flip-Joker_2021-09
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Kunst KULTUR JOKER 9
James Ensor: „Der Tod und die Masken“, 1897
Foto: Liege Musee des beaux arts
Maler der Masken
Umfassende Einblicke in James Ensors Werk und Leben in der Sonderausstellung
„James Ensor“ in der Kunsthalle Mannheim
Die Masken weisen den Weg.
Im historischen Jugendstilgebäude
widmet die Kunsthalle
Mannheim James Ensor, dem
„Maler der Masken“, bis zum
3. Oktober eine Sonderausstellung.
Nicht ganz zufällig,
denn das Haus am Mannheimer
Friedrichsplatz hatte
1927 Ensors Gemälde „Der
Tod und die Masken“ gekauft
und dem belgischen Künstler
1928 schon einmal eine Einzelausstellung
ausgerichtet.
Den Nationalsozialisten galt
Ensors Kunst als „entartet“.
„Der Tod und die Masken“
wurde 1937 beschlagnahmt
und zwangsversteigert. Extra
für die Sonderausstellung ist
das Bild nach Mannheim zurückgekehrt.
In der Schau lernt man den
eigenwilligen James Ensor biografisch
und künstlerisch kennen.
Er wurde 1860 als Sohn
eines britisch-flämischen Ehepaars
im belgischen Ostende
geboren. Bis auf sein Studium
blieb er sein Leben lang im
Elternhaus. Andere Künstler
seiner Generation wollten
mindestens für einen Studienaufenthalt
nach Paris, um diese
Stadt und ihre Atmosphäre
in impressionistischen Farben
einzufangen. James Ensor
malte, zeichnete und radierte
Ostende und die Landschaft
um die belgische Hafenstadt.
Seine Radierungen sind filigrane
Miniaturkunstwerke.
Über zwei Stockwerke hinweg
erhält man einen umfassenden
Einblick in Ensors
Werk und auch in sein Leben.
Die Selbstbildnisse, Porträts
der Familienmitglieder und
Fotografien des Ateliers vermitteln
den Eindruck eines
bürgerlichen Lebens im 19.
Jahrhundert. Schwere Möbel,
durch Vorhänge abgedunkelte
Räume. Kein Wunder, dass
James Ensor Zeit seines Lebens
durch helle, verspielte,
manchmal kindhafte Grafiken
in eine Fantasiewelt wechselte.
Sein Vater war der Einzige,
der Ensors künstlerisches Talent
verstand und förderte. Den
Frauen der Familie wäre es
wohl lieber gewesen, er hätte
etwas „Vernünftiges“ gelernt
und den Souvenirladen weitergeführt.
Die Inspirationen aus dem
Souvenirladen seiner Eltern,
die Muscheln, die aus Asien
importierten Vasen, Fächer
und Figuren, entdeckt man in
Ensors Werk immer wieder.
Am deutlichsten in dem Ballett
„La gamme d’amour“, zu
Deutsch „Die Liebestonleiter“,
1922 uraufgeführt. Ensor entwarf
die Handlung, die Musik
und die Kostüme, die man auf
den 21 ausgestellten Lithografien
bewundern kann. Die
Muscheln und andere Gegenstände
aus dem Souvenirladen
von Brutonne und Grognelet
erwachen zum Leben und sorgen
dafür, dass sie der Hochzeit
ihrer Tochter Miamia mit
Fifrelin zustimmen. Ensor
schuf da eine eigene Welt aus
Elementen der Commedia
dell’arte, orientalischen Anleihen
und fantastischen Fabelwesen.
Eindrucksvoll sind James
Ensors Stillleben. Er verlieh
der niederländisch-flämischen
Tradition, Blumen, Gemüse
und tote Tiere in üppigen Farben
zu inszenieren, eine eigene
Dimension. „Die Austernesserin“
verkörpert sichtbar
den Genuss. Seine Darstellung
eines toten Rochen entwickelt
sich innerhalb von 12
Jahren von einer gelungenen
Abbildung zu einem Wesen
mit menschenähnlichen Zügen.
„Der tote Hahn“, von der
Kunsthalle Mannheim in den
1950er Jahren als Ersatz für
das zwangsversteigerte Gemälde
„Der Tod und die Masken“
erworben, rückt auch tatsächlich
den toten Hahn in den
Bildmittelpunkt. Im Hintergrund
ein weißes Tuch, hängt
der Hahn mit seinem farblich
perfekt getroffenen Gefieder
da, dass einem bewusst wird,
warum das Stillleben im Französischen
„Nature morte“
heißt, also „tote Natur“.
Der Tod ist ein prägendes
Thema, das sich über viele
Jahrzehnte durch James Ensors
Werk zieht. Er selbst stellte
sich auf einem Selbstporträt
mit einem Totenkopf dar. Seine
Eltern und seine Tante hat
Ensor gezeichnet bzw. gemalt,
als sie im Totenbett lagen. Das
klingt morbide, doch sieht
man den Bildern an, mit wie
viel Hingabe sie entstanden
sind. Hier zeigt sich die intensive
Auseinandersetzung des
Künstlers mit dem Tod, den er
für sich selbst in „Mein Porträt
im Jahre 1960“ durchgespielt
hat – da wäre Ensor Hundert
gewesen.
Der Tod trifft in Ensors Arbeiten
immer wieder auf das
andere große Thema, die Masken.
Dieses Sujet geht zurück
auf die große Karnevalstradition
in Ostende, die der Maler
ebenfalls im Bild eingefangen
hat. Zunehmend stehen die
Masken aber auch als Metapher
für die Kritiker, die Ensors
Arbeit nicht verstanden
haben, und auch für die Gesellschaft
allgemein. Nicht so
verzerrt und düster wie bei
Otto Dix, aber doch bewusst
überspitzt, tummeln sich allerlei
Masken im Großformat
in Ensors Bilderwelt. Aber sie
feiern nicht ungestört, der Tod
Clémence de Forceville,
Violine
Heiko Mathias Förster,
Dirigent
Philharmonie
Baden-Baden
Das Musikalische
Quintett – SWR 2
Igor Levit
Valery Gergiev
Münchner
Philharmoniker
Felix Klieser Trio
Lars Vogt, Klavier
Veronika Eberle,
Violine
Alban Gerhardt,
Violoncello
Claudio Vandelli, Dirigent
Würth Philharmonie
Infos unter
www.brahms-baden-baden.de
Tickets beim Ticketservice
und im Festspielhaus
BRAHMSTAGE
24. – 26.9.2021
Brahmsgesellschaft Baden-Baden e.V.
Unser
Kulturpartner
ist nicht fern. Er erscheint in
Gestalt kleiner, fliegender Sensenmänner
im Hintergrund. In
„Der Tod und die Masken“
mischt er sich unter die Feiernden
und steht mit breitem
Grinsen im Mittelpunkt. Das
ist aber nicht in dunkle Farben
gehüllt, sondern in strahlendes
Weiß, Himmelblau und leuchtendes
Rot.
Während das Spätwerk
anderer Künstler oft düster
wird, werden die späten Stillleben
bei Ensor immer leichter,
heller, luftiger. Selbst die
Wahrnehmung, dass die eigene
Lebenszeit abläuft, dargestellt
durch die alte Uhr, wirkt
keineswegs resigniert. An der
Seite locken tanzende Frauengestalten
als wollten sie sagen:
Tod, wo ist dein Stachel?
„James Ensor“, Kunsthalle
Mannheim, Friedrichsplatz 4.
Di, Do-So 10-18h, Mi 10-20h,
Eintritt 12€, erm. 10€, Abendkarte
8€, jeden 1. Mittwoch
im Monat von 18-22h freier
Eintritt, www.kuma.art. Bis 3.
Oktober 2021
Nike Luber
28. Brahmstage Baden-Baden