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3
minuten
mit
Bilal
Albeirouti
Der erste aus Syrien geflüchtete Tramfahrer
Wiens Bilal Albeirouti wird auf
der Straße von Fremden angesprochen,
ärgert sich über unbeaufsichtigte
Kinder und verrät uns im Kurzinterview
seine Lieblingsstrecke.
Interview: Amar Rajković, Foto: Zoe Opratko
BIBER: Bilal, du fährst seit zwei Monaten
als Bimfahrer die WienerInnen in
Ihre Arbeit oder zu ihren Liebsten. Welche
Strecke gefällt dir am meisten?
BILAL ALBEIROUTI: Die 2er Linie, weil
sie so abwechslungsreich ist. Sie fängt
im 16. Bezirk mit dem Brunnenmarkt
an. Dann kommt der gutbürgerliche 8.
Bezirk, bevor man entlang des Rings
fährt und in den jüdisch geprägten 2.
Bezirk einbiegt. Schlussendlich landet
man am Friedrich-Engels-Platz, direkt
an der Donau.
Du scheinst der syrische Shootingstar
in Wien zu sein. Zuerst der „Profil“-
Artikel, dann das Video deines neuen
Arbeitgebers Wiener Linien. Wie
reagieren die Menschen, wenn sie dich
auf der Straße sehen?
Wenn ich mit meiner Frau und unseren
zwei Kindern auf der Straße gehe,
werden wir immer von jemandem
angesprochen. Viele holen sich Rat,
wie man Straßenbahnfahrer wird, was
man beim Reaktionstest berücksichtigen
muss. Eine Facebook-Seite hat
den Artikel über mich Wort für Wort
ins Arabische übersetzt. Zu Eid Al-Fitr
(Zuckerfest) bekam ich viele Glückwünsche
von unbekannten Menschen. Es
ist unglaublich.
Und deine Familie?
Mein achtjähriger Sohn Mohammed
wurde in der Schule von LehrerInnen
und MitschülerInnen auf mich angesprochen.
Er ist stolz auf mich, weil
ich die Prüfung mit sehr guten Noten
abgelegt habe.
Was reizt dich am meisten an deinem
neuen Job?
Du bist der Chef im Zug, ja sogar der
Chef der ganzen Straße. (lacht) Hier
begrüßen mich Polizisten, in Syrien
wollte man der Polizei nur aus dem
Weg gehen, weil sie korrupt ist. Die
Verantwortung für bis zu 100 Fahrgäste
zu tragen, macht mich stolz und
zeigt mir aber auch: Ich muss jeden
Tag dazulernen, das erlernte Wissen
umsetzen und 1000-prozentig aufmerksam
sein, die ganze Zeit. Und ich bin
mittlerweile auch körperlich topfit, was
für den Fahrtdienst unbedingt notwendig
ist.
Warum?
Ich hatte mich letztes Jahr vor dem
Lockdown beworben und alle Tests bis
auf den Gesundheitscheck bestanden.
Ich war schlichtweg zu dick. Elf Kilo
Gewichtsverlust später wurde ich aufgenommen,
musste aber bis zu diesem
Jahr warten, weil Corona dazwischen
kam.
Als Bimfahrer wirst du sicher einige
Mundartbegriffe gelernt haben. Welcher
war der letzte?
Meine KollegInnen sagten immer
wieder am Ende des Dienstes „Pfiati“.
Zuerst dachte ich mir „Hä, warum ein
Viertel?“, bevor ich aus dem Kontext
heraus verstanden habe, dass es sich
um eine Verabschiedung handeln muss.
Wer ist er?
Name: Bilal Albeirouti
Alter: 40
Geburtsort: Damaskus
Besonderes: Bilal war vor einigen Jahren
Teilnehmer des biber-Medientrainings
für AsylwerberInnen.
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