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BIBER 07_21 Ansicht

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3

minuten

mit

Bilal

Albeirouti

Der erste aus Syrien geflüchtete Tramfahrer

Wiens Bilal Albeirouti wird auf

der Straße von Fremden angesprochen,

ärgert sich über unbeaufsichtigte

Kinder und verrät uns im Kurzinterview

seine Lieblingsstrecke.

Interview: Amar Rajković, Foto: Zoe Opratko

BIBER: Bilal, du fährst seit zwei Monaten

als Bimfahrer die WienerInnen in

Ihre Arbeit oder zu ihren Liebsten. Welche

Strecke gefällt dir am meisten?

BILAL ALBEIROUTI: Die 2er Linie, weil

sie so abwechslungsreich ist. Sie fängt

im 16. Bezirk mit dem Brunnenmarkt

an. Dann kommt der gutbürgerliche 8.

Bezirk, bevor man entlang des Rings

fährt und in den jüdisch geprägten 2.

Bezirk einbiegt. Schlussendlich landet

man am Friedrich-Engels-Platz, direkt

an der Donau.

Du scheinst der syrische Shootingstar

in Wien zu sein. Zuerst der „Profil“-

Artikel, dann das Video deines neuen

Arbeitgebers Wiener Linien. Wie

reagieren die Menschen, wenn sie dich

auf der Straße sehen?

Wenn ich mit meiner Frau und unseren

zwei Kindern auf der Straße gehe,

werden wir immer von jemandem

angesprochen. Viele holen sich Rat,

wie man Straßenbahnfahrer wird, was

man beim Reaktionstest berücksichtigen

muss. Eine Facebook-Seite hat

den Artikel über mich Wort für Wort

ins Arabische übersetzt. Zu Eid Al-Fitr

(Zuckerfest) bekam ich viele Glückwünsche

von unbekannten Menschen. Es

ist unglaublich.

Und deine Familie?

Mein achtjähriger Sohn Mohammed

wurde in der Schule von LehrerInnen

und MitschülerInnen auf mich angesprochen.

Er ist stolz auf mich, weil

ich die Prüfung mit sehr guten Noten

abgelegt habe.

Was reizt dich am meisten an deinem

neuen Job?

Du bist der Chef im Zug, ja sogar der

Chef der ganzen Straße. (lacht) Hier

begrüßen mich Polizisten, in Syrien

wollte man der Polizei nur aus dem

Weg gehen, weil sie korrupt ist. Die

Verantwortung für bis zu 100 Fahrgäste

zu tragen, macht mich stolz und

zeigt mir aber auch: Ich muss jeden

Tag dazulernen, das erlernte Wissen

umsetzen und 1000-prozentig aufmerksam

sein, die ganze Zeit. Und ich bin

mittlerweile auch körperlich topfit, was

für den Fahrtdienst unbedingt notwendig

ist.

Warum?

Ich hatte mich letztes Jahr vor dem

Lockdown beworben und alle Tests bis

auf den Gesundheitscheck bestanden.

Ich war schlichtweg zu dick. Elf Kilo

Gewichtsverlust später wurde ich aufgenommen,

musste aber bis zu diesem

Jahr warten, weil Corona dazwischen

kam.

Als Bimfahrer wirst du sicher einige

Mundartbegriffe gelernt haben. Welcher

war der letzte?

Meine KollegInnen sagten immer

wieder am Ende des Dienstes „Pfiati“.

Zuerst dachte ich mir „Hä, warum ein

Viertel?“, bevor ich aus dem Kontext

heraus verstanden habe, dass es sich

um eine Verabschiedung handeln muss.

Wer ist er?

Name: Bilal Albeirouti

Alter: 40

Geburtsort: Damaskus

Besonderes: Bilal war vor einigen Jahren

Teilnehmer des biber-Medientrainings

für AsylwerberInnen.

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