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TITEL INTERVIEW WIR SIND MITTELSTAND
Wie sind die Betriebe für die Zukunft nach der
Pandemie aufgestellt?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten.
Das hängt selbstverständlich stark von der Branche
ab und der Frage, ob diese überhaupt zukunftsfähig
ist. Ein Beispiel: Die Reisebranche
hatte schon vor der Pandemie ihre Probleme. Diese
dürften sich durch die Pandemie eher noch verschärft
haben. Hier bedarf es zum Teil völlig neuer
Konzepte. Und generell gilt: Innovationen sind
der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. Nur neue
Produkte und Verfahren, die im internationalen
Vergleich wettbewerbsfähig sind, versprechen
nachhaltigen Erfolg. Der Schlüsselfaktor dafür
sind Forschung und Entwicklung. Und hier brauchen
wir deutlich verbesserte Rahmenbedingungen,
nicht zuletzt im steuerlichen Bereich.
Welches sind hier die größten Herausforderungen?
Eine große Herausforderung ist der Glaube an die
Zukunft. Was in der Pandemie geschehen ist, war
von niemandem vorhersehbar. Es hat gezeigt,
dass das unternehmerische Risiko Situationen
ausgesetzt ist, die rein gar nichts mit unternehmerischem
Können zu tun haben. Deshalb ist es eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Unternehmertum
wertzuschätzen und zu fördern. Mit Verlaub:
Deutschlands Wohlstand wird nicht in Amtsstuben,
sondern an Werkbänken erwirtschaftet. Wir
brauchen so etwas wie eine neue Gründungskultur.
Von neuen und jungen Unternehmen können
neue Wachstumsimpulse ausgehen. Die Pandemie
hat zu einem massiven Erstarken der Staatswirtschaft
geführt. Das müssen wir zugunsten eines
marktwirtschaftlich und freiheitlich ausgerichteten
Unternehmertums wieder korrigieren.
Corona hat auch auf die Ausbildungsbereitschaft
Einfluss genommen. Wird es dennoch
gelingen, beim Fachkräftemangel eine Umkehr
zum Besseren zu erreichen?
Ohne Zweifel haben die Pandemie und ihre wirtschaftlichen
Auswirkungen auch Konsequenzen
für den Ausbildungsmarkt. Nur Unternehmen,
die wirtschaftlichen Erfolg haben, können auch
ausbilden. Es fällt keinem Mittelständler leicht,
wenn er bei der Ausbildung einsparen muss.
Denn klar ist: Der Fachkräftemangel bleibt eine
der größten Herausforderungen für die nächsten
Jahre und Jahrzehnte. Unser Eindruck ist, dass
überall dort, wo es möglich war, an Fachkräften
festgehalten wurde, weil man um die Knappheit
gut qualifizierter Arbeitskräfte in der Zukunft
weiß. Schon bevor Baustoffe knapp und teuer
wurden, mussten Handwerker häufig Aufträge
ablehnen, weil ihnen schlicht Personal fehlte.
Gibt es Geschäftsmodelle, die vor dem Aus
stehen und welche Konzepte sind andererseits
besonders zukunftsträchtig?
Im klassischen Einzelhandel sind erhebliche Einbrüche
zu befürchten. Das hat natürlich etwas damit
zu tun, dass sich das Einkaufsverhalten der
Konsumenten rasant verändert hat. Auch das war
schon vor der Pandemie der Fall, hat sich aber in
den vergangenen zwölf Monaten massiv verstärkt.
Fachgeschäfte, die auf Beratung setzen, werden
aber auch zukünftig ihre Chancen haben. Hier
wird es aber auch zu neuen Geschäftsmodellen
kommen müssen. Auch Reisebüros dürften es
künftig noch schwerer haben. Wer sich aber auf
bestimmte Nischen spezialisiert, der dürfte auch
künftig noch am Markt bestehen können. Ganz
generell gilt, dass Nutzungs- und Kommunikationsverhalten
der Verbraucher ändert sich rasant.
Die Sozialen Medien haben längst die klassischen
Informationskanäle ersetzt. Diese Entwicklung
hat die Pandemie aber nicht ausgelöst, sondern lediglich
beschleunigt.
Welche Forderungen stellen Sie als Mittelstandsverband
an die Politik?
Wir brauchen so etwas wie eine „Post-Corona-
Agenda“: Wir müssen vor allem die nachhaltige
Entlastung von Bürgern und Unternehmen, die
längst überfällige Ent-Bürokratisierung auf allen
staatlichen Ebenen, die Stärkung von Risikokapital
und eine echte Bildungsoffensive, die diesen
Namen auch verdient, angehen und dann auch
rasch umsetzen. Die Unternehmen müssen endlich
aus dem Zangengriff aus immer höheren
Steuern und Abgaben befreit werden. Statt in
Sonntagsreden den Mittelstand hoch leben zu lassen,
muss die Politik ihn endlich entlasten.
Das Gespräch führte Stefanie Bona
Foto:BVMW/Philipp Wehrend
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