Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
BIBER: Welche Sprachen sprichst du?
MATEA BRANDALIK: Meine Muttersprache
ist B/K/S, ich bin aber auch mit
Englisch aufgewachsen. Dann spreche
ich noch Deutsch, Französisch, Italienisch,
Spanisch, Portugiesisch, Rumänisch,
Dänisch, Griechisch, Arabisch,
Farsi, Türkisch, Russisch, Weißrussisch,
Tschechisch, Slowenisch, Mazedonisch,
und Bulgarisch. Und seit Neuestem lerne
ich Irisch.
Besuchst du für jede einzelne Sprache
Unterricht?
Das kommt darauf an, ob ich aus derselben
Sprachgruppe schon eine andere
Sprache beherrsche oder nicht. Mazedonisch
habe ich mir selbst beigebracht,
indem ich mit mazedonischen Freunden
gesprochen habe. Es ist ja dem B/K/S
sehr ähnlich. Hingegen musste ich mir
für Irisch ein Buch kaufen und eine
besondere App runterladen. Da müsste
ich einen Kurs besuchen, da das die
erste keltische Sprache ist, mit der ich in
Kontakt bin.
Hast du eine Strategie, um bei so vielen
Sprachen nicht durcheinander zu kommen?
Ich habe keine besondere Strategie,
außer, dass ich die Sprachen ständig
verwende. In meinem Kopf hat jede
Sprache ihren eigenen „Ordner“. Es kann
natürlich immer passieren, dass ich Wörter
vertausche oder falsch konjugiere.
Das Wichtigste ist, dass man mit Leuten
redet. Ohne Sprechen geht es einfach
nicht. Selbst wenn ich eine Sprache nur
auf A1 Niveau beherrscht habe, fing ich
immer wieder an, mit Muttersprachlern
zu reden. Ich war immer sehr offen
und habe mich nie geschämt Fehler zu
machen.
Bedeutet das nicht, dass du ständig viel
mühsame Grammatik lernen musst?
Bei Arabisch, Türkisch und Persisch, die
ich während meines Studiums gelernt
habe, beschäftige ich mich auch mit
tieferen grammatikalischen Themen, die
man selbst als Muttersprachler nicht wissen
muss. Bei anderen Sprachen, die ich
aus Interesse lerne, baue ich den Wortschatz
im Gespräch auf. Ich sage Leuten
immer, dass sie mich gleich korrigieren
sollen, wenn ich Fehler mache, damit ich
mich nicht an sie gewöhne.
Was ist für dich das Beste am Dasein als
polyglotte Person?
Ich bekomme in der türkischen Bäckerei
oft mal etwas mit Rabatt oder sogar
gratis. Ich habe einmal in der Nähe vom
Brunnenmarkt gewohnt, das war sehr
praktisch! Immer wieder geschehen
witzige Dinge. In der U-Bahn höre ich oft
Sachen, die ich nicht hören sollte. (lacht)
Viele Menschen geben immens viel
Geld für Sprachkurse, Bücher, Apps und
dergleichen aus. Wie lernt man eine
Sprache ohne hohe Ausgaben?
Es hängt natürlich von der gewünschten
Sprache ab, aber nehmen wir einmal
Spanisch oder Italienisch als Beispiel.
Man kann sich die Basics im Alleingang
aufbauen und sich dann einen
Sprachtandempartner suchen, mit dem
man das Sprechen übt. Das Gute am
Tandem ist, dass dein Partner auch Hilfe
mit deiner Muttersprache braucht. Das
ist nicht nur ziemlich effektiv, sondern
baut auch Hemmungen ab. Und nebenbei
findet man dabei auch neue Freunde!
Ich kann auch Sprachencafés stark empfehlen.
Es war jedenfalls vor Corona so,
dass es bis zu zehn Tische gegeben hat,
wo jeder eine unterschiedliche Sprache
üben konnte. Pro Tisch gibt es eine Person,
die die Sprache perfekt beherrscht,
um Fehler auszubessern.
Gibt es Sprachen, die du lieber sprichst
als andere?
Ich liebe alle diese Sprachen, als ob
es meine Kinder wären. Ich kann nur
schwer sagen, dass ich eine Sprache
mehr mag als die andere! Die Sprache,
in der ich häufig nachdenke, ist Englisch.
Meine Mutter sagt, dass ich im
Schlaf manchmal Spanisch spreche. Ich
finde, dass Schimpfen auf Russisch viel
besser klappt als auf Deutsch. Romantik
überlasse ich dem Arabischen. Gedichte
lese ich am liebsten auf Portugiesisch,
ich fühle sie ganz anders. Und auf Griechisch
bin ich wesentlich lauter als auf
Tschechisch!
Gibt es einen Ort, an dem du dich mit
deinen Sprachkenntnissen wirklich
zuhause fühlst?
Ich liebe Belarus, das ist meine zweite
Heimat. Mir tut es im Herzen weh, was
nach den Präsidentschaftswahlen und
den Protesten dort passiert. Und, wenn
man die Sprachsituation betrachtet, ist
mir letztes Jahr auch aufgefallen, wie
schlecht es um die Sprache Weißrussisch
steht. 90 Prozent der Menschen, mit
denen ich Belarusisch sprechen wollte,
haben mich zwar verstanden, aber antworteten
mir auf Russisch. Belarusisch
ist im Begriff auszusterben, einige Landsleute
haben kein Wort verstanden. Die
Identität der Weißrussen ist stark geprägt
von der Beziehung zu Russland, die
Lukashenko unterhält. Belarusisch wird
von der UNESCO schon seit Jahren als
potenziell gefährdete Sprache geführt.
Ich hoffe, dass sich das nun ändern wird.
Welche neuen Horizonte haben sich dir
durch deine Sprachkenntnisse eröffnet?
Ich verstehe andere Kulturen durch
die Landessprachen viel besser. Mir ist
aufgefallen, dass sich gewisse kulturelle
Aspekte gut durch Schimpfwörter
begreifen lassen. Auf Russisch beleidigt
man Menschen ganz anders als auf
Deutsch oder Französisch. Dafür scheint
es Parallelen zum Arabischen zu geben,
weil man viel auf die Eltern schimpft.
Sowas lernt man allerdings nicht im
Sprachkurs, sondern im alltäglichen
Kontakt mit Menschen. Das finde ich
sehr schade! Wenn meine Sprachschüler
mich nach Schimpfwörtern fragen und
wie man sie verwendet, versuche ich
das so gut wie möglich zu erklären. Im
Englischen sind Schimpfwörter überall
zu hören, und nicht so beleidigend. Im
Griechischen jedoch wäre es unmöglich,
in einer Arbeits- oder Studiensituation zu
schimpfen, wie man es mit Freunden tut.
Für die meisten Leute hört das Lernen
bei der zweiten Fremdsprache auf. Warum
hast du immer weitergemacht?
Mir wäre nie eingefallen, dass ich aufhören
könnte! Ich hab noch eine ganze
Liste von Sprachen, die ich unbedingt
lernen will. Zum Beispiel Maltesisch,
Hindi, Albanisch und Finnisch. Und diese
Liste wächst bestimmt weiter.
/ KARRIERE / 63