Der Windische Bauernaufstand von 1573 - Historicum.net
Der Windische Bauernaufstand von 1573 - Historicum.net
Der Windische Bauernaufstand von 1573 - Historicum.net
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Winfried Schulze<br />
Klagen gegen ihre Obrigkeiten, etwa in der Reichskammergerichtsordnung,<br />
belegen diese Tendenz ex negativo.<br />
Bestimmt man so vorläufig die politische Bedeutung bäuerlicher Schichten<br />
im späten 16. Jahrhundert, so scheint damit auch ein Anhaltspunkt gegeben<br />
zu sein, um die Bauernaufstände, die nach dem Bauernkrieg in<br />
Deutschland zu verzeichnen sind, einzuordnen. Ihnen müßte dann stärkeres<br />
Gewicht beigemessen werden als nur regionalen Besonderheiten, die eigentlich<br />
gar nicht mehr in die Epoche der durch den Ausgang des Bauernkrieges<br />
domestizierten bäuerlichen Schichten passen. Vielmehr wäre die Frage zu<br />
stellen, ob in den Bauernaufständen des späten 16. Jahrhunderts nicht eher<br />
Aufstandsbewegungen zu sehen sind, die deshalb besondere Bedeutung verdienen,<br />
gerade weil sie in einer Zeit erfolgten, in der der Ausgang des<br />
Bauernkrieges in breiten bäuerlichen Schichten nur allzu bewußt war und<br />
in der über die Chancen einer meist lokal oder regional begrenzten Aufstandsbewegung<br />
keine Zweifel bestehen konnten. Ferner wäre die Frage zu<br />
stellen — und dies scheint mir für die österreichischen und kroatisch-slawonischen<br />
Verhältnisse des späten 16. Jahrhunderts wichtig zu sein — ob nicht<br />
in diesen regionalen Aufstandsbewegungen ein in einem bestimmten Sinne<br />
normales soziales Handeln zu sehen ist. Normal insofern nämlich, als in dem<br />
Herrschaftssystem der feudalen Territorialstaaten des späten 16. Jahrhunderts<br />
Bauernaufstände eine regulative Funktion für die Ausübung <strong>von</strong><br />
Herrschaft schlechthin darstellten. Das würde bedeuten, daß der Aufstand<br />
für die Bauern ein Mittel war, um — unabhängig <strong>von</strong> der Erfolgsaussicht —<br />
deutlich zu machen, daß eine bestimmte „Reizschwelle" in der Ausübung <strong>von</strong><br />
ökonomischer, rechtlicher oder persönlicher Herrschaft auf der lokalen oder<br />
territorialen Ebene erreicht wurde, die auf einem bestimmten Entwicklungsstand<br />
der Herrschaftsverhältnisse nicht mehr hingenommen werden kann.<br />
Für die andere Seite der Grundherren oder der Landesherrschaft würde<br />
diese Annahme bedeuten, daß sich Herrschaft über bäuerliche Schichten immer<br />
nur so weit intensivieren läßt, wie die erwähnte „Reizschwelle" nicht<br />
tangiert wird. Bäuerlicher Aufstand muß deshalb in dem Herrschaftssystem<br />
der vorwiegend agrarisch strukturierten Territorialstaaten, mit denen wir<br />
es in unserem Untersuchungsbereich vorwiegend zu tun haben, vor allem als<br />
Faktor angesehen werden, der die Möglichkeiten <strong>von</strong> Herrschaftsausübung<br />
und möglicher Intensivierung dieser Herrschaft im positiven wie negativen<br />
Sinne begrenzt. Diese Funktion scheint aber notwendig in einem Herrschaftssystem,<br />
das durch die Parallelität <strong>von</strong> ökonomischer und rechtlich-politischer<br />
Herrschaft und durch das weitgehende Fehlen <strong>von</strong> offiziellen Regulationsmechanismen<br />
zur Bestimmung des Ausmaßes dieser Herrschaft geprägt ist.<br />
Es liegt im Sinne dieser Argumentation, die mir nicht nur für den hier<br />
interessierenden Zeitraum wichtig zu sein scheint, daß man auch die Bauernaufstände<br />
des späten 16. Jahrhunderts als „normale" soziale Konflikte bezeichnen<br />
kann, bei denen es nicht darauf ankommen kann zu klären, warum<br />
sie überhaupt noch zu dieser Zeit ausbrechen, sondern vielmehr nach dem<br />
18