22.12.2012 Aufrufe

Verband - Jusos München

Verband - Jusos München

Verband - Jusos München

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Verband</strong><br />

Forschungsreise<br />

wider das Vergessen<br />

ein Abend mit Paul huf und ernst grube<br />

Ameisen legen kleine Steine in die Schrift des Denkmals<br />

für das Judenlager in Milbertshofen.<br />

Von Quirin Winzierl<br />

Es ist gut, dass wir vergessen und verdrängen können.<br />

Schlechte Erinnerungen, Eindrücke und Erlebnisse<br />

ewig wach und präsent zu halten, würde uns jede Freiheit<br />

und Unbefangenheit für Neues nehmen. Doch was<br />

für den Einzelnen gilt, gilt nicht für eine Gesellschaft,<br />

es gilt nicht für ihre Geschichte. Dort ist es genau umgekehrt:<br />

Nur das Wachhalten, das Erinnern und Gedenken<br />

eröffnet einen Bezugsrahmen aus dem heraus Zukunft<br />

gestaltet werden kann. Hieraus ergibt sich eine besondere<br />

Spannungslage: Das Erinnern einer Gesellschaft<br />

funktioniert nicht ohne das Erinnern der Einzelnen.<br />

Diese beiden Formen des Erinnerns und damit auch der<br />

Betroffenheit hat der Künstler Paul Huf im Rahmen seiner<br />

„Forschungsreise wider das Vergessen“ gegenüber<br />

gestellt. Am 20. November 2011 jährten sich die ersten<br />

Deportationen jüdischer MünchnerInnen zum 70. Mal.<br />

Anlässlich dieses traurigen Jahrestages reiste er zusammen<br />

mit dem Münchner Holocaust-Überlebenden<br />

Ernst Grube an die Zielorte der Deportationen. Begleitet<br />

wurden die beiden von Helga Hanusa, die schon<br />

lange in Erinnerungsarbeit engagiert ist und Renate<br />

Eichmeier, die das Logbuch und die Audio-Dokumentation<br />

betreute. Ausgehend vom ehemaligen Verlade-<br />

14<br />

bahnhof des Barackenlagers in Milbertshofen fuhren<br />

sie mit dem Zug nach Theresienstadt, Auschwitz,<br />

Lublin-Majdanek, Belzec, Kaunas. Ihre Eindrücke von<br />

dieser Reise präsentierten sie als Blog im Internet und<br />

als Projektion an die Fassade des Kulturhauses Milbertshofen.<br />

Ziel war und ist es, neue Formen des Erinnerns<br />

zu finden.<br />

Dass im Rahmen dieser Reise die gesellschaftliche und<br />

die individuelle Form des Erinnerns auf einander getroffen<br />

sind, offenbarte sich im Rahmen ihres Gespräches<br />

bei den <strong>Jusos</strong> <strong>München</strong>-Nord ganz exemplarisch.<br />

Für Paul Huf ist „dieses Ausmaß, diese unvorstellbare<br />

Zahl an systematisch ermordeten Opfern“ das Schockierende<br />

am Holocaust. Es ist der Blick zurück, der<br />

Blick auf ein abgeschlossenes Ganzes, der es nicht anders<br />

als es von außen - drehend und wendend - betrachten<br />

kann.<br />

Es ist ein Blick, den auch wir gerne einnehmen und<br />

der gefährlich ist. Denn einerseits eröffnet er die Möglichkeit<br />

der Relativierung. Dann war Stalin auf einmal<br />

schlimmer als Pol Pott und Hitler wieder schlimmer als<br />

Stalin. Andererseits begünstigt er eine Entfernung von<br />

dem Geschehenen. Wer kann sich all diese Menschen<br />

schon vorstellen, wer kann sich Grausamkeiten in dieser<br />

Quantität ausmalen. Doch ist ein solcher Blick zurück<br />

für eine Gesellschaft nichts Außergewöhnliches.<br />

Dieser Sichtweise ergänzt Ernst Grube durch seine eigene,<br />

ganz persönliche. Er antwortet auf Paul Huf: „Es<br />

geht nicht nur um die Dimension in Zahlen. Es geht<br />

auch um das einzelne Schicksal.“ Es ist der Blick auf<br />

den Einzelnen, weg von dem Blick auf die Masse. Es<br />

ist das gezielte Betrachten der Bäume in einem unüberschaubaren<br />

Wald. Dadurch wird das Leid der Menschen<br />

greifbar. Jeder von uns hat es schon gefühlt. In der KZ-<br />

Denkstätte Dachau, bei Zeitzeugengesprächen, beim<br />

Lesen der Geschichten der Opfer. Auf dieser Ebene<br />

ist es möglich, dem Schicksal der Opfer nachzuspüren<br />

und einen Eindruck von den „Sphären des Hungers, der<br />

Enge und der Angst“ zu bekommen. Nur diese Identifikation<br />

schafft ein belastbares Erinnern das nicht bei<br />

Bekenntnissen stehen bleibt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!