hinnerk Februar/März 2021
Das queere Magazin für Norddeutschland
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8 SZENE<br />
INTERVIEW<br />
GLORIA<br />
GLAMOUR:<br />
„Den ausgrenzenden<br />
Rassismus ...“<br />
FOTO: KLAUS GRUBER PHOTOGRAPHY<br />
Wir sprachen mit der Dragqueen<br />
über Rassismus damals<br />
und heute.<br />
Wie hast du in deinem Leben schon<br />
Rassismus erlebt?<br />
Ich bin sehr gut behütet in einem Dorf<br />
bei Bonn aufgewachsen, umgeben von<br />
Akademikern, da gab es eher eine Form<br />
des positiven Rassismus; Es galt als toll,<br />
Menschen mit anderen Hintergründen im<br />
Freundeskreis zu haben. Den ausgrenzenden<br />
Rassismus habe ich erst später erlebt,<br />
als ich eine Wohnung gesucht habe.<br />
Wie das?<br />
Der Makler öffnete die Türe, sah mich und<br />
sagte: Die Wohnung ist vergeben. Ich habe<br />
das erst gar nicht auf mich bezogen, doch<br />
Freunde machten mich darauf aufmerksam,<br />
dass, wenn die Wohnung vergeben<br />
gewesen wäre, man mich erst gar nicht<br />
eingeladen hätte. Mein Nachname ist sehr<br />
deutsch, womöglich hat der Makler einen<br />
anderen Menschen erwartet.<br />
Sehr deutscher Nachname, hm, das<br />
klingt ja, als ob du auch den Gedanken<br />
deutsch = weiß hast.<br />
Hm, ganz frei bin auch ich nicht davon.<br />
Man erwartet bei Schmidt, Maier, Müller<br />
tatsächlich einen Weißen.<br />
Als Gloria Glamour sagst du gerne,<br />
dass du eine Diva mit schwarzem<br />
Humor bist. Ein absichtliches<br />
Wortspiel?<br />
Ich meine das Schwarzhumorige eines<br />
Kabarettisten. Das Wortspiel ist aber<br />
in der Tat entstanden, weil ich die<br />
heutige Form der Political Correctness<br />
erschütternd finde. Ich finde sie mitunter<br />
ausgrenzender als früher. PoC, Person<br />
of Color: Da wird mir als VERMEINTLICH<br />
Betroffener gesagt, wie ich mich zu<br />
nennen habe. „Farbiger“ ist nun politisch<br />
inkorrekt, es werden immer neue Termini<br />
erschaffen, die die Leute verunsichern,<br />
das wirkt mitunter ausgrenzend, weil<br />
die Leute gar nicht wissen, wie man ins<br />
Gespräch kommen kann, ohne einen<br />
Fehler zu machen. Im Waldschlösschen<br />
hatte ich einen Workshop gegeben:<br />
„Schwarz, schwul und auch noch Drag?!“,<br />
da kam ein „überprivilegierter“ Cis-Mann<br />
rein – er betonte das immerzu –, der mich<br />
darauf ansprach, dass ich mich ja hier sehr<br />
unwohl fühlen müsse unter all den „Hellhäutigen“.<br />
Die Wörter „überprivilegierter“<br />
und „Hellhäutigen“ haben mich furchtbar<br />
aufgeregt. Und ob es okay sei, dass er<br />
Tunnel-Piercings im Ohr hat ... Wegen<br />
kultureller Aneignung. Da habe ich gesagt:<br />
Solche Gedanken hatten wir schon vor<br />
achtzig Jahren! Unter dem Deckmäntelchen<br />
der Political Correctness hat er mich<br />
rassistisch ausgegrenzt.<br />
Was würdest du dir denn wünschen?<br />
Dass man Hautfarben gar nicht mehr thematisiert.<br />
Die Gloria ist ein Mensch, Ende.<br />
Man sagt ja auch nicht die Schuhgröße<br />
eines Menschen dazu ... Aber ich bin selber<br />
nicht frei von Vorurteilen: Ich saß in einer<br />
Eckkneipe mit einem jungen Mann mit<br />
extremem Berliner Dialekt, aufgewachsen<br />
war er in der DDR. Ich frug ihn, wie er heißt,<br />
er hatte meine Hautfarbe. Er sagte, er heiße<br />
wie Glenn Miller, nur mit ü. Ich sagte dann:<br />
„Glünn ist aber ein komischer Vorname.“ Ich<br />
konnte mir also selbst nicht vorstellen, dass<br />
jemand Müller heißt mit dieser Hautfarbe.<br />
Streitthemen künstlerische Freiheit,<br />
besonders Satire.<br />
Kunst darf polarisieren, sollte aber nicht zu<br />
weit gehen. Trash-TV lebt von Menschen,<br />
die polarisieren, es gibt aber Grenzen. Bitter<br />
in Erinnerung ist mir, dass Désirée Nick<br />
Barbara Becker rassistisch angegriffen hat<br />
und jetzt den Moralapostel spielt. Sie hatte<br />
Barbara Becker unterstellt, sich heller zu<br />
machen. Das geht zu weit! Vor 15 Jahren<br />
war die Situation wohl noch anders, es<br />
machte sich keiner Gedanken drüber. Oder<br />
auch in dem Film „Kevin allein zu Haus“, in<br />
dem das N-Wort gesagt wird als Gag.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
gloriaglamour.com, www.facebook.com/<br />
GloriaGlamourEntertainment