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Hochgefühle 03 2021

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Seite 8<br />

HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DES KLAGENFURTER ALPENVEREINS<br />

Wenn die Fragant ruft …<br />

Aus vielen Stimmen haben wir zwei ausgewählt, die ein Bild der Fragant zeichnen – Einst und Heute.<br />

Vom Teilnehmer<br />

zum Campleiter<br />

Juli 1979, bei extrem heißem Wetter steigen meine<br />

Eltern, Großeltern und ich (damals 10 Jahre alt) durch<br />

den steilen, sonnigen Himbeerschlag von Innerfragant<br />

Richtung Jugendherberge. Meine Schwester war dort<br />

von einer Schulfreundin zu einem 14-tägigen Berglager<br />

überredet worden, Walter Sumper war der Kursleiter<br />

gewesen. Oben angekommen begrüßt uns die<br />

uns bis dahin unbekannte Köchin Gundi so herzlich,<br />

als ob wir uns schon so lange kennen würden, wie<br />

wir uns dann letztlich später gekannt haben. Die Idylle<br />

war so überragend, dass ich den Charme, einmal 2<br />

Wochen weg von der Familie, alleine mit Freunden<br />

unbedingt im nächsten Sommer darauf auch erleben<br />

wollte – die Fragantsehnsucht war geboren.<br />

Vom ungeliebten Klodienst befreit<br />

Gesagt, getan, und es wurden dann 6 Berglager als<br />

Kursteilnehmer unter Hermann Schönthaler, Andi<br />

Steiner und Otto Umlauft. Gundi Kratzer als Köchin<br />

und Doris Wildmann als Küchenhilfe – rasch erkannte<br />

ich, dass die Meldung zum dauerhaften Holzdienst<br />

oder Milchdienst die besten Möglichkeiten waren,<br />

sich vom ungeliebten Klodienst befreien zu können.<br />

Dies hatte auch den Vorteil, von den beiden Küchenfeen<br />

öfters zum „Zuckersäcke schlichten“ in die hintere<br />

Speisekammer gebeten zu werden, was in Wirklichkeit<br />

jedoch ein Synonym war für „wir trinken ein<br />

Stamperl Schnaps …“<br />

Im „falschen“ Schlafsaal<br />

Neben dem Schnapstrinken und Holzmachen habe<br />

ich aber auch das Tischtennisspielen gelernt. Egal,<br />

wie müde wir von den Touren waren, danach ging<br />

es sofort an die Tische. Auch das Entkommen der<br />

Schlafsaal-Bestrafungen – sei es durch Mitbewohner<br />

mit Zahnpasta in der Nacht, oder durch Jugendführer,<br />

die Schranz-Hocke stehen ließen (weil wir im<br />

falschen Schlafsaal angetroffen wurden), niemals hat<br />

mich derartiges ereilt, da ich durch die „Fragantschule“<br />

mich regelkonform anzupassen gelernt hatte.<br />

Ans andere Ufer<br />

Und auch die Ehrfurcht vor der Kälte von Gebirgsseen<br />

lernte ich - wenn man den Rudensee durchschwimmt,<br />

verkrampf es einen so sehr, dass man fast nicht mehr<br />

kann, in Panik zu stehen versucht, jedoch, zum Stehen<br />

ist er aber in der Mitte zu tief – der Rückweg zu<br />

weit, also irgendwie dann doch weiter bis zum anderen<br />

Ufer …<br />

Gewitterwolken<br />

Und wenn das Geschirr auf einer 2-Tagestour zum<br />

Stoissispitz zu singen beginnt und die gekräuselten<br />

langen Haare des feschen Mädels vor mir wie Besenborsten<br />

vom Kopf weg stehen, dann ist man mitten<br />

drin in der ärgsten Gewitterwolke und merkt es noch<br />

gar nicht. Doch wo ein Nachteil, da auch ein Vorteil:<br />

die folgende Nacht am Berg, durchnässt zu viert im<br />

2-Mann-Zelt, nur damit wir uns irgendwie warm halten,<br />

war mein erster enger, nächtlicher Kontakt mit<br />

Weibsvolk :-)<br />

Lagerfeuerromantik<br />

Auch sei hier erwähnt, dass ich den coolen Typen<br />

beim Gitarrespielen am Lagerfeuer, wie ihn die Mädels<br />

da bewunderten, beneidete. Erst Jahr später erklärte<br />

er mir, dass er letztlich der Einzige blieb, der<br />

keine Fragant-Freundin ergatterte, da er ja durch das<br />

Gitarrespiel keine Hand mehr frei hatte zum „Handerl<br />

halten …“<br />

Eine Runde Kokettieren<br />

Die Jahre als Teenager & Kursteilnehmer waren dahin.<br />

Um das Fragant-Feeling weiter erleben zu können<br />

musste ich also die Seite wechseln und selbst<br />

Betreuer werden. Mit Jan Ankersmit verbindet mich<br />

seit dieser Zeit eine Freundschaft, denn diese 14<br />

Tage im Sommer gemeinsam die Kids unter Kontrolle<br />

zu halten und zu bespaßen, das schweißt zusammen.<br />

Was eine 4-Tage-Schlechtwetterfront gruppendynamisch<br />

so mit sich bringt hinsichtlich Lagerkoller, da<br />

waren dann später die meisten Probleme in meinem<br />

Beruf ein Lercherlschaß dagegen. Aufpassen, dass<br />

niemandem etwas passiert, die Kids zum Gehen (und<br />

Hausdienste machen) zu motivieren und auch die<br />

Abendaktivitäten zu deren Spaß zu organisieren (ach<br />

wenn ich doch noch einmal eine Runde Kokettieren<br />

spielen könnte …), Streit schlichten und vor allem<br />

aber auch Liebeskummer oder Heimweh zu trösten.<br />

Vieles, das ich in der Jugendführer-Arbeit gelernt<br />

habe, hat mir im Beruf als Manager, aber auch in<br />

der Familie als Vater später geholfen. So durfte ich in<br />

der Fragant in geschütztem Rahmen mit anderen Jugendführern<br />

im Gemeinschaft lernen, was es später<br />

heißt, Verantwortung zu tragen, zu leiten und gestalten<br />

und auch als Team harmonisch zu funktionieren.<br />

Auch hat diese Zeit mir gezeigt, dass man oft Dinge<br />

einfach tun sollte, ohne zu hinterfragen, ob es einem<br />

selbst etwas bringt, sondern einfach für die Anderen<br />

– wenn dann Jahre später eine erwachsene (paar<br />

Jahre jüngere) Dame zu dir sagt, wie lieb du damals<br />

als Jugendführer sie als Kind getröstet hast, zeigt es,<br />

dass alles Tun im Leben einen Sinn hat.<br />

Das Schild von unserem Staudammbau „Toleranz<br />

92“ ist noch immer Zeitzeuge meines letzten Kurses<br />

als Jugendführer.<br />

Zeitzeugen<br />

Und zum Thema Zeitzeuge eine letzte Anekdote: beim<br />

Zivildienst beim Roten Kreuz führte ich 1995 in Graz<br />

eine 1<strong>03</strong>-jährige Dame mit starkem Kärntner Dialekt.<br />

Sie war aus Stall gebürtig und als Kind mit ihrer Oma<br />

1905–1910 in der Fragant Sennerin. Als ich sie bat,<br />

mir vom ehemaligen Bergwerk zu erzählen meinte<br />

sie: „Ach, gibt es das gar nicht mehr?“ – es folgten<br />

20 min. Autofahrt mit Erzählungen aus einer Fragant<br />

vor dem Ersten Weltkrieg – diese Frau werde ich wie<br />

meine Jugendführer- und Kursteilnehmer-Zeit nie<br />

vergessen - und bin deswegen nach wie vor jedes<br />

Jahr zumindest ein Wochenende in der Schutzhütte<br />

oder bei meinem Freund in der Pritschnighütte.<br />

Bericht: Klaus Raunegger<br />

Besucher (1979), Kursteilnehmer (1980–1985),<br />

Jugendführer (1986–1992)<br />

Fotos: Archiv K. Raunegger

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