24 PILOTPROJEK T SWISSDRG sorger wie das LUKS zu schlechteren Patientenrisiken. Bund und Kantone als Regulatoren stehen damit besonders in der Pflicht. Sollte namentlich der Kostendruck im Gesundheitswesen bei der Systemeinführung im Vordergrund stehen, werden die Patienten auf Anhieb nicht erkennbaren Diskriminierungsmechanismen unterliegen. Damit wäre deren Versorgung nachhaltig gefährdet. Das LUKS bekennt sich auch unter DRG zur medizinischen Versorgung aller Patientinnen und Patienten. DRG und Qualität Die Einführung eines DRG-Systems erfordert ein differenziertes Qualitätsmanagement. So ist beispielsweise die alleinige Darstellung von Sterblichkeitsraten für bestimmte Mortalitätsgruppen beliebt, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit unglaubwürdig. Denn diese Raten sind nicht plausibel und nicht zuverlässig abbildbar. Abhängig vom gewählten Verfahren und von der Methode zeigt sich eine erhebliche Variabilität in der Messung von Mortalitätsraten. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass die Behandlungsqualität nur für einen kleinen Teil der beobachteten Varianz von Mortalitätsraten unter Spitälern herangezogen werden kann. Oder anders ausgedrückt: Aufgrund komplexer statistischer Überlegungen ist es kein sensitiver Weg, um Differenzen für vermeidbare Todesfälle aufzuzeigen. «Mortalitätsraten sind wie Nuklearkerne neutral, aber ihr Gebrauch kann toxisch sein.» Durch eine Kombination von fehlender Spezifität und Unfairness stellen sie Institutionen zu Unrecht ins falsche Licht. Aussagen zur klinischen Qualität sind komplex und stehen zunehmend zur Verfügung. Wahrscheinlich werden die Patienten aber wenig Verständnis für diese wirkliche klinische Qualität entwickeln. So bestimmen beispielsweise die Krankenhausumgebung, Zimmereinrichtung und Parkiermöglichkeiten (engl. Amenities) vermehrt die Patientenperzeption bezüglich Qualität. Neben der Ergebnisqualität braucht ein Krankenhausqualitätssystem Methoden zur Sicherung der Indikations-, Struktur- und Prozessqualität. Nur dieser mehrdimensionale Zugang garantiert Qualität im Sinn der medizinischen Wissenschaften und wird typischerweise von akademischen Lehrspitälern hochgehalten. Dazu bekennen wir uns am LUKS. DRG und Wettbewerbsregeln Die heutigen gesellschaftlichen Ideale kommen in abstrakten Begriffen wie Effizienz, Leistung und Markt, Wettbewerb und Innovation zum Ausdruck. Diese Begriffe sind zu nicht mehr zu hinterfragenden Werten geworden, denen zu dienen höchste Pflicht geworden ist. Ein Marktwettbewerb soll automatisch dafür sorgen, dass Dinge produziert werden, die den meisten Nutzen stiften. Dort, wo tatsächlich vollständige Märkte etabliert sind, stimmt dies. Aber in vielen Bereichen – und dazu gehört die Gesundheitsversorgung – gibt es keine oder nur unvollständig funk- tionierende Märkte. Diese lassen sich auch nicht künstlich inszenieren, sondern nur Wettbewerbe. Und diese Wettbewerbe an sich sorgen nicht dafür, dass die Produktion optimal auf die Bedürfnisse der Nachfrager angepasst wird. Denn nur wo Wettbewerb und Markt zusammenfallen, kann die «unsichtbare ordnende Hand» unter bestimmten Bedingungen auf ein Preissystem wirken und für Effizienz sorgen (in Anlehnung an Mathias Binswanger, «Sinnlose Wettbewerbe»). Welche Güter öffentlich und welche privat sind, wer von ihnen profitiert und wer ausgesperrt bleibt, ist eine gesellschaftliche Frage, die sich hinter dem verordneten Wettbewerb für das Gesundheitssystem versteckt. Was lange staatliche Aufgabe war, wird zunehmend zur Geschäftsidee. Die Teilhabe in bestimmten Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Sicherheit basiert aber auf vernünftigen Entscheiden der Gemeinschaft. Solche Bereiche gehören zu den innerstaatlichen Gemeingütern. Und innerstaatliche Gemeingüter tragen am ehesten zur Gerechtigkeit und Gleichheit bei, wenn sie öffentlich verwaltet werden oder wenn die Erfüllung der privat vergebenen Leistungen adäquat überwacht wird. Andernfalls erfolgen die Spaltung und der Ausschluss von ganzen Gruppen von der gesellschaftlichen Teilhabe. Die Akzeptanz der staatlichen Autorität wird ebenso wie die Finanzierung des Sozialstaats unterminiert. Besonders gefordert unter dem gesetzlich verordneten Wettbewerb im Gesundheitswesen sind deshalb Bund und Kantone als Regulatoren. Wichtig sind beispielsweise Funktionen wie die grundsätzliche Aufsicht über die angemessene Gesundheitsversorgung, die Kartellverhinderung, das Schaffen einer Transparenzplattform bezüglich Preisbildung und Qualität, die Leistungseinkäufersanktionierung bei ungebührlicher Risikoüberbindung und der Nichtfinanzierung von Pflichtleistungen. Gleichzeitig sind Diskriminierungen zu verhindern und die Versorgungssicherheit bei adäquater Zugangsgeschwindigkeit durch den Regulator zu garantieren. Zwingend müssen sodann die Wettbewerbshindernisse für die öffentlichen Spitäler beseitigt werden, sollen diese nicht zu subsidiären Versorgern in Randregionen degenerieren. Denn nur wenn die Leistungsfähigkeit von Universitäts- und Zentrumsspitälern wie dem LUKS stimmen, können Versorgungsleistungen in den Randregionen qualitativ und wirtschaftlich vernünftig angeboten werden. Das LUKS begrüsst die neue Abgeltungssystematik SwissDRG und hat dies mit der sehr anspruchsvollen, gelungenen technischen Umsetzung als schweizweiter Pionier bewiesen. Entscheidend für eine erfolgreiche Einführung wird sein, dass die mit der neuen Spi- talfinanzierung und DRG einhergehenden versorgungspolitischen und finanziellen Risiken von der Politik und Behörde erkannt, ernst genommen und entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.
«Oft treten vor einem Hirnschlag Vorboten auf. Wer darauf reagiert, kann das Schlaganfallrisiko markant senken.» Prof. Dr. med. Martin Müller, Leitender Arzt Neurologiepflegestation Medizin (IPS)