Zdirekt! 03-2021
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BERLIN DIREKT<br />
Lohnlücke in der Zeitarbeit:<br />
Fakten statt Mythen<br />
Es ist an der Zeit, ein Gerücht aus der Welt zu schaffen: Zeitarbeitnehmer verdienen<br />
durchschnittlich 43 Prozent weniger als ihre Kollegen in der Stammbeschäftigung.<br />
Die Aussage entbehrt jeglicher Faktengrundlage und noch den geringstmöglichen<br />
Anforderungen an methodischer Seriosität.<br />
Alle sechs Monate veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit einen Bericht<br />
mit dem Titel „Entwicklungen in der Zeitarbeit“. Hierin findet sich in<br />
der aktuellen Fassung vom Juli <strong>2021</strong> der Satz: „Der mittlere Verdienst der<br />
Leiharbeitnehmer war mit 1.954 Euro um 43 Prozent niedriger“ (als jener<br />
der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten der sogenannten<br />
Kerngruppe). Neben diesem Satz erscheint ein Schaubild mit Diagrammen.<br />
Das erste und prominenteste dieser Diagramme bildet die vermeintliche<br />
Lohnlücke von 43 Prozent ab. Wer weiter liest und sich abgesetzte Diagramme<br />
ansieht, erfährt noch, dass der statistische Lohnabstand sich<br />
spürbar verringert, wenn – welch Wunder – Arbeitnehmer in derselben<br />
Anforderungskategorie verglichen werden.<br />
Bis hierhin lassen sich diese Zahlen kaum ernst nehmen. Der medial alles<br />
überragende Pauschalvergleich stellt wild Personen einander gegenüber:<br />
Da verdienen fünfzigjährige Ingenieurinnen in München doch tatsächlich<br />
mehr als dreiundzwanzigjährige Dachdecker in einem kleinen Dorf in<br />
Mecklenburg-Vorpommern – die Beispiele lassen sich beliebig kreieren,<br />
denn buchstäblich jede Konstellation ist in dem Vergleich enthalten. Nun<br />
müssen wir glücklicherweise nicht hier in Unwissenheit verharren. Wer<br />
wissen möchte, ob jemand in Zeitarbeit weniger verdient als in Stammbeschäftigung,<br />
zieht im Idealfall eine in allen lohnrelevanten Aspekten<br />
identische Person heran – mit dem einzigen Unterschied, dass diese Person<br />
nicht in der Zeitarbeit tätig ist. Nun ist es nicht möglich, dies für jeden Zeitarbeitnehmern<br />
in Deutschland durchzuführen – hier stößt die Methodik an<br />
Grenzen. Ökonomen und Statistiker aber wissen Rat. Mit unterschiedlichen<br />
Methoden kann dieser Eins-zu-eins-Vergleich mathematisch simuliert werden.<br />
Niemand ist darauf angewiesen, unsinnige Vergleiche zu ziehen und<br />
ansonsten von gefühlten Annahmen zu leben.<br />
Die Bundesagentur für Arbeit selbst hat im Jahr 2019 in einem „Methodenbericht<br />
Bereinigter Pay Gap von Leiharbeitnehmern“ festgehalten, der<br />
„einfache Vergleich der Entgeltstrukturen von Leiharbeitnehmern und Nichtleiharbeitnehmern<br />
ist jedoch nicht sehr aussagekräftig, auch wenn er häufig<br />
vorgenommen wird“. Die Statistiker der Bundesagentur errechnen, dass<br />
Zeitarbeitnehmer, wenn sie „in Bezug auf das Anforderungsniveau (Helfer,