29.09.2021 Aufrufe

Zdirekt! 03-2021

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

34<br />

BERLIN DIREKT<br />

Lohnlücke in der Zeitarbeit:<br />

Fakten statt Mythen<br />

Es ist an der Zeit, ein Gerücht aus der Welt zu schaffen: Zeitarbeitnehmer verdienen<br />

durchschnittlich 43 Prozent weniger als ihre Kollegen in der Stammbeschäftigung.<br />

Die Aussage entbehrt jeglicher Faktengrundlage und noch den geringstmöglichen<br />

Anforderungen an methodischer Seriosität.<br />

Alle sechs Monate veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit einen Bericht<br />

mit dem Titel „Entwicklungen in der Zeitarbeit“. Hierin findet sich in<br />

der aktuellen Fassung vom Juli <strong>2021</strong> der Satz: „Der mittlere Verdienst der<br />

Leiharbeitnehmer war mit 1.954 Euro um 43 Prozent niedriger“ (als jener<br />

der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten der sogenannten<br />

Kerngruppe). Neben diesem Satz erscheint ein Schaubild mit Diagrammen.<br />

Das erste und prominenteste dieser Diagramme bildet die vermeintliche<br />

Lohnlücke von 43 Prozent ab. Wer weiter liest und sich abgesetzte Diagramme<br />

ansieht, erfährt noch, dass der statistische Lohnabstand sich<br />

spürbar verringert, wenn – welch Wunder – Arbeitnehmer in derselben<br />

Anforderungskategorie verglichen werden.<br />

Bis hierhin lassen sich diese Zahlen kaum ernst nehmen. Der medial alles<br />

überragende Pauschalvergleich stellt wild Personen einander gegenüber:<br />

Da verdienen fünfzigjährige Ingenieurinnen in München doch tatsächlich<br />

mehr als dreiundzwanzigjährige Dachdecker in einem kleinen Dorf in<br />

Mecklenburg-Vorpommern – die Beispiele lassen sich beliebig kreieren,<br />

denn buchstäblich jede Konstellation ist in dem Vergleich enthalten. Nun<br />

müssen wir glücklicherweise nicht hier in Unwissenheit verharren. Wer<br />

wissen möchte, ob jemand in Zeitarbeit weniger verdient als in Stammbeschäftigung,<br />

zieht im Idealfall eine in allen lohnrelevanten Aspekten<br />

identische Person heran – mit dem einzigen Unterschied, dass diese Person<br />

nicht in der Zeitarbeit tätig ist. Nun ist es nicht möglich, dies für jeden Zeitarbeitnehmern<br />

in Deutschland durchzuführen – hier stößt die Methodik an<br />

Grenzen. Ökonomen und Statistiker aber wissen Rat. Mit unterschiedlichen<br />

Methoden kann dieser Eins-zu-eins-Vergleich mathematisch simuliert werden.<br />

Niemand ist darauf angewiesen, unsinnige Vergleiche zu ziehen und<br />

ansonsten von gefühlten Annahmen zu leben.<br />

Die Bundesagentur für Arbeit selbst hat im Jahr 2019 in einem „Methodenbericht<br />

Bereinigter Pay Gap von Leiharbeitnehmern“ festgehalten, der<br />

„einfache Vergleich der Entgeltstrukturen von Leiharbeitnehmern und Nichtleiharbeitnehmern<br />

ist jedoch nicht sehr aussagekräftig, auch wenn er häufig<br />

vorgenommen wird“. Die Statistiker der Bundesagentur errechnen, dass<br />

Zeitarbeitnehmer, wenn sie „in Bezug auf das Anforderungsniveau (Helfer,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!