10.000 KMDURCHALBANIEN58 / OUT OF AUT /
Einst die größte Freiluft-Hanfplantage, heute dieschönsten Strände: Warum Albanien viel mehr zubieten hat, als du denkst.© Franziska TschinderleEs sei das neue Griechenland,erklärt die Reiseführerin Gijikuriaauf Seite 123.Und wer WienerBobos in den letzten Jahren nachihrem Sommerurlaub gefragt hat, wirddiese Sicht teilen: Albaniens Rivieramit ihren ewiglangen Sandstränden istals Urlaubsdestination hip geworden.In der Ex-Yu-Community sorgt das allerdingsnicht selten für Kopfschütteln:Albanien? Da fährt man doch nur hin,um dreckige Geschäfte zu machen.Und genau zwischen diesen Gegensätzenbewegt sich Franziska Tschinderle:Die Journalistin hat mit „Unterwegs inAlbanien“ ein Buch herausgebracht,das weder ein Reiseführer über Traumsträndesein will noch ausschließlichdie Themenfelder Blutrache und Drogenabhandelt. Ihr geht es darum, daskleine Balkanland kennenzulernen –durch seine Geschichte. Immerhin warAlbanien Jahrzehnte lang vom Rest derWelt isoliert, über 40 Jahre herrschteein kommunistischer Diktator und jedeReligion war verboten. Heute ist dasLand eine Demokratie und möchte Teilder EU werden, gleichzeitig hat es mitpolitischem Stillstand und Abwanderungzu kämpfen.Franziska fährt los mit ihrem rotenGolf und die Übersetzerin Aida ist stetsdabei – zusammen sind die beidenFrauen über 10.000 Kilometer unterwegsund führen über 100 Interviewsmit Bauern wie Professoren. Biberfindet das Ergebnis der 26-Jährigensehr gelungen und druckt drei Passagenaus ihrem Buch als Appetizer ab.Es geht um guten Kaffee, den man bitteim Sitzen und nicht „to-go“ nimmt,um gegrillten Fisch und stets einerPistole im Hosenbund, und natürlichum Drogen, die in Form von Cannabiswie Kartoffeln angebaut wurden. Aberlest selbst!Hat man eine Autopanne, so wie hier in Poliçan, dann versammelt sich inkürzester Zeit das halbe Dorf um den Wagen.ALLES BEGINNT MITEINEM ‚KAFE‘Es scheint, als hätte in Albanien jedenoch so kleine Spelunke eine Espressomaschine,auch in den entlegenstenDörfern auf dem Land. Kaffee ausAutomaten, wie man ihn an Flughäfenbekommt, wären, da bin ich mir sicher,für jeden Albaner und jede Albanerin einAffront – ebenso wie durch die Gegendhetzende Menschen mit Coffee-togo-Bechern.Für den ‚kafe‘, wie es imAlbanischen heißt, setzt man sich hin. Soviel Zeit muss sein.Schnell lernte ich, dass Kaffeetrinkenin Albanien auch eine Form der Vertrauensbildungist. Oft tadelte mich Aida fürmeine Ungeduld. „Du kannst den Mannnicht einfach anrufen und erwarten, dasser dir sofort alles am Telefon erzählt“,meinte sie nach wenigen Wochen zu mir,„so läuft das hier nicht. Lade ihn erst malauf einen ‚kafe‘ ein.“Genau das ist in Albanien aber geradezuunmöglich. Selbst Gesprächspartner,die sich stundenlang Zeit für einennehmen, bestehen darauf, am Endedie Rechnung zu zahlen. „Wir teilen dieRechnung nicht“, sagt Evi, eine Hotelbesitzerin,die ich in Tirana kennengelernthabe, „denn das ist eine Beleidigung.“Ismail, mein Vermieter, gab mir gegenübereinmal zu: „Über das deutsche‚Zusammen oder getrennt?‘ machen sichhier alle lustig.“ Selbst Studenten, dienoch bei ihren Eltern wohnen, weil siesich keine eigene Wohnung leisten können,schütteln lachend den Kopf, wennman beginnt, in der Hosentasche nach200 Lek zu graben. Das sind umgerechnet1,60 Euro und in etwa der Preis fürzwei Macchiatos. „Du zahlst das nächsteMal“, winkt auch Irdi bei unserem erstenTreffen ab. Das Problem ist nur: Dasnächste Mal besteht er wieder darauf,die Rechnung zu begleichen. Das hat/ OUT OF AUT / 59