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Der kommunistische Diktator Enver Hoxha ist auch 35 Jahre nach
seinem Tod allgegenwärtig, auch auf Souvenirs.
übrigens nichts mit Machogehabe zu tun,
auch Frauen machen das.
Die vollen Cafés in Tirana und überall
auf dem Balkan haben auch eine Schattenseite.
Sie sind ein Indikator dafür,
dass die Jugendarbeitslosigkeit bei 27
Prozent liegt. Und noch etwas erzählt der
‚kafe‘ über die wirtschaftliche Situation
im Land: „Viele Kellner“, sagt Blerta,
meine Sprachlehrerin, „haben eigentlich
studiert, sind dann aber in der Gastronomie
hängen geblieben, weil sie keinen
Job finden.“
„
Zum Meer bin ich
nie gegangen, dafür
brauchte man eine
spezielle Genehmigung.
AN DER ALBANISCHEN
RIVIERA
Heute klafft die Schere zwischen Arm
und Reich in Albanien weit auseinander,
auch an der Riviera. Auf der einen Seite
stehen Besitzer von Luxusresorts und
Fischfarmen, auf der anderen Hirten und
Bauern, die im Hinterland als Selbstversorger
leben. Angjel, der Besitzer des
Luciano, kennt beide Welten. Im Sozialismus
hatte er nichts als ein paar Ziegen,
heute gehöre er zu den größten Steuerzahlern
im Süden, wie er stolz behauptet.
Neben dem Restaurant besitzt er eine
Olivenölfabrik und eine Fischzucht. Aus
Dukat, seinem Heimatdorf, ist er nie
weggezogen.
„Im Leben muss man viel ausprobiert
haben“, sagt Angjel, der jetzt mit
grünem Arbeitsoverall, Strickpullover
und Zigarette in der Hand neben mir
auf dem Flachdach seiner Olivenölfabrik
sitzt, raucht und auf die umliegenden
Hügel blickt. Zur Zeit des Sozialismus
streifte er dort mit seinen Ziegen umher,
bis hinauf auf den Gebirgspass, wo im
Winter Schnee liegt. „Zum Meer bin
ich nie gegangen, dafür brauchte man
eine spezielle Genehmigung“, erinnert
er sich. Nach der Wende wurde Angjel
Fischer. Am Strand von Dhërmi stand
in den Neunzigerjahren die Ruine eines
ehemaligen Feriencamps für Gewerkschaftsmitglieder.
Die Fischer nutzten
das leerstehende Gebäude als Unterstand.
Meze, Angjels Frau, erzählt mir:
„Die Bewohner begannen, meinem Mann
Fisch abzukaufen, und irgendwann fragte
ich ihn: ‚Angjel, warum grillst du ihn
nicht gleich und servierst Rakia dazu?‘“
Also mietete Angjel das Gebäude, oder
“
60 / OUT OF AUT /
„
Ein Jahr lang habe
ich mit Pistole im
Hosenbund serviert, weil
die Gegend von Gangs
kontrolliert wurde.
“
zumindest das, was davon übriggeblieben
war – drei Räume mit zwei Tischen
und einigen Stühlen. „Ein Jahr lang habe
ich mit Pistole im Hosenbund serviert,
weil die Gegend von Gangs kontrolliert
wurde“, erzählt er. Als in Albanien die
Anarchie ausbrach, diente die Küste als
Umschlagplatz für Flüchtlinge, Drogen
und Waffen. Darauf angesprochen, gibt
sich Angjel ahnungslos: „Die Leute stiegen
auf die Boote nach Italien, und ich
grillte meinen Fisch.“
DAS ENDE VON LAZARAT
Es gibt eine weitere Geschichte, die
Aida und ich in Gjirokastra recherchieren
wollen. Es geht um ein kleines Dorf
namens Lazarat, das weltweite Berühmtheit
erlangt hat. Mehr als zehn Jahre
lang wurden in Lazarat illegal hunderte
Tonnen Cannabis angebaut und nach
Westeuropa geschmuggelt. Das Bergdorf
galt als die größte Freiluft-Hanfplantage
Europas. 2014 fand all das ein jähes
Ende: Die Regierung ließ von der Polizei
das Dorf stürmen und viele Bewohner,
die jahrelang vom illegalen Anbau gelebt
hatten, landeten im Gefängnis. Eine
Zeit lang gingen Videos aus Südalbanien
um die Welt: Vermummte Polizisten
posierten neben brennenden Cannabispflanzen.
Dann geriet Lazarat in Vergessenheit.
Wir wollen herausfinden, was aus
dem Dorf geworden ist. Wie leben die
Bewohner heute dort? Wächst dort wirklich
kein einziges Blatt Marihuana mehr?
In Gjirokastra verabreden wir uns mit
einem Polizisten. In Lazarat selbst gibt es
keine Polizeistation mehr. Die Bewohner
haben sie einst niederbrennen lassen,
damals, als das Geschäft mit dem Gras
noch florierte. Der Polizist stimmt einem
Treffen zu, solange wir seinen Namen
nicht nennen. Schließlich sitzt uns ein