
zur Extraktstandardisierung aus Rhodiola rosea
benutzt. Salidrosid ist allerdings auch in anderen
Rhodiola-Arten und in weiteren Pflanzenextrakten,
z. B. aus Oliven und Weidenrinde,
auffindbar.
Typisch für Rhodiola rosea ist der Gehalt an Phenylpropanoiden
wie Rosin (0,02 – 0,08 %), Rosarin
(0,02 – 0,11 %) und Rosavin sowie das Verhältnis
von Rosavin zu Salidrosid von 3:1. Weitere
Inhaltsstoffe sind Proanthocyanidine und
Gallussäurederivate, wie Epigallocatechingallat.
Das Rhizom der Pflanze enthält ätherisches Öl,
je nach Herkunft zwischen 0,04 und 1,1 Prozent.
Aus Wasser-Alkohol-Extrakten konnten über
50 polare Verbindungen isoliert werden. Insgesamt
wurden 86 Substanzen identifiziert, wobei
Geraniol mit 12,3 bis 62,1 Prozent für den
typischen Rosengeruch verantwortlich zeichnet.
Terpene, organische Säuren sowie drei Prozent
Polysaccharide runden das breite Inhaltsstoffspektrum
ab.
Einsatz in der Volksmedizin
Die Wurzeln von Rhodiola rosea wurden vor allen
in der Volksmedizin von Sibirien und Tibet
genutzt. Zubereitungen aus der Wurzel finden
sich seit über 1000 Jahren in Tibet. Sie wurden
zur Erhöhung der körperlichen Leistungsfähigkeit,
zur Behandlung von Müdigkeit und für ein
langes Leben sowie bei Depressionen, Impotenz,
Entzündungen und gastrointestinalen Beschwerden
eingesetzt. In nördlichen Regionen
Sibiriens und Alaskas diente die Rosenwurz den
Ureinwohnern als Nahrungsmittel und wurde
auch als Tauschmittel gegen Honig, Obst, Wein
und Knoblauch gehandelt. Sagen aus Sibirien
berichten sogar von einer Lebensverlängerung
durch Rhodiola-Tee. In Georgien werden die
Wurzeln der Pflanzen jungen Paaren zur Erhöhung
der Fruchtbarkeit empfohlen – und um gesunde
Nachkommen zu zeugen. In Zentralasien
wird Rosenwurztee in den kalten Monaten des
Jahres zur Abwehr von Erkältungskrankheiten
getrunken. In der Mongolei wird die Rosenwurz
sogar zur Behandlung der Tuberkulose und bei
Tumorerkrankungen eingesetzt.
In Europa finden sich besonders viele Berichte
zum Einsatz von Rhodiola rosea in der Volksheilkunde
Skandinaviens. So sollen bereits die
Wikinger die Pflanzendroge zur Leistungssteigerung
genutzt haben. Es existieren von dort
auch Berichte zum Einsatz von Rosenwurztee
als Haarwaschmittel gegen Schuppen und Haarausfall.
In Norwegen wurde Rhodiola rosea auf
Dächern angebaut, um das Haus vor Feuer zu
Stress, Müdigkeit, Überforderung?
Statt zu Kaffee, Zigaretten
und Aufputschmitteln zu greifen,
gibt es nebenwirkungsarme,
aber effektive pflanzliche
Stressadaptogene.
schützen. Zahlreiche Berichte existieren auch
über die Anwendung der Pflanzendroge bei Tieren,
um diese gegen Krankheiten und Parasiten
zu schützen.
Anwendung und Wirkungen
Obgleich Rhodiola rosea als traditionelle Heilpflanze
schon lange in vielen Ländern gut etabliert
war und ist, ist ihr Stellenwert in der modernen
Medizin noch eher gering. Dies könnte
sich jedoch bald ändern. So wurden seit 1963
mehr als 800 pharmakologische, pflanzenchemische
und klinische Studien durchgeführt und
veröffentlicht. Neben klinischen Untersuchungen
zur Wirksamkeit der Pflanzendroge bei Erschöpfung,
Leistungsabfall und Stresssymptomen
existieren auch eine Reihe präklinischer
und Tiermodellstudien, die auf eine radikal abwehrende,
entzündungshemmende, adaptogene,
nervenzell-, herz- und leberzellschützende Wirkung
hinweisen. Interessante neuere Studien
deuten auf eine antivirale Wirkung durch Flavonoide,
Ellagsäure- und Gallussäureabkömmlinge
in der Rosenwurz bei Infektionen mit Ebolaviren
sowie H1N1- und H9N2-Grippeviren hin.
Unerwünschte Wirkungen
Extrakte von Rhodiola rosea gelten als sehr sicher
und weisen eine niedrige Toxizität auf, was
auch für den Inhaltsstoff Salidrosid gilt. Salidrosiddosen
von 150 Milligramm/60 Kilogramm
Körpergewicht pro Tag sind für Menschen gut
verträglich. Bei Schwangeren gibt es noch keine
verlässlichen Daten. Bei Dosierungen von 200
bis 600 Milligramm Extrakt treten selten unerwünschte
Wirkungen wie Agitiertheit, Zittern
und Angst auf. So wurden in acht klinischen
Studien mit 436 Probanden lediglich drei unerwünschte
Wirkungen (z. B. Kopfschmerzen,
Hyperventilation) berichtet, davon zwei in der
jeweiligen Placebogruppe.
Es wird jedoch empfohlen, die Extrakte nicht bei
Personen mit bipolaren Störungen einzusetzen.
Zum jetzigen Zeitpunkt können additive Effekte
mit anderen Stimulanzien nicht gänzlich ausgeschlossen
werden.
Fazit
Die traditionelle, auch in der Volksheilkunde
verankerte Anwendung von Zubereitungen aus
der Rosenwurz ist seit langer Zeit in vielen Ländern
etabliert. Neben einer Fülle überzeugender
experimenteller Untersuchungen in den letzten
Jahren fehlen nun lediglich noch gut geplante
und durchgeführte klinische Studien, um dieser
alten Arzneipflanze zum Einsatz als Phytotherapeutikum
zu verhelfen. Denn ihre oben
aufgeführten Inhaltsstoffe haben radikalabwehrende,
entzündungshemmende, neuro-, kardiound
auch hepatoprotektive Eigenschaften. In
der Volksheilkunde wird die Pflanze in Europa
und Asien bereits seit vielen Jahren erfolgreich
als Adaptogen gegen Stress und Erschöpfung
eingesetzt.
RAT DES APOTHEKERS
◾◾
Einige Fertigpräparate und Darreichungsformen
mit Rosenwurzextrakten
sind in Deutschland als apothekenexklusive
Arzneimittel auf dem
Markt. Ohne Wertung und Erhebung
eines Anspruchs auf Vollständigkeit
seien genannt: RhodioLoges ®
Filmtabletten oder Rhodiolan ® Filmtabletten.
◾◾
Als empfohlene Tagesdosis gelten
200 bis 600 Milligramm Extrakt, was
der Einnahme von zwei bis drei Filmtabletten
der erwähnten Präparate
entspricht oder 20 bis 60 Tropfen einer
standardisierten handelsüblichen
Tinktur (bis zu vier Monate lang).
◾◾
Angesichts eines Trends in der
Bevölkerung zur Rückbesinnung auf
traditionelle Naturheilmittel und
Arzneipflanzen der westlichen und
auch asiatischen Medizin, lassen die
neu entdeckten Wirkungen aus der
Forschung für diese alte Heilpflanze
einiges an Potenzial für die Zukunft
erwarten.
TOPFIT 1/ 2020