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hinnerk Februar/März 2021

Das queere Magazin für Norddeutschland

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26 GESUNDHEIT<br />

WIE OFT MACHT SCHWULER MANN* ES?<br />

Über die Verbreitung von Promiskuität<br />

unter schwulen Männern gibt es nach<br />

Ansicht von Dannecker mehrere und in<br />

ihren Ergebnissen vergleichbare Studien.<br />

Seine mit Richard Lemke 2010 durchgeführte<br />

Onlinebefragung ergab:<br />

■<br />

■<br />

■<br />

Fast 30 Prozent hatten in den sechs<br />

Monaten vor der Befragung nur einen<br />

oder keinen Sexualpartner<br />

41 Prozent gaben zwischen zwei bis<br />

fünf Sexualpartner an<br />

15 Prozent zwischen sechs und zehn<br />

Sexualpartner<br />

Der Anteil mit mehr als zehn verschiedenen<br />

Partnern, was etwa zwei pro Monat<br />

ergibt, lag bei 15 Prozent. Die überwiegende<br />

Mehrheit der schwulen Männer<br />

scheint, so Dannecker, also „weit entfernt<br />

von einem promisken Verhalten zu sein.“<br />

Diese ungefähre Verteilung habe sich in<br />

den vorhandenen Querschnittsstudien<br />

über die Jahre nicht signifikant geändert.<br />

Trotz mehr Möglichkeiten des Partnerwechsels<br />

durch Saunen und Darkroom-<br />

Bars. Im Gegenteil geht Dannecker sogar<br />

davon aus, dass die Befragungen wegen<br />

der über Datingseiten und Chatportale<br />

erreichten Teilnehmer, eher einen<br />

überhöhten Anteil aufweisen.<br />

Es könne aber auch sein, dass die<br />

digitalen Kontaktanbahnungen, das<br />

Austauschen von sexuellen Vorlieben<br />

und Beschreiben von Wünschen in Chats<br />

und Foren bereits eine Erfüllung des psychischen<br />

Wunsches nach Promiskuität<br />

bedeutet. Die Zahl der tatsächlichen, also<br />

realen Sexualkontakte, könnten dann<br />

zurückgegangen sein. Dies müsse weiter<br />

erforscht werden.<br />

„Die reale Nähe zu jenen<br />

Bezirken der Szene, die<br />

durch promiskes Treiben<br />

gekennzeichnet sind,<br />

scheint jedenfalls sehr viel<br />

geringer zu sein, als es mir<br />

meine eigene Lebenserfahrung<br />

vorgaukelt.“<br />

ANYTHING GOES? AB 30 WIRD ES<br />

SPEZIELL!<br />

Seit 1987 wird in Deutschland im<br />

Abstand von rund drei Jahren eine große<br />

Befragung von MSM durchgeführt. Der<br />

schwule Soziologe und Aktivist Michael<br />

Bochow hatte sie bis 2013 geleitet,<br />

2012 machte vor allem eine Erkenntnis<br />

Professor Dannecker stutzig:<br />

Zwar steigt der Anteil der Männer, die<br />

mit mehr als zehn anderen Sex hatten,<br />

bis zum Alter von 30 Jahren an, bleibt<br />

dann aber relativ konstant. Dannecker<br />

mutmaßt – und hier beigebt er sich dann<br />

doch auf ähnlich dünnes Eis, wie die<br />

von ihm Eingangs zitierte Psychologin<br />

–, dass es mit zunehmendem Alter zur<br />

Entwicklung von Mustern, also sexuellen<br />

Vorlieben kommt. Diese Muster seien<br />

so fest, dass sie selbst nach einer in der<br />

Verliebtheitsphase durchbrechenden<br />

Flexibilität häufig dominant bleiben und<br />

einer der möglichen Antriebe für den<br />

Wunsch nach Partnerwechsel sein könnten.<br />

Dieser wiederum würde aber weniger<br />

wahllos als selektiv und den sexuellen<br />

Vorlieben entsprechend organisiert.<br />

In einer 2013 durchgeführten Studie<br />

im Auftrag der DAH wurde die Nutzung<br />

queerer Infrastruktur untersucht. Das<br />

für Dannecker erstaunlichste Ergebnis<br />

hinsichtlich der Fragestellung, ob der<br />

schwule Mann per se promiskuitiv sei,<br />

war: 70 Prozent der Befragten haben in<br />

den zwölf Monaten vor Studienteilnahme<br />

weder einen Ort queerer Geselligkeit<br />

(Bars, Cafés) noch schwule Sexorte (Saunen,<br />

Parks) aufgesucht. Der Anteil derer,<br />

die eindeutig nur oder fast immer Sexorte<br />

aufsuchten und somit einer promisken<br />

Lebensführung nachgehen könnten, lag<br />

bei nur rund fünf bis sieben Prozent.<br />

Dannecker wollte diese Zahlen kaum<br />

glauben. Er meinte, seine eigene Erfahrung<br />

spreche eine so deutlich andere Sprache,<br />

dass etwas an den Zahlen nicht stimmen<br />

könne. Nach eingängiger Selbstprüfung<br />

musste er sich mit einer Erkenntnis<br />

anfreunden, die vielen bekannt sein dürfte:<br />

Das Beziehungsnetzwerk wird stark durch<br />

die Fokussierung auf Vorlieben geprägt.<br />

Die digitalen Werkzeuge der Selektion verstärken<br />

diesen ganz natürlichen Vorgang<br />

so stark, dass die eigene Empfindung der<br />

Realität die tatsächliche überstrahlt.<br />

Zusammenfassend gibt es laut Dannecker<br />

also nur eine kleine Gruppe unter<br />

Schwulen, die über lange Zeit mit vielen<br />

wechselnden Partnern Sex hat und die<br />

diesbezügliche Angebote der Szene so<br />

nutzt, dass Promiskuität angenommen<br />

werden kann. Aber was heißt das<br />

eigentlich?<br />

Fortsetzung auf männer.media!

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