blu November / Dezember 2021
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KULTUR 15<br />
FOTO: J. SCHRAMM<br />
FOTO: O. BLECKER FOTO: J .SCHRAMM<br />
über „KU’DAMM 56 – DAS MUSICAL“<br />
Mädchen“. Wie kann Musik dazu<br />
beitragen, dass eine Gesellschaft<br />
vorankommt?<br />
Ich würde mich freuen, wenn Musik dazu<br />
beiträgt! Ich hoffe natürlich, dass das so<br />
ist. Mit meinen Nichten, 17 und 19, habe<br />
ich während Corona lange und viel am<br />
Telefon oder Skype telefoniert und auch<br />
diskutiert, wie sie die Dinge sehen, das<br />
war unheimlich spannend. Wenn Musik es<br />
schafft, Menschen zum Nachdenken zu<br />
bringen, dann ist das toll.<br />
Wörter wie „zügellos“ deuten an,<br />
wie steif die Gesellschaft einst war.<br />
Wofür bist du den Unangepassten<br />
von damals dankbar?<br />
Ich bin allen unendlich für ihren<br />
Mut dankbar! Mein Onkel ist schwul und<br />
hatte sein Coming-out in einer Zeit, als<br />
Homosexualität noch als Krankheit galt.<br />
„Ich lass nicht zu, lässt du dich<br />
gehen“, harter Tobak für ein Musical,<br />
oder?<br />
Ja, aber wichtig. Eine Mutter rät ihrer Tochter<br />
nach der Vergewaltigung, sich duschen<br />
zu gehen und weiterzumachen. Das ist<br />
natürlich schlimm ... Wir wollten zeigen, wie<br />
diese Frau so wurde, wie sie das empfindet,<br />
warum sie denkt, so handeln zu müssen.<br />
Die frühe Nachkriegszeit war anfangs<br />
ja auch wahnsinnig traumatisch. Meine<br />
Oma etwa hatte Glück, dass sie am Leben<br />
blieb … Soldaten stellten Frauen auf und<br />
erschossen alle, die beim Abzählen eine<br />
ungerade Zahl hatten. Das war unheimlich<br />
traumatisierend!<br />
Was magst du an etwas in Vergessenheit<br />
geratener Musik wie Rumba<br />
und Rock ’n’ Roll?<br />
Genau das! Manchmal hört man ja Einflüsse<br />
dieser Musikarten oder auch Cha-Cha-Cha<br />
in aktueller Popmusik raus … Was den<br />
Rock ’n’ Roll angeht: Das war für Ulf und<br />
mich wirklich schwer, aber auch spannend.<br />
Wir sind Popmusiker und die funktioniert<br />
einfach ganz anders, ob es geklappt hat,<br />
müssen die Hörer entscheiden! (grinst)<br />
„Berlin, Berlin, Du heiße Braut“ wird<br />
in Eurem Musical gesungen. Was<br />
fasziniert dich an Berlin?<br />
Die stetige Veränderung, aber auch mein<br />
Kiez. Wir sind in den 1990ern in den<br />
Friedrichshain gezogen, da war noch alles<br />
im Umbruch. Hier leben meine Freunde,<br />
hier ist immer noch kein Stillstand, aber<br />
trotzdem ist es meine Heimat geworden.<br />
Und Berlin bietet so viel Freiheit, das<br />
schätze ich sehr.<br />
*Interview: Michael Rädel