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DIE NEUSTADT

Der alte Glockenturm

Archiv Stadtmuseum Quakenbrück

Pastorin Christina Richter an der gereinigten Glocke

Neulich traf ich Frau Pastorin Richter

vor der St. Petrus Kirche an der Artlandstraße.

Da wir uns kennen, kamen

wir ins Gespräch. Sie erzählte

mir von ihrer Idee, den Kirchturm an

besonderen Tagen, wie z.B. Tag des offenen

Denkmals für die Öffentlichkeit zugänglich

zu machen. Da ich das letzte Mal als

Konfirmand den Kirchturm bestiegen

hatte und eine persönliche Beziehung zu

der darin befindlichen Glocke habe, fragte

ich sie, ob wir den Turm nicht besteigen

könnten. Oben angekommen bekam ich

feuchte Augen, denn in mir wurden Erinnerungen

geweckt, die mich dazu bewegt

haben, diesen Artikel zu schreiben.

Der Glöckner derNeustadt

Wie viele andere auch waren meine

Eltern Kriegsflüchtlinge. Meine Mutter

stammte aus Schlesien und mein Vater

aus Ostpreußen. Er kam damals ziemlich

spät aus einem russischen Kriegsgefangenenlager

in Stalingrad. Mein Vater

kehrte als eine ausgemergelte Person

Meine Mutter in ihrer ersten Wohnung in Quakenbrück

nach Quakenbrück zurück und wurde mit

Erfrierungen an den Füßen in das Krankenhaus

Bethanien eingeliefert.

Meine Mutter war zwar gesund, aber sie

konnte auf der Flucht nicht viel mitnehmen.

Sie kam in Quakenbrück mit einem

Kinderwagen an, der nur noch drei Räder

hatte. In diesem lag mein Bruder Wolfgang.

Er war ein Kind aus der ersten Ehe

meiner Mutter.

So kamen nicht nur viele Flüchtlinge, sondern

auch viele Kriegsgefangene in ein

Land, in eine Heimat zurück, die sie oft

nicht wiedererkannten. Die Städte waren

zerstört, Hunderttausende lebten in

Notquartieren und dazu mussten zwölf

Millionen Flüchtlinge aus den besetzten

Ostgebieten untergebracht werden. Oft

wurden sie zwangsweise einquartiert.

Den Begriff der

Willkommenskultur

kannten

weder die,

die eine neue

Bleibe finden

mussten,

noch die, an

denen es gewesen

wäre,

zusammenzurücken.

Auch wenn die Erinnerung viel

verklärt: Die Bundesrepublik der frühen

50er Jahre war ein hartes Land.

So gesehen hatten meine Eltern Glück.

Der damalige evangelische Pfarrer der

Neustadt besorgte ihnen eine Unterkunft

und Arbeit im Krankenhaus Bethanien.

Ausgabe Herbst 2020 mq + |7

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