Der Augustdorfer: 120 Jahre Bäckerei Gräser
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Geschichten „von früher“<br />
Das würde sich schon für ein Treiben lohnen. Aber wir hatten<br />
ja den allergrößten Teil des Weges um das Waldstück<br />
noch vor uns. Ich tapfer hinter meinem Vater her, immer<br />
durch den tiefen Schnee. Hier und da wurde mir die eine<br />
oder andere Fährte oder Spur erklärt.<br />
Kurz bevor wir an den Ausgangspunkt zurückgekehrt waren,<br />
blieb mein Vater stehen. Im Flüsterton sagte er: „Die<br />
Sauen sind nur dahinten in die Dickung rein, aber nirgendwo<br />
wieder raus. Das sieht nach einer Drückjagd heute<br />
Nachmittag aus.“ Wir beschleunigten unseren schwierigen<br />
Gang, um wieder auf die „Breite Naht“ zu kommen.<br />
Aber kurz vor unserem Startpunkt erlebten wir eine unliebsame<br />
Überraschung: Die große Rotte Sauen war wenige<br />
Meter von der Stelle, wo sie eingewechselt war, wieder<br />
raus. Große Enttäuschung bei uns beiden, denn damit war<br />
auch die erwartete Treibjagd zu vergessen.<br />
Neben der besonderen Situation von uns drei Brüdern im<br />
Forsthaus gab es aber auch die ganz normalen Winterfreuden<br />
oder –leiden, die man als Kind erleben konnte.<br />
Östlich des Eichenweges sind ganz weit oben auf dem Feld<br />
des Bögerhofs zwei große quadratische Kuhlen, die zu damaliger<br />
Zeit, in den 50er <strong>Jahre</strong>n, regelmäßig mit Wasser<br />
gefüllt waren. Man muss aber eher sagen, mit Abwasser<br />
aus der Kaserne. Mit diesem Abwasser wurden damals über<br />
ein weit verzweigtes Grabensystem die Felder zwischen<br />
Kaserne und Eichenweg berieselt. Und ein Teil dieses Wassers<br />
landete dann in diesen beiden Kuhlen neben dem<br />
Eichenweg. Immerhin waren sie groß genug, dass man<br />
als kleiner Junge darauf Schlittschuh laufen konnte. Und<br />
die „Hänge“ konnten bei Schnee zum Vergnügen mit dem<br />
Schlitten benutzt werden.<br />
Zu damaliger Zeit gab es natürlich auch schon Wollpullover<br />
und dicke Jacken. Aber ich erinnere mich, dass ich<br />
oft genug vor Kälte heulend die 100m nach Hause zurückgelaufen<br />
bin, um mich kurz am Küchenherd aufzuwärmen<br />
und gleich wieder loszulaufen.<br />
Die Schlittschuhe waren allerdings eine Sache für sich.<br />
Sie wurden mit einem besonderen Schlüssel, mit dem man<br />
auch die große Uhr aufziehen konnte, am Absatz und an<br />
der Sohle der Schuhe festgeschraubt. Ich hatte keine entsprechenden<br />
Schuhe und deshalb ein Paar Stiefel meiner<br />
Mutter, die mir passten, zweckentfremdet. Das „Fahrgefühl“<br />
war erstmal ganz gut. Aber nach kurzer Zeit spielte<br />
der eine Absatz nicht mehr mit. Es muss ganz großen<br />
Ärger gegeben haben, das kann nicht anders sein. Aber<br />
ich kann mich nicht an besondere Maßnahmen erinnern.<br />
Meine Mutter war damals sehr leidensfähig.<br />
Schlittschuhe und Schlindern waren natürlich für jeden<br />
richtigen Winter ein Thema. Auf dem Schulhof der Schule I,<br />
heute Jugendzentrum an der Pivitsheider Straße, war ich<br />
sehr beeindruckt von den Mitschülern, die auf ihren Holzschuhen<br />
sehr gut schlindern konnten. Besonders gut ging<br />
es neben dem Toilettenhaus her den Hang hinunter in Richtung<br />
des Spielplatzes, der heute neu hergerichtet wird.<br />
Ich war von den Holzschuhen so fasziniert, dass ich keine<br />
Ruhe gab, bis ich auch welche hatte. Für viele meiner Mitschüler<br />
waren sie eine Selbstverständlichkeit.<br />
Die Bentteiche waren gut für höhere Ansprüche an das<br />
Eislaufen. Aber dieses Erlebnis habe ich nur selten gehabt.<br />
<strong>Der</strong> lange Weg dahin ließ uns schon durchgefroren<br />
dort ankommen. Da waren wir lieber mit unserer „Hausbahn“<br />
auf der Bögerwiese zufrieden. Von dort aus konnten<br />
wir uns zwischendurch mal an Mutters Herd aufwärmen.<br />
Auf der westlichen Seite des Eichenweges lag der Acker<br />
vom Bauern Heitkämper und rechts das Feld des Bauern<br />
Böger. Auf beiden Seiten des Weges stehen dicke Eichen,<br />
die eine wunderschöne Allee bilden.<br />
Genau auf der Höhe des Weges ist ein Sprung im Gelände.<br />
Das Land von Heitkämper liegt ca. einen Meter höher als<br />
der Eichenweg und der Acker auf der anderen Seite. <strong>Der</strong><br />
Bauer Heitkämper hatte diesen Höhenunterschied ganz in<br />
der Nähe seines Hofes sehr praktisch ausgenutzt. Er hatte<br />
eine begehbare Miete in den Hang eingegraben. Hier<br />
konnten nach der Ernte Möhren, Kartoffeln und andere<br />
Früchte kühl gelagert werden. Hinter einer Treppe war<br />
vom Eichenweg her, gut sichtbar, eine sehr geheimnisvoll<br />
wirkende verschlossene Tür zu erkennen.<br />
Und wenn es, wie schon erwähnt, den vielen Schnee im<br />
Winter gab, verschwand der Eichenweg in einer mindestens<br />
200m langen Schneewehe. Man musste daher am<br />
Rand vom Heitkämper-Feld laufen, wenn man zum Schulbus<br />
ging. Was nicht heißt, dass man als kleiner Junge<br />
nicht auch in der riesen Schneewehe sein Vergnügen finden<br />
konnte.<br />
Eine ähnliche Schneeverwehung gab es auf dem Pastorenweg.<br />
Das war dadurch möglich, dass Wind und Schnee<br />
freies Spiel hatten, weil auf beiden Seiten des Pastorenweges<br />
weit und breit kein Haus im Wege stand. Da war<br />
dann tagelang kein Durchkommen.<br />
An eine der Winterfreuden im Försterhaus kann ich mich<br />
auch noch sehr gut erinnern. Bei sehr starker Schneelage<br />
entstand die Notwendigkeit, das Wild zu füttern. An geländegängige<br />
Fahrzeuge wie einen Unimog war noch gar<br />
nicht zu denken.<br />
So hatte unser Vater den Sohn vom Bögerhof engagiert.<br />
Kurt Böger oder Bögerdoktor, wie er damals von den <strong>Augustdorfer</strong>n<br />
genannt wurde, weil er in Detmold zur Schule<br />
ging, kam mit dem Pferd Perle und einem Kastenschlitten.<br />
<strong>Der</strong> wurde mit Eicheln, Kastanien und Heu beladen.<br />
Und dann ging es ab in die Senne. Wir Kinder, dick und<br />
warm verpackt, lauschten den Erzählungen unseres Vaters<br />
und des Schlittenkutschers.<br />
Viele <strong>Jahre</strong> später erst habe ich mit meiner Familie eine<br />
ähnliche Schlittenfahrt in Masuren machen können.<br />
von Klaus Mai<br />
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<strong>Der</strong> <strong>Augustdorfer</strong>/ April - Mai '21