Zukunftsprojekt Mitbestimmung? - tuprints - Technische Universität ...
Zukunftsprojekt Mitbestimmung? - tuprints - Technische Universität ...
Zukunftsprojekt Mitbestimmung? - tuprints - Technische Universität ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
15 %). Im Gegensatz zu den Betrieben der Hardwareindustrie (Typ A), die alle bereits innerbetriebliche<br />
Auseinandersetzungen durchgemacht hatten, verfügten die Beschäftigten der<br />
Softwarebetriebe (Typ B) über keine betrieblich-kollektiven Krisenerfahrungen (ebd.,<br />
S. 110 ff.). Diese Spaltung in der Kultur der IT-Industrie hat, wie die Autorin weiter referiert,<br />
tiefgreifende Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen in den Unternehmen. 9<br />
Insgesamt konstatiert die Autorin für die traditionellen Hardwareunternehmen zum Untersuchungszeitpunkt<br />
einen deutlichen Deregulierungstrend hinsichtlich formaler <strong>Mitbestimmung</strong>smöglichkeiten<br />
und kollektivvertraglicher Absicherungen. Die Entwicklung des betrieblichen<br />
Sozialgefüges in den Hardwareunternehmen sei davon geprägt gewesen, daß in Abkehr<br />
von den traditionell-bürokratischen Strukturen der Mutterkonzerne in diesen Tochterunternehmen<br />
versucht worden sei, „flachere Hierarchien“ mit neuen Managementkonzepten<br />
zu etablieren. Dabei seien bestehende tarifvertragliche Bindungen verstärkt in Frage<br />
gestellt worden, 10 ohne daß endgültig absehbar gewesen sei, wohin sich die Regulationsformen<br />
in diesen Unternehmen entwickeln würden. „Das betriebliche Sozialgefüge befindet<br />
sich folglich im Übergang von tradierten, festen Strukturen und verläßlichen Traditionen in<br />
den industriellen Beziehungen zu neuen Gegebenheiten, die – so Managementaussagen –<br />
‚dienstleistungsgemäßer‘ sind. Die Karten im Herrschaftsgefüge werden neu gemischt, aber<br />
noch ist nicht eindeutig erkennbar, wie die neuen Spielregeln am vorläufigen Ende des Umstrukturierungsprozesses<br />
lauten werden“ (ebd., S. 109).<br />
1.1.2 Der Umbruch der Produktions- und Arbeitsstrukturen<br />
Die vorliegenden Analysen zum Wandel der Arbeitsbeziehungen in der IT-Industrie verweisen<br />
auf eine grundlegende Verschiebung zentraler Einflußgrößen bei der Ausgestaltung der<br />
Formen und Praxen des Interessenaustauschs. Dies sind die Restrukturierungsprozesse im<br />
Bereich der Produktions- und Arbeitsformen sowie die Ausbreitung hochqualifizierter Be-<br />
9 In den von ihr untersuchten Betrieben des Typs A liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad<br />
der Beschäftigten zwischen knapp 5 und 30 %. Eine tarifvertragliche Bindung war realisiert oder<br />
Gegenstand aktueller betrieblicher Auseinandersetzungen. In allen fünf Betrieben bestand ein gewählter<br />
Betriebsrat (ebd., S. 107ff.). Anders verhält es sich mit den Unternehmen des Typs B. Nur<br />
die Hälfte der untersuchten sechs Betriebe wies einen Betriebsrat auf. Nur einer verfügte über einen<br />
Haustarifvertrag, die übrigen fünf Betriebe waren nicht tarifgebunden. In dem Segment der<br />
Softwareindustrie existierte kein eigenständiger Arbeitgeberverband. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad<br />
der Beschäftigten lag bei weniger als 3 % (Trautwein-Kalms 1995, S. 110f.). „Die<br />
meist jungen Beschäftigten denken und handeln individualistisch. Ihre beruflichen Aufstiegsperspektiven<br />
liegen jenseits des gegenwärtigen Arbeitsverhältnisses, das für sie häufig nur ein<br />
Durchgangsstadium darstellt. Die relativ kurze Firmengeschichte, die kleinbetriebliche Struktur und<br />
die homogene Belegschaftsstruktur von Hochqualifizierten sowie die geringe Konflikt- und Krisenerfahrung<br />
im Betrieb prägen das spezifische betriebliche Sozialgefüge, das sich gegen traditionelle<br />
Gewerkschaftspolitik verschießt. Interessenpolitisch scheint sich in der letzten Zeit jedoch<br />
eher ein Trend zu verlässlicheren Strukturen und zur Annäherung an gewerkschaftliche Positionen<br />
abzuzeichnen.“ (Ebd., S. 114)<br />
10 „Die Unternehmens-Umstrukturierung ist mit dem Versuch der Deregulierung als Ab- und Umbau<br />
tariflicher und anderer Regelungsstrukturen, neuen Anforderungen an die Interessenvertretung<br />
und insgesamt mit der Veränderung des betrieblichen Sozialgefüges einschließlich der Infragestellung<br />
tradierter 'betrieblicher Übungen' im betrieblichen Herrschaftsgefüge verbunden. Die gewohnte<br />
Berechenbarkeit der individuellen betrieblichen Arbeitsperspektive geht der Belegschaft<br />
verloren.“ (Ebd., S. 114)<br />
Seite 12 von 287 Andreas Boes: <strong>Zukunftsprojekt</strong> <strong>Mitbestimmung</strong>?