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rik Juni / Juli 2021

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MUSIK<br />

FOTO: WARNER MUSIC<br />

NACHGEFRAGT<br />

MARINA<br />

Zoom-Interview mit Katze<br />

Marina Diamandis plagen gleich<br />

mehrere Allergien. Dauernd muss<br />

sie niesen und schniefen, sie unterbricht<br />

sogar kurzfristig das Gespräch, um sich<br />

neue Taschentücher zu holen. Weil sie<br />

nicht in Bestform ist, möchte die Sängerin<br />

während des Zoom-Interviews die Kamera<br />

lieber ausgeschaltet lassen.<br />

Auch ohne Bildübertragung kriegt man<br />

allerdings einiges von ihrem Leben in Los<br />

Angeles mit. Eigentlich wollte sie dort<br />

lediglich ihr fünftes Album „Ancient Dreams<br />

in a Modern Land“ aufnehmen und dann<br />

wieder nach London zurückkehren, doch<br />

während des ersten Lockdowns beschloss<br />

die Waliserin, ganz nach Kalifornien zu<br />

ziehen. Mit ihrer schwarzen Katze, die sich<br />

lautstark bemerkbar macht, nachdem sie<br />

aufgewacht ist. Daran ist die 35-Jährige<br />

gewöhnt, somit bringt sie das Miauen nicht<br />

gleich aus der Fassung. Sie redet völlig<br />

gelassen weiter über das Konzept ihres<br />

jüngsten Langspielers. Im Grunde sei er in<br />

zwei Teile geteilt, sagt sie: „Die erste Hälfte<br />

fokussiert sich mehr auf das Sozialkritische,<br />

dann kommen die Trennungssongs.“<br />

Zu ihnen zählt zum Beispiel „I Love You,<br />

But I Love Me More“. Mit diesem Lied<br />

verabschiedet sich Marina, die ihren<br />

Künstlernamen Marina and the Diamonds<br />

schon mit ihrer letzten Platte „Love + Fear“<br />

abgelegt hat, endgültig von ihrem Exfreund.<br />

Es knüpft musikalisch zweifellos mit seinem<br />

eingängigen Indie-Pop an das Debüt<br />

„The Family Jewels“ an – was im Übrigen für<br />

die meisten Nummern gilt. Eine bewusste<br />

Entscheidung sei das aber nicht gewesen,<br />

hält Marina dagegen: „Wahrscheinlich stellt<br />

sich dieser Sound einfach ein, wenn ich<br />

alleine schreibe.“<br />

So entstanden Ohrwürmer wie „Purge<br />

the Poison“. In dieser Powerpop-<br />

Nummer bringt Marina allerlei Themen<br />

von Rassismus über Frauenhass, #MeToo,<br />

Quarantäne und Mutter Natur bis zu<br />

Menschlichkeit aufs Tableau. „Es hat 91<br />

Botschaften“, witzelt sie. „Im Ernst: Dieser<br />

Track entstand zu Beginn der Pandemie,<br />

also in einer äußerst verwirrenden Zeit.<br />

Mein Ziel war es, Schnappschüsse des 21.<br />

Jahrhunderts einzufangen.“ Mal erinnert<br />

sie daran, wie sich Britney Spears 2007 ihre<br />

Haare abrasiert hat. Mal beschwört sie den<br />

Harvey-Weinstein-Missbrauchsskandal<br />

herauf: „Letztlich wirft dieser Song die Frage<br />

auf: Was ist eigentlich Weiblichkeit?“<br />

Die Bedürfnisse der Frauen treiben<br />

Marina auch in dem Stück „Man‘s World“,<br />

für dessen Produktion sie sich ein rein<br />

weibliches Team zur Seite stellte, um. Da<br />

spricht sie mit der Zeile „I don‘t wanna live<br />

in a man‘s world anymore“ Klartext. „Ich<br />

kämpfe jeden Tag gegen das Patriarchat“,<br />

erklärt sie. „Meiner Ansicht nach profitieren<br />

Männer von Gleichberechtigung nicht<br />

weniger als wir Frauen.“ Ginge es nach ihr,<br />

dann dürfte sich niemand über andere<br />

erheben. Insbesondere die Diskriminierung<br />

von Minderheiten wie LGBTIQ*-Bewegung<br />

geht ihr gegen den Strich. Nicht umsonst<br />

spielt sie in „Man‘s World“ auf einen Sultan<br />

an, der in seinem Land die Todesstrafe für<br />

Homosexuelle eingeführt hat. Gemeint<br />

ist Hassanal Bolkiah, ihm gehört das<br />

„Beverly Hills Hotel“ in Los Angeles. „Wie<br />

kann jemand auf der einen Seite ein<br />

wunderschönes Hotel besitzen, das bei<br />

der queeren Community extrem angesagt<br />

ist und auf der anderen Seite homophob<br />

sein“, empört sich Marina. „Ich habe gehört,<br />

dass dieser Mann in seiner Heimat Schwule<br />

zu Tode steinigen lässt.“ Nicht nur für die<br />

Künstlerin ist das ein Verstoß gegen die<br />

Menschenrechte: „Keiner sollte aufgrund<br />

seiner Sexualität verurteilt werden.“<br />

*Dagmar Leischow

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