Verband - Jusos München
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„Die Familien der meisten<br />
dieser Menschen wurden in<br />
den sechziger Jahren nach<br />
Deutschland geholt. Als<br />
willkommene Gastarbeiter,<br />
die einfache Arbeiten erledigten,<br />
die kein Deutscher<br />
übernehmen wollte.“<br />
Langfristig ist das möglich, immerhin planen 36%<br />
aller türkischstämmigen Akademiker das Land nach<br />
Abschluss ihrer Ausbildung zu verlassen. Keine gute<br />
Prognose angesichts des aktuellen Fachkräftemangels.<br />
Im Augenblick macht die türkischstämmigen Bevölkerung<br />
mit über 24% jedoch noch immer den größten Anteil<br />
aller Deutschen mit Migrationshintergrund aus (die<br />
Anzahl von Personen aus anderen islamischen Ländern<br />
ist nebenbei bemerkt so gering, dass sie in der Statistik<br />
des Innenministeriums nicht einmal gesondert aufgeführt<br />
wird). Die Familien der meisten dieser Menschen<br />
wurden in den sechziger Jahren nach Deutschland geholt.<br />
Als willkommene Gastarbeiter, die einfache Arbeiten<br />
erledigten, die kein Deutscher übernehmen wollte.<br />
Die Arbeitswelt hat sich seitdem geändert – das Bildungsniveau,<br />
das diesen Bevölkerungsschichten in der<br />
Regel zuteil wird, nicht. Dass die Kinder von einfachen<br />
Arbeitern oft ebenfalls keinen Zugang zu einer höheren<br />
Ausbildung haben, ist ein Problem, das Deutsche und<br />
Zuwanderer betrifft. Es ist keine kulturelle Besonderheit<br />
des Islam. Und es existiert schon seit Jahrzehnten,<br />
genauso wie die türkische Bevölkerung in Deutschland.<br />
Die bei weitem meisten neuen Einwanderer in die Bundesrepublik<br />
kommen momentan nämlich aus dem ganz<br />
uns gar unislamischen Osteuropa: rund 112.000 Menschen<br />
immigrierten beispielsweise 2009 aus Polen zu<br />
uns. Aber bevor wir jetzt – mal wieder wegen einer aus<br />
einem weit verbreiteten Vorurteil entsprungenen Angst<br />
– unsere Autos in der Garage verstecken: im gleichen<br />
Zeitraum sind über 111.000 Polen aus Deutschland ausgewandert.<br />
Den höchsten Zuwachs bekam die deutsche<br />
Bevölkerung deshalb insgesamt aus Rumänien, 2009<br />
sind ca. 13.000 mehr Rumänen ein- als ausgewandert.<br />
Schwerpunkt<br />
Sollten wir also nicht besser vor den Rumänen Angst<br />
haben? Trotz einer Unzahl an Furcht einflößenden<br />
Filmen über transsilvanische Vampire ist das bisher<br />
Gottseidank nicht der Fall, was vielleicht daran liegt,<br />
dass man den Osteuropäer auf schlechten Pressefotos<br />
nicht ganz so einfach von Deutschen abgrenzen kann<br />
(kein Kopftuch). Da lässt sich nur schwer ein feindliches<br />
Klischee etablieren. Und Angst, das ist nicht nur<br />
in Deutschland eine psychologische Tatsache, macht<br />
einem stets nur das „Andere“.<br />
Wodurch sich natürlich auch die Frage stellt: Machen<br />
wir Deutschen den Muslimen eigentlich auch Angst?<br />
Schaffen wir vielleicht sogar gerade die Türkei ab?<br />
Die Antwort ist ein klares Nein: der bei weitem größte<br />
Teil der Deutschen, die Deutschland verlassen,<br />
emigriert nach Österreich oder in die Schweiz - was<br />
interessanterweise zeigt, dass gerade wir Deutschen<br />
offensichtlich ziemlich unwillig sind, wenn es darum<br />
geht, uns zu Integrationszwecken eine fremde Sprache<br />
aneignen zu müssen.<br />
Die Zahl dieser Auswanderer aus Deutschland steigt<br />
übrigens seit Jahrzehnten: verließen in den siebziger<br />
Jahren noch durchschnittlich 50.000 bis 65.000 Deutsche<br />
jährlich die Bundesrepublik, waren es 2009 schon<br />
fast 155.000. Wenn es also doch jemanden geben sollte,<br />
der Deutschland abschafft, dann sind es nicht die<br />
Muslime. Es sind die Deutschen selbst.<br />
Müssen wir jetzt eigentlich Angst vor uns haben?<br />
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