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blu November / Dezember 2021

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Musik<br />

NACHGEFRAGT<br />

FOTO: O. HEINE<br />

REVOLVERHELD:<br />

„Auf allen Kanälen gibt es ein Dauerfeuer“<br />

Eigentlich ist Johannes Strate<br />

gerade auf Tournee – mit<br />

seiner Band Revolverheld.<br />

Seinen konzertfreien Tag nutzt<br />

der Musiker nun, um Werbung für deren<br />

sechstes Album „Neu erzählen“ zu machen.<br />

Im Konferenzraum einer Finanzberatung<br />

in Hamburg-Hoheluft-Ost. Das Unternehmen<br />

gehört einem Freund des Sängers, der<br />

seinen Besuch selber an der Tür abholt.<br />

Danach gibt es erst mal einen Cappuccino<br />

mit Hafermilch, bevor Johannes Strate bestens<br />

gelaunt anfängt, über die jüngste Platte<br />

zu reden. Die Worte sprudeln nur so aus ihm<br />

heraus. Der Albumtitel, das wird schnell klar,<br />

kommt nicht von ungefähr. Revolverheld,<br />

erläutert der 41-Jährige, seien immer dabei,<br />

sich neu zu erzählen: „Wir haben nicht diese<br />

Bon-Jovi-Macke. Nach dem Motto: Das<br />

funktioniert, also bringen wir zwanzigmal in<br />

Folge dasselbe Album und dieselbe Single<br />

raus.“<br />

Die Hamburger wollen sich stetig weiterentwickeln.<br />

„Unsere Single ,Leichter‘ war ein<br />

Aufbruch zu neuen Ufern“, stellt Johannes<br />

Strate klar. Musikalisch lehnt sie sich stark an<br />

die Achtzigerjahre an, das gilt für die meisten<br />

„Neu erzählen“-Stücke. Woran das liegt,<br />

kann der Künstler ganz genau erklären: „Wir<br />

wurden alle 1980 oder einen Ticken früher<br />

geboren. Somit sind wir mit den Songs von<br />

a-ha, Toto und The Police aufgewachsen –<br />

sie sind quasi in unserer DNA.“<br />

Das merkte man schon während der<br />

letzten Tournee. Damals strebten etliche<br />

Lieder in Richtung Eighties, selbst ältere<br />

Semester. „Freunde bleiben“ zum Beispiel<br />

wurde mit einem Synthesizer aufgemotzt.<br />

Das ebnete den Weg für neue Titel wie die<br />

Powerpop-Nummer „Abreißen“ oder das<br />

energetische „Irgendwann“. Allerdings klingt<br />

nicht unbedingt alles homogen. Schließlich<br />

waren diesmal gleich neun Produzenten<br />

am Werk. Unter anderem der Amerikaner<br />

Martin Johnson, der für das groovige „Na<br />

ihr wisst schon“ verantwortlich zeichnet.<br />

Es beschreibt einen nächtlichen Streifzug<br />

durch verschiedene Bars. Mit von der Partie<br />

ist dabei der US-Act The Night Game, dem<br />

Martin Johnson bekanntlich angehört.<br />

„Keine Zeit“ wurde dagegen von Robin<br />

Grubert produziert, einem alten Kumpel<br />

der Band. Treibende Beats peitschen den<br />

Song voran, der sich mit einem Phänomen<br />

der Gegenwart beschäftigt: dem ewigen<br />

Gehetztsein. „Irgendwie haben die Leute<br />

generell zu viel zu tun“, grübelt Johannes<br />

Strate. In der Generation seiner Großeltern<br />

sei das noch anders gewesen: „Wenn sie<br />

mittwochs etwas Bestimmtes gemacht<br />

haben, dann war das eben so.“ Diese Philosophie<br />

ist längst überholt: „Heute heißt es<br />

häufig: ,Nee, du, ich habe keine Zeit.‘“ Schuld<br />

daran sei nicht zuletzt das Überangebot:<br />

„Man wird dauernd mit Fragen bombardiert<br />

wie ,Hast du die Serie schon geguckt? Hast<br />

du das Buch schon gelesen?‘ Auf allen<br />

Kanälen gibt es ein Dauerfeuer.“<br />

Zuweilen wird das Johannes Strate zu viel.<br />

Zum Glück weiß er genau, wie er da gegensteuern<br />

kann: „Ich brauche dann einfach Zeit<br />

für mich alleine.“ Meist legt er sein Handy<br />

beiseite und geht eine Stunde spazieren –<br />

das spendet ihm Kraft. Er kann sich danach<br />

sagen: „Dahinten wird’s schon wieder hell.“<br />

Dieser Satz stand Pate für einen Songtitel.<br />

Das gleichnamige Lied beschäftigt sich<br />

damit, wie man sich aus einem Tief selbst<br />

herausholen kann. Johannes Strate hat dafür<br />

ein Patentrezept: „Manchmal muss man<br />

sich an den kleinen Dingen hochziehen.“ Die<br />

Pandemie, räumt er ein, sei auch für ihn ein<br />

harter Schlag gewesen. Dennoch versuchte<br />

er, das Beste aus der Situation herauszuholen:<br />

„Wir sind jeden Tag eine Stunde später<br />

aufgestanden, weil das Homeschooling erst<br />

um 9 Uhr begann und nicht wie der reguläre<br />

Unterricht um acht.“<br />

*Interview: Dagmar Leischow

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