Luzerner Wirtschaft 3 2020 inhalt
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Industrie 4.0<br />
Simulations-Mikroskop<br />
prüft Transistoren der<br />
Zukunft<br />
Seit der Entdeckung von Graphen stehen zweidimensionale Materialien im Fokus der Materialforschung. Mit ihnen liessen sich<br />
unter anderem winzige, leistungsstarke Transistoren bauen. Forscher der ETH Zürich und der EPF Lausanne haben nun aus 100<br />
möglichen Materialien 13 vielversprechende Kandidaten entdeckt.<br />
Mit zunehmender Miniaturisierung elektronischer Bauelemente<br />
kämpfen Forschende mit unerwünschten Nebeneffekten: Bei<br />
Transistoren im Nanometer-Massstab aus herkömmlichen Materialien<br />
wie Silizium, kann es zu Quanteneffekten kommen, die<br />
die Funktion der Bauteile beeinträchtigen. Zu ihnen zählen zum<br />
Beispiel Leckströme. Das sind Ströme, die auf «Abwegen» fliessen<br />
und nicht über den dafür vorgesehenen Leiter, zwischen<br />
dem Source- und Drain-Kontakt. Deshalb ging man davon aus,<br />
dass das Moore‘sche Gesetz wegen dieser fortschreitenden Miniaturisierung<br />
in naher Zukunft an seine Grenzen stösst. Dieses<br />
Gesetz besagt, dass sich die Anzahl der integrierten Schaltkreise<br />
pro Flächeneinheit alle 12 bis 18 Monate verdoppelt.<br />
Letztlich bedeutet dies, dass die derzeit hergestellten Transistoren<br />
auf Siliziumbasis - FinFETs genannt und mit denen fast<br />
jeder Supercomputer ausgestattet ist - aufgrund von Quanteneffekten<br />
nicht mehr beliebig kleiner gebaut werden können.<br />
Zweidimensionale Hoffnungsträger<br />
Eine neue Studie Forschender der ETH Zürich und der EPF Lausanne<br />
geht nun aber davon aus, dass dieses Problem mit neuen<br />
zweidimensionalen Materialien überwunden werden könnte.<br />
Das zumindest lassen die von ihnen durchgeführten Simulationen<br />
auf dem Supercomputer «Piz Daint» vermuten.<br />
Die Forschungsgruppe von Mathieu Luisier vom Institut für Integrierte<br />
System (IIS) an der ETH Zürich und Nicola Marzari von der<br />
EPFL nutzten für ihre Simulationen die Forschungsergebnisse,<br />
die Marzari und sein Team 2018 erzielt hatten: Aus einem Pool<br />
von über 100‘000 Materialien extrahierten sie damals mit Hilfe<br />
von aufwendigen Simulationen auf «Piz Daint» 1825 vielversprechende<br />
Komponenten, aus denen zweidimensionale Materiallagen<br />
gewonnen werden könnten – dies 14 Jahre nach der Entdeckung<br />
von Graphen. Dabei wurde sich die Forschung erstmals<br />
bewusst, dass sie zweidimensionale Materialien herstellen kann.<br />
Die Forschenden haben nun von diesen über 1800 Materialien<br />
100 Kandidaten ausgewählt, die aus einer Monoschicht von Atomen<br />
bestehen und sich für den Bau von hochskalierenden Feldeffekttransistoren<br />
(FETs) eignen könnten. Unter dem «ab initio»-<br />
Mikroskop untersuchten sie deren Eigenschaften. Das heisst, sie<br />
haben auf dem CSCS-Supercomputer «Piz Daint» zuerst die Dynamik<br />
der Moleküle, aus denen das Material besteht, einschliesslich<br />
deren Elektronenstruktur, berechnet. Diese Berechnungen<br />
kombinierten sie mit einem sogenannten Quantum Transport<br />
Simulator, um die möglichen Elektronen- oder Loch-Stromflüsse<br />
durch die virtuell erzeugten Transistoren zu simulieren. Der<br />
genutzte Quantum Transport Simulator wurde von Mathieu<br />
Luisier zusammen mit einem weiteren ETH-Forschungsteam<br />
entwickelt. Luisier und sein Team erhielten 2019 für das dem<br />
Simulator zugrundeliegende Verfahren den Gordon-Bell-Preis.<br />
Den optimalen Kandidaten finden<br />
Entscheidend für den Transistor ist, dass die Stromflüsse von<br />
einer oder mehreren Steuerelektroden des Transistors, den<br />
Gate-Kontakten, optimal kontrolliert werden können. Dank der<br />
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