Zdirekt! 03-2021
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TITELTHEMA<br />
DAS FORSCHUNGSPROJEKT<br />
„Zeitarbeitsfirmen im Wandel zur Beschäftigungsindustrie?“<br />
Im Rahmen des Forschungsprojekts werden Dokumente wie Veröffentlichungen von<br />
nationalen und internationalen Verbänden und einzelnen Firmen ausgewertet und Geschäftsmodelle<br />
analysiert. Dazu finden Interviews mit Branchenexperten, Wissenschaftlern,<br />
Verbandsvertretern und Firmen statt. Das Team von Prof. Pongratz hat beispielsweise mit<br />
Betriebsräten und Managern von Randstad und Adecco, aber auch mit dem iGZ-Bundesvorsitzenden<br />
Christian Baumann gesprochen. Weitere Gespräche mit Vertretern von digitalen<br />
Dienstleistungsanbietern wie LinkedIn, Xing, Stepstone und Kununu sind geplant. Das Projekt<br />
läuft bis Mitte 2022.<br />
Sie sprechen vor allem von großen Unternehmen,<br />
die natürlich auch einen ganz anderen finanziellen<br />
Spielraum und andere Möglichkeiten haben.<br />
Inwieweit ist denn Ihre Forschung auch für kleinere<br />
und mittelständische Firmen in der Branche<br />
interessant?<br />
Es ist immer gut, die Großen zu beobachten. Der Blick<br />
sollte aber verstärkt auf die neuen digitalen Player der<br />
Branche fallen, die bisher wenig beachtet werden: Welche<br />
Rolle spielen beispielsweise LinkedIn, Glassdoor<br />
oder Indeed – oder in Deutschland Xing, Stepstone oder<br />
Twago? Inwieweit für Mittelständler eine vergleichbare<br />
Diversifizierungsstrategie sinnvoll ist, da wäre ich vorsichtig<br />
– zum einen weil dafür oft die finanziellen Mittel<br />
fehlen, aber auch wegen der für die neuen Felder erforderlichen<br />
Kompetenzen. Und was unsere Forschungen<br />
auch zeigen: Selbst die Großen stoßen mit ihren<br />
Diversifizierungsstrategien auf erhebliche Schwierigkeiten.<br />
Personalvermittlung als Geschäftsfeld wächst auch<br />
nicht unbegrenzt: Zwar steigt die Nachfrage aufgrund<br />
des Fachkräftemangels, aber die Konkurrenz unter den<br />
Anbietern ist groß. Zeitarbeitsfirmen haben es schwer,<br />
im Feld der Personalvermittlung Fuß zu fassen, weil<br />
sie ein schlechtes Image haben – aufgrund der gesellschaftlichen<br />
Bewertung von Zeitarbeit als prekäre Beschäftigung<br />
vor allem im niedrig qualifizierten Bereich.<br />
Da ist es gar nicht so einfach, sich als kompetenter<br />
Personalvermittler darzustellen. Es gibt freilich andere<br />
Strategien, mit diesen Entwicklungen umzugehen.<br />
Welche denn?<br />
Die großen Unternehmen wie Randstad und Adecco<br />
kaufen kleinere Anbieter aus diversen Geschäftsfeldern –<br />
Personalvermittlungen oder Plattformen. Sie haben aber<br />
oft Schwierigkeiten, diese zu integrieren. Für Mittelständler<br />
bietet sich vielmehr an, mit anderen spezialisierten<br />
Unternehmen zu kooperieren, zum Beispiel als<br />
Zeitarbeitsfirma mit einer Freelancer-Agentur, mit einer<br />
Online-Vermittlung oder mit Personalvermittlungen, weil<br />
diese das nötige Spezialwissen mitbringen. Gemeinsam<br />
im Verbund könnte man dann ein diversifiziertes Angebot<br />
machen. Eine zweite Strategie, die meines Erachtens<br />
noch viel zu wenig diskutiert wird, die aber längerfristig<br />
erfolgsversprechend sein könnte, ist die Qualifizierung<br />
der eigenen Mitarbeiter – auch all jener, die im Einsatz<br />
beim Kunden sind. Denn der Fachkräftemangel wird sich<br />
nicht durch Personalvermittlung auflösen lassen. Gesellschaftlich<br />
stehen wir vor der Herausforderung: Wir brauchen<br />
mehr Fachkräfte. Das Problem lässt sich nur zum<br />
Teil durch Einwanderung lösen. Die Qualifizierung der<br />
eigenen Leute wäre ein guter Weg für die Zeitarbeitsbranche,<br />
um das Angebot an Fachkräften zu sichern, so<br />
auch ein besseres Image zu erlangen und sich vielleicht<br />
sogar als Dienstleister für Qualifizierung zu etablieren.