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Guter - Kindergarten und Schule in Südtirol

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Service & Info<br />

Rubrik Lebensart<br />

Wandel von Bräuchen<br />

„Feste soll man feiern, wie sie fallen“,<br />

heißt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sprichwort. Ohne<br />

Feste <strong>und</strong> Rituale wäre unser Alltag<br />

e<strong>in</strong>tönig <strong>und</strong> farblos. Bräuche s<strong>in</strong>d Teil<br />

unseres Lebens <strong>und</strong> unserer Festkultur.<br />

Sie s<strong>in</strong>d nicht starr, sie wandeln<br />

sich, so wie sich unser Lebensalltag<br />

verändert <strong>und</strong> wandelt. Bräuche passen<br />

sich dem Zeitgeist an, auch wenn<br />

es so aussehen mag, als wären sie<br />

beständig <strong>und</strong> gleichbleibend. „Bräuche<br />

kommen, gehen, ändern sich<br />

<strong>und</strong> werden neu erf<strong>und</strong>en“, schreibt<br />

die Kulturjournalist<strong>in</strong> Helga Maria<br />

Wolf. Durch die Technisierung <strong>in</strong> der<br />

Landwirtschaft <strong>und</strong> die veränderten<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen verschwanden<br />

<strong>in</strong> <strong>Südtirol</strong> im Laufe des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

mehrere Arbeitsbräuche,<br />

die lange Zeit als selbstverständlich<br />

galten, wie etwa das „Kraglen“<br />

beim Flachsbrecheln. Mägde <strong>und</strong><br />

Knechte erlaubten sich während des<br />

Flachsbrechelns, also während der<br />

Verarbeitung der Flachsfasern für<br />

die Le<strong>in</strong>enproduktion im Herbst,<br />

e<strong>in</strong>en besonderen Scherz. G<strong>in</strong>gen der<br />

Dorflehrer oder der Pfarrer zufällig an<br />

34 Dezember 2011<br />

Kraglen, Pitschile-S<strong>in</strong>gen,<br />

Krapfenschnappen, Klöckeln …<br />

BRAUCHEN<br />

WIR BRÄUCHE?<br />

Bräuche <strong>und</strong> Feste − brauchen wir sie oder s<strong>in</strong>d sie Überbleibsel<br />

e<strong>in</strong>er vergangenen Zeit <strong>und</strong> etwas für Ewiggestrige? Der Begriff<br />

Brauch leitet sich von „brauchen“ ab. Dies kl<strong>in</strong>gt fast schon so,<br />

als wären Bräuche lebenswichtig.<br />

e<strong>in</strong>er Brechelhütte vorbei, lief man<br />

ihnen nach <strong>und</strong> f<strong>in</strong>g sie mit e<strong>in</strong>em<br />

Flachsbüschel, das um den Hals<br />

geb<strong>und</strong>en wurde, e<strong>in</strong>. Wurde jemand<br />

„gekragelt“, so musste der am Abend,<br />

wenn man sich bei Musik <strong>und</strong> Tanz<br />

traf, e<strong>in</strong>e Flasche We<strong>in</strong> ausgeben oder<br />

e<strong>in</strong> Pfand e<strong>in</strong>lösen. Der Brauch des<br />

Kragelns ist abgekommen, seit die<br />

Le<strong>in</strong>enproduktion auf den Bauernhöfen<br />

e<strong>in</strong>gestellt wurde. Der Begriff<br />

Krageln hat sich im Dialekt bis heute<br />

erhalten <strong>und</strong> wird verwendet, wenn<br />

e<strong>in</strong>e Flasche geöffnet wird.<br />

Aufgabe von Bräuchen<br />

Bräuche haben unterschiedliche<br />

Aufgaben. Sie br<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>e Struktur<br />

<strong>in</strong> den Jahreslauf, machen den<br />

Alltag lebenswerter <strong>und</strong> abwechslungsreicher.<br />

In den letzten Jahren<br />

ist e<strong>in</strong> vermehrtes Interesse an<br />

Bräuchen beobachtbar. Je öfter<br />

<strong>in</strong> den Medien <strong>und</strong> <strong>in</strong> politischen<br />

Diskussionen von Globalisierung<br />

gesprochen wird, desto mehr<br />

wächst das Interesse am lokalen<br />

Geschehen <strong>und</strong> an der Suche nach<br />

den eigenen Wurzeln. Dies hat<br />

zur Revitalisierung alter Bräuche<br />

geführt. So erfreuen sich gerade <strong>in</strong><br />

den W<strong>in</strong>termonaten e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

Heische- oder Bittbräuchen wieder<br />

großer Beliebtheit. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d<br />

diese <strong>in</strong>zwischen losgelöst von ihrem<br />

ursprünglichen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>, der<br />

armen Menschen die Gelegenheit<br />

bot, sich dank e<strong>in</strong>es Brauches etwas<br />

zu erbetteln. Das Pitschile-S<strong>in</strong>gen,<br />

Krapfenschnappen, Klöckeln, das<br />

Neujahrsschreien <strong>und</strong> andere alte<br />

Tiroler Bittbräuche werden heute der<br />

Tradition willen gepflegt <strong>und</strong> nicht<br />

mehr aus e<strong>in</strong>er Not heraus.<br />

Neben dem Unterhaltungswert<br />

haben Bräuche auch e<strong>in</strong>e soziale<br />

Funktion. Sie können Zeichen der<br />

Hoffnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schweren Zeit<br />

se<strong>in</strong>, wenn man an die Totenbräuche<br />

denkt. Bereits K<strong>in</strong>der können durch<br />

Bräuche soziale Kompetenz erlernen,<br />

Lebenshilfe, Trost, Unterhaltung<br />

<strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft erleben.<br />

Barbara Stocker<br />

Volksk<strong>und</strong>ler<strong>in</strong>, Ressort für Denkmalpflege, Bildungsförderung,<br />

Deutsche Kultur <strong>und</strong> Museen<br />

Barbara.Stocker@prov<strong>in</strong>z.bz.it

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