2021/10 |Unternehmen #79 | Ausgabe Oktober 2021 | !
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
42<br />
VERANTWORTEN unternehmen [!]<br />
arbeitet, ist produktiver und weniger<br />
oft krank. „Gebäude schlagen in<br />
der Gesamtkostenrechnung eines<br />
Unternehmens nur mit etwa zehn<br />
Prozent zu Buche. Die Personalkosten<br />
hingegen bilden in der Regel den<br />
Löwenanteil“, gibt DBU-Architektin<br />
Djahanschah zu bedenken. Neben<br />
Konzentration und Produktivität,<br />
steigere ein gesundheitsförderndes<br />
Umfeld die Identifikation mit dem<br />
Unternehmen und die Attraktivität<br />
des Arbeitsplatzes.<br />
Auch in Ulm hat man deshalb ein<br />
besonderes Augenmerk auf den<br />
Wohlfühlfaktor gelegt. Das Lüftungssystem,<br />
das die Raumluft in<br />
den Seminarräumen mehrmals täglich<br />
umwälzt, sorgt für beste Luftqualität.<br />
Es läuft am effizientesten,<br />
wenn die Fenster dauerhaft geschlossen<br />
bleiben. „Allerdings hat<br />
sich gezeigt, dass sich die meisten<br />
Menschen unwohl fühlen, wenn sich<br />
Fenster nicht öffnen lassen. Also haben<br />
wir uns dazu entschlossen, diese<br />
Option beizubehalten und auf die<br />
Eigenverantwortung der Gebäudenutzer<br />
zu setzen“, erklärt Peter Renze,<br />
Leiter des Instituts Energie und<br />
Antriebstechnik an der THU.<br />
Hörsaal und Reallabor in einem<br />
Für optimale Beleuchtung sorgen<br />
Helligkeits- und Bewegungssensoren.<br />
Das System reguliert die Leuchtstärke<br />
der LED-Lichter und passt sie<br />
den aktuellen Lichtverhältnissen an.<br />
Den nutzenden Fakultäten dient das<br />
Energie-Effizienz-Plus-Gebäude<br />
auch als Reallabor. Renze: „Studierende<br />
haben jetzt die Chance, modernste<br />
Energietechnik selbst zu erleben,<br />
Daten auszuwerten und zu<br />
analysieren.“ Das Gebäude kommuniziert<br />
sowohl mit Nutzerinnen und<br />
Nutzern als auch mit der Umgebung<br />
und den Leitzentralen der örtlichen<br />
Energieversorger. Sämtliche Daten<br />
zur Energienutzung und -erzeugung<br />
werden erfasst.<br />
Dass Gewerbeneubauten inzwischen<br />
weitgehend klimaneutral und<br />
teilweise auch biodivers geplant<br />
werden, ist fast schon Standard. Das<br />
zeigt sich auch im Zertifizierungswillen.<br />
Rund 8000 Zertifikate in Platin,<br />
Gold, Silber und Bronze hat die<br />
DGNB bisher vergeben. Zertifiziert<br />
wird weltweit. Je nach Gebäudetyp<br />
fließen bis zu 40 Nachhaltigkeitskriterien<br />
in die Bewertung ein.<br />
Ganz anders sieht es mit Blick auf<br />
die Sanierungsquoten aus. Gerade<br />
Faktor Gebäudemanagement<br />
Das neue THU-Gebäude ist ein Reallabor, das mit seiner Umgebung kommuniziert.<br />
Nach dem Bauen kommt das<br />
Betreiben. Wer klimaneutral<br />
oder -positiv bleiben will, sollte<br />
eine Form des Monitorings<br />
mitdenken. Denn nur das systematische<br />
Beobachten aller<br />
relevanten Gebäudeinformationen<br />
und Verbrauchsdaten<br />
Zur Person<br />
Volker Reuter ist<br />
Professor für Mathematik<br />
und Statistik.<br />
Der Rektor der THU<br />
ist Vorsitzender der<br />
Rektorenkonferenz<br />
der Hoschulen für<br />
angewandte Wissenschaften<br />
im Land.<br />
schafft Transparenz und – falls<br />
notwendig – die Möglichkeit<br />
zum Gegensteuern. Eine Option<br />
ist das<br />
DGNB-Managementsystem<br />
„Gebäude im Betrieb“. Das<br />
System fokussiert auf neun<br />
Kriterien: Klimaschutz und<br />
einmal rund ein Prozent der Bestandsgebäude<br />
in Deutschland sind<br />
im vergangenen Jahr modernisiert<br />
worden. „Hier braucht es dringend<br />
stärkere Anreize und einen leichteren<br />
Zugang zu Förderungen“, sagt<br />
Jansen. Denn ohne den Bau- und Gebäudesektor<br />
sei eine Umsetzung der<br />
Klimaziele nicht erreichbar. Dieser<br />
sorgt immerhin für ein Drittel des<br />
jährlichen CO2-Ausstoßes der Bundesrepublik.<br />
Materialien wiederverwenden<br />
Verbesserungspotenzial gibt es auch<br />
unter Gesichtspunkten der Kreislaufwirtschaft.<br />
Mit jährlich rund 230<br />
Millionen Tonnen ist die Baubranche<br />
für mehr als die Hälfte des gesamten<br />
deutschen Abfallaufkommens<br />
verantwortlich. „Es gehört<br />
auch zur Ressourcenschonung, bestehenden<br />
Materialien wieder einen<br />
Wert beizumessen und diese soweit<br />
FOTO: VOLKMAR KÖNNEKE<br />
Energie, Wasser, Wertstoffmanagement,<br />
Betriebskosten, Risikomanagement<br />
und Werterhalt,<br />
Beschaffung und Bewirtschaftung,<br />
Innenraumkomfort,<br />
Nutzerfreundlichkeit und Mobilität.<br />
Mehr Informationen<br />
unter www.dgnb.de<br />
wie möglich wiederzuverwenden“,<br />
erklärt Djahanschah. Etwa indem<br />
man Abbruchunternehmen mit Bauherrinnen<br />
und -herren ins Gespräch<br />
bringt und versucht, möglichst viel<br />
von dem, was bereits da ist, in die<br />
Planung mitaufzunehmen.<br />
Damit das möglich wird, müssten<br />
allerdings auch die geltenden Bauverordnungen,<br />
Förder- und Genehmigungsverfahren<br />
modernisiert<br />
werden. Viele Vorteile könnte an<br />
dieser Stelle die digitale Bauplanung<br />
bringen. Mithilfe von Software können<br />
nicht nur Lichteinfall, Energiebedarf<br />
und Luftströmungen an einem<br />
digitalen Abbild des geplanten<br />
Gebäudes simuliert, sondern auch<br />
die Ökodaten aller eingesetzten Materialien<br />
und Bauteile erfasst werden.<br />
Auch wenn das Gebäude länger<br />
steht, weiß die kommende Generation<br />
so, was alles im Gebäude<br />
steckt. [!]<br />
Ronja Gysin