Lernwelten Best practices WAS IST GUTER GESCHICHTSUNTERRICHT? Der Schweizer Professor für Geschichtsdidaktik Peter Gautschi hat sich die Frage danach, was guter Geschichtsunterricht ist, im Laufe se<strong>in</strong>es Lebens öfters gestellt: Als Schüler, später als Lehrer, zuletzt als Professor der Didaktik der Geschichte. Die Antworten fielen mit dem Status- <strong>und</strong> Perspektivenwechsel unterschiedlich aus. Interessant wurde daher für ihn die Frage, ob es e<strong>in</strong>en Geschichtsunterricht gibt, der aus verschiedenen Perspektiven als „gut“ bewertet wird. Se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit widmete er außerdem dem gelungenen Unterricht, während er misslungene Lektionen außer Acht ließ: best practices eben. Die Analyse jener Geschichtslektionen, die sowohl von Lehrpersonen als auch von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern als gut bewertet wurden, ergab, dass es vor allem zwei Schlüsselfaktoren gibt, die Merkmale e<strong>in</strong>es guten Geschichtsunterrichts s<strong>in</strong>d: die Schülerorientierung <strong>und</strong> die Lernaufgaben. Faktor Schülerorientierung Dass die Lehrperson das zu behandelnde Thema möglichst auf die Situation der Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler beziehen möge, ist e<strong>in</strong> altes Hausrezept für guten Unterricht. Denn, so die Erfahrung zahlreicher Lehrpersonen, die Motivation der Studierenden <strong>und</strong> ihr E<strong>in</strong>satz 30 Dezember 2011 Die Me<strong>in</strong>ungen über guten Unterricht von Lehrpersonen, Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern stimmen nicht immer übere<strong>in</strong>. Wenn diese aber übere<strong>in</strong>stimmen, dann zahlt es sich aus, besonders genau h<strong>in</strong>zusehen. Das hat Peter Gautschi <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk „<strong>Guter</strong> Geschichtsunterricht“ gemacht. steigen beträchtlich, wenn sie sich vom Stoff persönlich berührt <strong>und</strong> angesprochen fühlen. Es überrascht daher nicht, wenn Gautschi bei se<strong>in</strong>er Analyse der Bewertungen, was guter Unterricht aus der Sicht von Lehrpersonen <strong>und</strong> Studierenden ist, auf diesen Schlüsselfaktor stößt. Als Regel für die Unterrichtspraxis könnte die Lehrperson daraus ableiten: Achte darauf, dass die Studierenden auf die Frage: „Und was hat das mit mir zu tun?“ e<strong>in</strong>e Antwort bekommen! Faktor Lernaufgaben Zweites geme<strong>in</strong>sames Element der sowohl von Studierenden als auch von Lehrenden als „gut“ e<strong>in</strong>geschätzten Unterrichtsst<strong>und</strong>en waren anregende, aktivierende <strong>und</strong> den Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern angepasste Lernaufgaben. Damit die Lernaufgaben im Geschichtsunterricht gut s<strong>in</strong>d, müssen sie e<strong>in</strong>em oder mehreren der folgenden Kriterien zugeordnet werden: Das Unterrichtsthema ist exemplarisch <strong>und</strong> hat Transferpotenzial. Es ermöglicht den Blick auf menschliches Handeln <strong>in</strong> der Praxis, zeigt Entwicklungszusammenhänge auf, ermöglicht Multiperspektivität <strong>und</strong> Kontroversität. Gute Lernaufgaben s<strong>in</strong>d offen, kognitiv herausfordernd, verständlich <strong>und</strong> bewältigbar. Sie erlauben Differenzierung <strong>und</strong> erfordern Interaktion <strong>in</strong> der Klasse. Gute Lernaufgaben ermöglichen den Lernenden sowohl die Verbesserung ihrer Kompetenzen für „Historisches Lernen“ als auch die Aneignung von Wissen <strong>und</strong> das Verständnis von Geschichte. Walter Pichler Fachdidaktik Walter.Pichler@schule.suedtirol.it
Service & Info Auf e<strong>in</strong>en Blick Wenn auch die Freude eilig ist, so geht doch vor ihr e<strong>in</strong>e lange Hoffnung her, <strong>und</strong> ihr folgt e<strong>in</strong>e längere Er<strong>in</strong>nerung nach. Jean Paul, 1763–1825, deutscher Schriftsteller Dezember 2011 31