blu November / Dezember 2021
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Musik<br />
INTERVIEW<br />
INTERVIEW<br />
FOTO: YANN ORHAN<br />
ZAZ:<br />
„Weniger Wut,<br />
mehr Wohlwollen“<br />
Gut zehn Jahre nach ihrem Riesendurchbruch<br />
mit dem Song „Je Veux“<br />
hat sich die französische Pop-Chanson-<br />
Jazz-was-auch-immer-Sängerin Zaz<br />
intensiv um ihr eigenes Wohlergehen<br />
gekümmert. Eine Zeit lang dachte sie gar<br />
darüber nach, die Karriere zu beenden.<br />
Hat sie glücklicherweise doch nicht – und<br />
stattdessen das herzerwärmende neue<br />
Album „Isa“ eingespielt.<br />
„Ich wollte Zaz killen“, sagt ebenjene Zaz<br />
einigermaßen überraschend und gleich<br />
zu Beginn unseres Gesprächs. „Ich hatte<br />
vor drei Jahren so eine starke Abneigung<br />
gegen sie entwickelt, dass ich beschloss,<br />
Zaz sterben zu lassen.“ Nun, dieser Plan<br />
hat offenkundig nicht funktioniert, denn<br />
Zaz, die in Wirklichkeit Isabelle Geffroy<br />
heißt, erfreut sich nicht nur des Lebens,<br />
sondern an diesem Abend in einem Berliner<br />
Hotelzimmer zudem einer geradezu<br />
überwältigenden Putzmunterkeit. Lange<br />
vor der weltweiten Seuche, erzählt Zaz,<br />
sei sie nach der letzten Tournee in ihr<br />
Häuschen mit Garten in Paris zurückgekehrt,<br />
habe gemalt, Yoga gemacht,<br />
meditiert, einen Mann kennengelernt,<br />
mit dem sie nun zusammenlebt, und „ein<br />
so introvertiertes und zurückgezogenes<br />
Leben geführt wie ein Bär in seiner Höhle<br />
während des Winters“. Zaz habe sich auf<br />
die Suche in ihr Inneres begeben, eine<br />
Reise ins Selbst, habe eine Art Radikalkur<br />
in Sachen Achtsamkeit und Eigenliebe<br />
absolviert. Und am vorläufigen Ende dieses<br />
Weges liege nun „Isa“, ihr fünftes und wunderhübsches<br />
Album, auf dem sie, assistiert<br />
von dem holländischen Produzenten<br />
REYN (Vanessa Paradis, Benjamin Biolay),<br />
ihren neu gefundenen Platz im Leben auch<br />
musikalisch markiert.<br />
„Isa“, das so heißt wie sie selbst, ist ein<br />
überwiegend leises, besinnliches, verträumt<br />
klingendes Album. Zaz zaubert mit<br />
ihrer Stimme, die ja von jeher mit der von<br />
Edith Piaf verglichen wird, unvergleichlich<br />
schöne Gesangsmelodien, sie macht<br />
Geräusche mit diversen Körperteilen, alles<br />
wirkt im wahrsten Sinne des Wortes organisch.<br />
Und persönlich. Obschon Zaz ihre<br />
Songs dieses Mal nicht selbst geschrieben<br />
hat, verlaufen die Worte sehr eng an ihrem<br />
Leben entlang. Etwa in „Ce Que Tu Es Dans<br />
Ma Vie“, einem berührenden Chanson, den<br />
sie für ihr Stiefkind, die 13-jährige Tochter<br />
ihres Partners, geschrieben hat. „Ich habe<br />
mir immer Kinder gewünscht. Und manchmal<br />
erfüllt das Leben die Träume und<br />
Hoffnungen auf eine völlig unerwartete<br />
und andere Art als gedacht.“ Auf dem<br />
neuen Album, so Isabelle, „gibt es viel mehr<br />
Weichheit, mehr Wohlwollen, mehr Zärtlichkeit.<br />
Dafür weniger Rebellion, weniger<br />
Kampf, weniger Wut.“ Eine Aktivistin, sagt<br />
Zaz, sei sie immer noch. Ungerechtigkeiten<br />
aller Art ertrage sie nicht gut, und mit<br />
neuen Songs wie „Imagine“ (das von Titel<br />
und Inhalt her natürlich mit Absicht an<br />
John Lennon anspielt) oder „De Couleurs<br />
Vives“ plädiert sie vehement für eine<br />
vielfältige, faire Welt und trommelt für den<br />
Frieden und den Erhalt unseres Planeten.<br />
Und dann ist da noch ein echter Überraschungsgast<br />
auf „Isa“. Rammstein-Sänger<br />
Till Lindemann singt mit Zaz das Duett „Le<br />
Jardin Des Larmes“, und das ist wirklich<br />
außerordentlich charmant. Gemeinsam<br />
waren die beiden jüngst gar in Usbekistan<br />
(„Wir brauchten eine Wüste“), um das<br />
Video zu drehen, befreundet jedoch sei<br />
man schon länger gewesen. „Mein ehemaliger<br />
Pianist hat uns vor Jahren bekannt<br />
gemacht. Als ich Till vor einem Konzert in<br />
Paris in seiner Garderobe gesucht habe,<br />
tanzte er in seinem Gladiatoren-Outfit zu<br />
‚Je Veux‘. Ich liebe seine Art. Auf mich wirkt<br />
er wie ein großes Kind.“<br />
*Interview: Steffen Rüth